Bonn. Mit intensiverem Wettbewerb und dem nahenden Ende des Briefmonopols der Deutschen Post rücken die Arbeitsbedingungen der Zusteller immer stärker ins Blickfeld. Gewerkschaften und Politik sowie die um ihre Pfründe fürchtende Deutsche Post haben „Hungerlöhne“ und Minijobs bei den neuen Konkurrenten des Bonner Konzerns ins Visier genommen. Post-Personalvorstand Walter Scheurle will auch die Bundesregierung mobilisieren, um einen „Wettbewerb um die miesesten Arbeitsbedingungen“ zu verhindern. Die Post könne sich gezwungen sehen, sich hier ebenfalls nach unten anzupassen, wenn dem Trend zur „Prekarisierung“ nicht Einhalt geboten werde. Nachdem die Gewerkschaft Verdi das Thema in die Öffentlichkeit gebracht hatte, wetterte Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) intern in der Berliner Koalition gegen die Billiglöhne und plädierte nach Angaben informierter Kreise für feste Mindestlöhne in der Branche. In einem Zuge stellte er überraschend auch das längst vereinbarte Aus des Briefmonopols Ende 2007 wieder in Frage, da Dumpinglöhne der Post-Konkurrenz zu befürchten seien. Scheurle stellte neue Anbieter pauschal an die Wand: Sie setzten „primär auf Kostenvorteile durch prekäre Beschäftigung“. Während die Post ihren Zustellern eine „sozial und tariflich gesicherte und auskömmlich bezahlte“ Arbeit biete, folgten sie dem „Geschäftsmodell Lohndumping“. Wenn sich diese Entwicklung fortsetze, drohe die Gefahr, dass der gesamte Markt - einschließlich der Arbeitsplätze bei der Post - mit rund 200.000 Beschäftigten „insgesamt in die Zone der Niedrig- und Armutslöhne abgleitet“. Scheurle brachte als Optionen die Einführung von Mindestlöhnen oder eines Flächenvertrags ins Spiel. Unabhängig davon müsse die bisherige Regulierungspraxis geändert werden, wobei auch die Bundesregierung gefordert sei. Scheurle warf der Netzagentur vor, sie setze bei der Vergabe von Lizenzen für Briefbeförderer nicht die gesetzliche Vorgabe um, dass soziale Standards wie Entlohnungsstruktur, Urlaub oder Absicherungen bei den Arbeitsbedingungen erfüllt sein müssten. Eine Sprecherin der Netzagentur verwies darauf, dass die Behörde ihren Kontrollpflichten nachkomme. Zu den umstrittenen Arbeitsbedingungen - die Branchen üblichen Bedingungen dürfen laut Postgesetz „nicht unerheblich“ unterschritten werden - sei ein Rechtsgutachten in Arbeit. Nach einem von Verdi in Auftrag gegebenen Gutachten, auf das sich auch Scheurle berief, liegt der Anteil der geringfügig Beschäftigten bei neuen Anbietern bei fast zwei Drittel, während es bei der Deutschen Post im Briefdienst nur ein Prozent sei. Das Lohnniveau liege um mindestens 30 Prozent unter dem bei der Post. Die durchschnittlichen Stundenlöhne in Westdeutschland lägen bei 7,00 Euro und in Ostdeutschland bei 5,90 Euro. Die Entlohnung bei den Post- Konkurrenten habe zum Teil „eine ausbeuterische Qualität“ angenommen, berichtete die Gewerkschaft DPVKOM. „Stundenlöhne um 4,00 Euro und 1000 Euro Monatslöhne für eine 45-Stundenwoche sind keine Seltenheit.“ Als stärkste Post-Konkurrenten sind bisher die PIN AG (gestützt von den Zeitungsverlagen Springer, Holtzbrinck und WAZ) und die deutsche Tochter des niederländischen Konzerns TNT aufgetreten. Mit Lohn- oder Sozialdumping habe das Unternehmen nichts zu tun, erklärte TNT. Es gebe unter den rund 1000 alternativen Postdienstleistern einige „schwarze Schafe“, die über Lohn- und Sozialdumping versuchten, Marktanteile zu gewinnen. „Wir als TNT Post beteiligen uns nicht daran und möchten uns ausdrücklich davon distanzieren.“ Angesichts des verstärkten Drucks wollen PIN und TNT jetzt mit Verdi zu Vereinbarungen kommen. Im Zuge der Liberalisierung haben Post-Konkurrenten ihren Anteil im Briefmarkt bereits kontinuierlich bis auf etwa sieben bis acht Prozent ausbauen können. Bei ihnen sind insgesamt rund 45.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Post hat noch ein Restmonopol für die Zustellung von Sendungen bis 50 Gramm. Hierunter fallen etwa drei Viertel des Briefaufkommens. In Deutschland soll auch dieser Bereich von 2008 an völlig geöffnet werden, in der EU später. Seit Jahren bietet auch die Post im personalintensiven Briefbereich zunehmend ebenfalls Minijobs an, wenn auch nicht in der direkten Zustellung. Vollzeit-Arbeitsplätze werden abgebaut – seit 1999 insgesamt rund 33 .500. Außerdem sollen künftig rund 6000 der insgesamt noch 79.000 Briefträger statt Vollzeit nur noch Teilzeit arbeiten. (dpa)
Post: „Prekäre Löhne“ bei privaten Briefzustellern
Deutsche Post fordert Mindestlöhne und Flächentarifverträge auch für private Konkurrenz