Sammelladungstransport

SammelladungstransportEnde der HaftungWer haftet frachtrechtlich, wenn Ware bei einem Sammelladungstransport verloren geht? Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt klar, dass der Spediteur nicht mehr wie früher für den speditionellen Nachlauf geradestehen muss.Es war ein langer Weg durch die Instanzen, die dieser Fall nahm. Er begann bereits 2004 mit einem Transportauftrag für Digitalkameras auf die Kanalinsel Guernsey und endete erst 2011 vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Beteiligt waren allein fünf Speditionen, die immer wieder Sammelladungen zusammenstellten und entflochten. Irgendwann ging die Fracht verloren. Die Frage stand im Raum: Wer haftet? Die Versicherung hatte schnell einen Schuldigen gefunden. Einer der vorderen Spediteure sollte der Schuldige sein. Der BGH sah das anders (Urteil vom 07.04.2011, Aktenzeichen: I ZR 15/10).Der FallEin Unternehmen beauftragte die Versicherungsnehmerin Ende August 2004, eine Ladung Digitalkameras und Speicherkarten im Wert von 124.215 Euro zu einem Festpreis auf die Kanalinsel Guernsey zu transportieren. Die Versicherungsnehmerin beauftragte mit der Abwicklung die Spedition S, die ihrerseits das Transportunternehmen T mit dem Transport der Kameras per LKW betraute. Die teuren Geräte wurden zunächst per Sammelladungstransport zum Lager der T in Heiligenhaus befördert. Dort stellte T eine neue Sammelladung zusammen und beförderte die Kameras nach Großbritannien zu F, bei der die Sammelladung noch vollständig ankam. Mit der Weiterbeförderung beauftragte T wiederum die F, die ihrerseits das Transportunternehmen G einsetzte. Hier verliert sich die Spur der Digitalkameras, beim Empfänger kamen sie nie an.Das VerfahrenDer Empfänger, der seine Ware nie erhielt, sie aber bezahlt hatte, verklagte die Versicherungsnehmerin in einem Vorprozess zunächst erfolgreich auf Schadensersatz in Höhe von 124.215 Euro (Landgericht Konstanz, 12. Juli 2006, Az.: 7 O 13/06 KfH), die Verkehrshaftpflichtversicherung entschädigte den Empfänger für den Verlust. Doch sie verlangte nun ihrerseits von der Spedition S die Erstattung des Betrages. Das Landgericht Konstanz gab der Assekuranz recht. Die Spedition legte jedoch Berufung ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe verurteilte sie schließlich zur Zahlung von 2247,50 Euro und wies die Klage im Übrigen ab. Die T als Streithelferin ging jedoch weiter bis zum BGH und verlangte mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage. Das war möglich, weil sie sich im eigenen Namen wegen ihres eigenen rechtlichen Interesses an dem Zivilprozess also sogenannte Streithelferin beteiligt hatte, obwohl sie selbst nicht Partei war. Auch die Versicherung legte Revision ein.Die StreitfrageDie klagende Versicherung war der Meinung, dass die beklagte Spedition S bei der in Auftrag gegebenen Abwicklung des Transportes die Rechte und Pflichten eines Frachtführers gehabt habe. Dies bestreitet die Spedition. Sie habe den Speditionsauftrag ordnungsgemäß ausgeführt. Als Frachtführer würde sie jedenfalls nur dafür haften, dass das Transportgut nicht während der Beförderung einer von ihr veranlassten Sammelladung abhandenkommt, für ein späteres Verschwinden müsse sie nicht gerade stehen.Die EntscheidungDer BGH schlug sich auf die Seite der Speditionen, die Versicherung ging leer aus. Bei einer Sammelladungsspedition sei die frachtrechtliche Haftung beschränkt auf die Beförderung des Gutes „in Sammelladung“, der sogenannte speditionelle Nachlauf sei davon nicht erfasst, so die Richter. Damit hat das Gericht ausdrücklich seine alte Rechtsprechung aufgegeben. Vor der Transportrechtsreform im Jahr 1998 sah die Rechtslage nämlich noch anders aus: Danach war auch der speditionelle Nachlauf von der frachtrechtlichen Haftung erfasst, wenn der Speditionsauftrag die Auslieferung an den Endempfänger vorsah.Die BegründungDer BGH stellte klar, dass die beklagte Spedition S nicht als Frachtführerin für den Schaden haftet. Die Vorinstanzen hatten die Haftung der Spedition S noch darauf gestützt, dass die Versicherungsnehmerin der S einen Speditionsauftrag erteilt hatte. Die abhandengekommenen Kameras seien zumindest teilweise als Bestandteil einer Sammelladung befördert worden. Gemäß § 460 des Handelsgesetzbuches (HGB), der die Sammelladung regelt, habe die S bis zur Ablieferung der Kameras auf der Kanalinsel Guernsey die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Da es sich um einen grenzüberschreitenden Straßengütertransport gehandelt habe, hafte die Beklagte grundsätzlich während der gesamten Beförderung für den Verlust der Ware. Dieser Rechtsauffassung hat der BGH nun eindeutig eine Absage erteilt.Auf § 460 HGB lässt sich eine Haftung nach der Transportrechtsreform von 1998 nicht mehr stützen. Nach dieser Norm ist der Spediteur befugt, die Waren gemeinsam mit den Waren anderer Versender über einen als Sammelladung geschlossenen Frachtvertrag zu befördern (siehe Kasten unten). Zwar regelt Absatz 2, dass der Spediteur dann die Rechte und Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters hat. Allerdings legt der BGH auf eine Feinheit Wert: In Absatz 2 heißt es auch „in Sammelladung“. Das bedeutet, dass die frachtrechtlichen Bestimmungen nur für den Teil der Beförderung gelten, der (noch) in Sammelladung erfolgt. Das war vor der Transportrechtsreform 1998 noch anders. Die alte Fassung des entsprechenden Paragrafen enthielt nämlich die Worte „in Sammelladung“ nicht. War die Auslieferung an den Empfänger vereinbart, haftete der Spediteur für den speditionellen Nachlauf eben auch dann, wenn er gar nicht mehr in Sammelladung erfolgte.Jetzt endet die Sammelversendung mit der Ablieferung des Gutes an den vom Sammelladungsspediteur benannten Empfänger. Das kann auch ein Empfangsspediteur sein, der die Ware dann noch ausliefert. Die Beförderung des Gutes vom Empfangsspediteur zum Empfänger selbst, der sogenannte speditionelle Nachlauf, unterfällt daher nicht mehr der Haftung. Der BGH bezieht sich dabei auch auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Transportrechtsreform. Dort heißt es, beim speditionellen Nachlauf werde regelmäßig eine Tätigkeit verrichtet, für die das frachtrechtliche Regelungsregime nicht geschaffen sei.Im vorliegenden Fall, so der BGH, sei der Sammelladungstransport mit der Ankunft der Kameras im Lager der T beendet. Die Sammelladung wurde dort entflochten und zu einer neuen Sammelladung zusammengestellt. Zu dieser neuerlichen Sammelladung hatte S die T allerdings nicht beauftragt. Daher musste S nicht haften. ❙❚■ Ina ReinschRatlose Blicke: Was die HGB-Normen bedeuten, darüber waren selbst Juristen uneins. Der BGH hat nun für Klarheit gesorgtSammelladungstransport§ 460 HGB, Sammelladung(1) Der Spediteur ist befugt, die Versendung des Gutes zusammen mit Gut eines anderen Versenders aufgrund eines für seine Rechnung über eine Sammelladung geschlossenen Frachtvertrages zu bewirken.(2) Macht der Spediteur von dieser Befugnis Gebrauch, so hat er hinsichtlich der Beförderung in Sammelladung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters. In diesem Fall kann der Spediteur eine den Umständen nach angemessene Vergütung verlangen, höchstens aber die für die Beförderung des einzelnen Gutes gewöhnliche Fracht.Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis Einzuordnen ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in den Zusammenhang, dass der Spediteur, der einen Speditionsauftrag erhält, grundsätzlich nicht für die von ihm eingesetzten Frachtführer als seine Erfüllungsgehilfen haftet, sondern nur für deren ordnungsgemäße Auswahl. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn Fixkosten vereinbart sind oder die Versendung, wie hier, im Wege der Sammelladung erfolgt.Der BGH hat mit seiner Entscheidung nun allerdings klargestellt, dass die frachtrechtliche Haftung des Spediteurs, der die Versendung von Transportgut im Wege einer Sammelladung veranlasst, dann endet, wenn das Gut an den vom Sammelladungsspediteur benannten Empfänger abgeliefert wird. Das kann auch ein Empfangsspediteur sein. Der sogenannte speditionelle Nachlauf wird von der Haftung nicht mehr umfasst. Damit hat der Bundesgerichtshof eine seit der Transportrechtsreform 1998 offene Rechtsfrage geklärt und seine alte Rechtsprechung aufgegeben. Für Leistungen, die der Spediteur außerhalb des Sammelladungstransports erbringt, bleibt es somit bei der Geltung des Speditionsrechts, der Spediteur haftet nur für die ordnungsgemäße Auswahl. irBundesgerichtshof: sein Wort giltHintergrund

Sammelladungstransport

Aufkommensentwicklung Quartal 1/2022 bis Quartal 4/2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

Cyber-Sicherheit

MEISTGELESEN

Fahrverbote: Nur noch digitale Erfassung für ausländische Fahrer geplant

Deutlicher Rückgang bei Lkw-Zulassungen in Europa

Branche warnt: „Rettet den Kombinierten Verkehr!“

NEWSLETTER