Mittelfristprognose

MittelfristprognoseAcht Fragen zur Zukunft des TransportsWie geht es im Güterverkehr weiter? Wird es ab 2012 wirklich besser? Und wie entwickeln sich die Verkehrs-träger? Antworten liefert die Mittelfristprognose, die einen Blick bis 2015 wirft.Die Zukunft lässt bekanntlich alle Fragen offen. An dieser Stelle soll der Versuch gestartet werden, diesen Leitspruch zumindest ansatzweise zu widerlegen. Wir stellen acht wichtige Fragen zur Zukunft des Güterverkehrs und liefern die Antworten gleich mit.Grundlage für nahezu alle Antworten ist die Mittelfristprognose, die das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat und die Intraplan Consult/Ralf Ratzenberger veröffentlicht haben. Los geht’s: Können sich die Güterverkehrs-unternehmen 2012 auf ein Wachstum einstellen?Jein. Laut Mittelfristprognose stagniert das Aufkommen im Jahr 2012. Aber die Entwicklung der Tonnage ist nicht die maßgebliche Größe. Entscheidend ist, über welche Entfernungen die anfallenden Transportmengen transportiert werden, also die Verkehrsleistung. Und deshalb muss die Antwort eigentlich „ja“ heißen, denn die Prognose sagt hier einen Zuwachs von 2,3 Prozent in Deutschland vorher. Angesichts der Vorhersage für das Wirtschaftswachstum in Deutschland (Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) 2012 unter einem Prozent) ein gar nicht so schlechter Wert. Dem folgen jedoch zwei Einschränkungen. Zum einen war das Güterverkehrswachstum zuletzt deutlich höher. 2010 waren es 3,3 Prozent, 2009 sogar 7,0 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Das Wachstum schwächt sich also ab, wobei die 7,0 Prozent die Antwort auf das Krisenjahr 2008 waren.Zweite Einschränkung: 2,3 Prozent Zuwachs erreicht längst nicht jeder Verkehrsträger. Klammert man die Luftfracht und den Transport per Rohrleitungen aus, deren Anteil an der Verkehrsleistung mit zusammen 2,74 Prozent vernachlässigbar ist, gelingt es nur der Binnenschifffahrt, um mehr als 2,3 Prozent zuzulegen (+11,5 Prozent). Der Straßenverkehr muss sich mit 1,5 Prozent begnügen, auch weil bei Bautransporten das hohe Niveau des Jahres 2011 nicht wiederholt werden kann. Auf der Schiene stagniert die Verkehrsleistung. Warum soll das Wachstum in den Jahren 2013 bis 2015 wieder stärker zulegen als 2012? Zunächst mal zu den Wachstumszahlen für die Jahre 2013 bis 2015: Laut Mittelfristprognose legt der Güterverkehr jährlich um 2,9 Prozent zu (2012: 2,3 Prozent). „Damit kehrt die Branche wieder auf den alten Wachstumspfad zurück“, sagt Autor Ralf Ratzenberger. Aber auch mittelfristig gilt: Das Bild bezogen auf die einzelnen Verkehrsträger fällt unterschiedlich aus (siehe auch Grafik Seite 23). Wachstumslokomotive ist der LKW (+3,3 Prozent). Die Bahn kann diesem Tempo nicht ganz folgen (+2,6 Prozent), während die Binnenschifffahrt eine Flaute erlebt und einer Stagnation nur knapp entkommt (+0,6 Prozent).„Der Grund für die wieder höheren Wachstumswerte ist die konjunkturelle Entwicklung. Nach der Delle 2012 deuten alle transportrelevanten Leitgrößen auf ein höheres Wachstum“, macht Ratzenberger dem Güterverkehrsgewerbe wieder Hoffnung. So wird für das BIP von einem Plus in Höhe von 1,6 Prozent ausgegangen. Deuten aktuelle Entwicklungen wie die des Frühindikators Luftfracht darauf hin, dass das Wachstum doch nach unten korrigiert werden muss?In der Tat, die Luftfracht gilt gemeinhin als Frühindikator für den Güterverkehr, aber auch für die gesamte Wirtschaft. Und ja, in der zweiten Jahreshälfte 2011 war bei der Luftfracht nicht mehr so viel los: Im dritten Quartal fiel das Plus mit 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal eher gering aus. Im vierten Quartal befand sich die Branche in einem Luftloch (-2,4 Prozent).„Ich wäre jedoch vorsichtig, aufgrund dieser Daten davon auszugehen, dass die Konjunktur im Güterverkehr oder gar die Wirtschaft in Deutschland sich negativ entwickelt“, warnt Ratzenberger. Vielmehr gäbe es – wenn auch schwache – Signale, die auf eine Aufwärtsentwicklung hindeuten. „Dazu gehört die Entwicklung des ZEW- und des Ifo-Index, dazu gehören aber auch positive Konjunkturdaten aus den USA“, sagt der Verkehrsexperte. Vor allem, wenn sich Letztere bewahrheiten sollten, ist auch wieder mit einem Anstieg der Luftfrachtmengen zu rechnen. „Aber selbstverständlich gibt es auch Abwärtsrisiken wie die Situation im Iran oder die Verschuldungskrise, wobei Letztere nicht mehr so bedrohlich wirkt wie noch vor einem halben Jahr“, so Ratzenberger. Hat die Binnenschifffahrt ihre Krise überwunden?Eher nicht. 11,5 Prozent plus bei der Verkehrsleistung 2012: Das kann sich zwar sehen lassen. In absoluten Zahlen ausgedrückt nehmen die Tonnenkilometer (tkm) mit 6,4 Milliarden (Mrd.) tkm fast so stark zu wie auf der Straße (7,0 Mrd. tkm) und liegen fast zehn Mal höher als bei der Bahn (+0,7 Mrd. tkm). Aber: Die Ursache für den Boom sind Sonderentwicklungen im Jahr 2011, als der Rhein wochenlang wegen der Havarie eines Schiffes gesperrt war und Niedrigwasser die Flussfahrt zum Jahresende behinderte. Die Konsequenz war ein Minus von 10,7 Prozent. 2012 findet dann nur die Aufholjagd für ein ziemlich verkorkstes Jahr zuvor statt.Und sieht man sich die Prognosen bis 2015 an, muss sich die Binnenschifffahrt mit einem geringen Zuwachs von jährlich 0,6 Prozent bei der Verkehrsleistung begnügen. Damit verliert die Binnenschifffahrt weiter an Boden im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern: Ihr Anteil am Modal Split sackt auf 8,8 Prozent nach noch 10 Prozent im Jahr 2010. Hängt die Bahn wie von der Politik immer wieder gefordert den LKW ab und kann im Modal Split zulegen?Nein, das gelingt der Bahn nicht. Wie auch die Binnenschifffahrt verliert sie Marktanteile. Von dem Spitzenwert aus dem Jahr 2011 (17,5 Prozent) rutscht sie leicht auf 17,1 Prozent im Jahr 2015. Von dem von der Politik immer wieder genannten Ziel, die Bahn möge zumindest das Wachstum im Güterverkehr übernehmen, ist die Bahn meilenweit entfernt. „Die Möglichkeiten, eine Verlagerung politisch herbeizuführen, sind begrenzt“, sagt Ratzenberger. Das Problem der Bahn ist vor allem ihre Abhängigkeit von den Massengütern. Fast 40 Prozent der gesamten Verkehrsleistung, die die Bahn erbringt, sind Massengüter wie Kohle, Steine, Sand oder Metalle. „Das sind jedoch Produkte, deren Aufkommen stagniert und die bei den Wachstumsbemühungen der Bahn wie ein Bremsklotz wirken“, erklärt Ratzenberger. Ist die Verlagerung von der Straße auf die Schiene also gescheitert?Die womöglich überraschende Antwort: Nein. Auch wenn die Bahn im Modal Split leicht verliert, findet eine Verlagerung statt, nämlich im Kombinierten Verkehr (KV). In keinem anderen Segment schneidet der Schienengüterverkehr so gut ab wie hier (+5 Prozent zwischen 2012 und 2015). Und bis auf Maschinen und langlebige Konsumgüter (+5,3 Prozent) kann auch im Straßengüterverkehr kein Segment diesem Wachstumstempo folgen. Die dem KV entsprechende Gütergruppe im Straßengüterverkehr nimmt mit 2,7 Prozent deutlich weniger stark zu als der KV. Dass die Bahn dennoch Anteile am Modal Split verliert, hängt mit dem hohen Anteil der Massengüter zusammen, die stagnieren (siehe Antwort zur Frage 5).Ist das Vorkrisenniveau im Güterverkehr mittlerweile erreicht?Ja, in diesem Jahr ist es endlich so weit. Denn zumindest von der Verkehrsleistung her kehrt das Transportgewerbe wieder zum Vorkrisenniveau aus dem Boomjahr 2008 zurück. Behält die Prognose recht, wird 2012 eine Verkehrsleistung von 660 Milliarden tkm erzielt. Im bislang besten Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik lag der Wert bei 656,9 Milliarden tkm (2008). Also alles in bester Butter? Nun, abgesehen davon, dass die Verkehrsleistung nichts über die finanzielle Situation der Betriebe aussagt, ist die Rückkehr zum Vorkrisenniveau längst noch nicht in allen Verkehrszweigen erreicht. Der Straßengüterverkehr hat diese Marke bereits im letzten Jahr überschritten. 2012 wird die Verkehrsleistung aber nur knapp um 1,5 Prozent über dem bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2008 liegen. ➞Die Güterbahnen in Deutschland werden das Niveau des Jahres 2008 auch 2012 noch nicht erreichen. Erst 2013, so die Prognose, wird die Verkehrsleistung überschritten. Noch schwerer tut sich die Binnenschifffahrt mit der Aufholjagd. Die 64,1 Mrd. tkm aus 2008 werden weder in diesem Jahr noch am Ende des Prognosezeitraums 2015 (63,1 Mrd. tkm) erreicht.Auch die Akteure im Seeverkehr müssen sich gedulden, bis sie wieder an dem Wert aus dem Boomjahr (Aufkommen: 316,7 Millionen Tonnen) anknüpfen. In diesem Jahr sollen 294 Millionen Tonnen über die Kaimauern deutscher Seehäfen gehen. Erst im Jahr 2015 wird die Rekordmarke mit 317,1 Millionen Tonnen übertroffen.Zeiträume, über die man in der Luftfracht nur müde lächeln kann. Dort dauerte die Aufholjagd nur zwei Jahre. 2008 lag das Aufkommen bei 3,6 Millionen Tonnen. 2010 wurde das Aufkommen des Boomjahres mit 4,2 Millionen Tonnen deutlich übertroffen. Besteht die Gefahr, dass steigende Rohölpreise das Güterverkehrswachstum abwürgen?Ja, die Gefahr besteht natürlich. Die Frage ist nur: Klettert der Rohölpreis zukünftig überhaupt und wenn ja, auch in dem Maße, dass er Wachstum abwürgen kann?Zunächst mal sei darauf hingewiesen, dass unter steigenden Ölpreisen natürlich die Transportwirtschaft leidet, aber solch eine Entwicklung auch die weltweite Konjunktur beeinflussen kann. Kein Wunder, dass die Alarmglocken schrillen, wenn zwischen Ende Januar und Ende Februar der Preis für ein Barrel Rohöl der Sorte Brent von 108 US-Dollar auf 122 US-Dollar klettert. Das ist immerhin ein Plus von 13 Prozent innerhalb von nur einem Monat. Diese Entwicklung machte sich auch bei den Dieselpreisen bemerkbar: In Deutschland stiegen diese bei Abgabe an Großverbraucher von 114 Euro je 100 Liter im Dezember 2011 auf 118,2 Euro im Januar 2012.Die Mittelfristprognose geht nun von einem Rohölpreis von 110 US-Dollar pro Barrel aus, der sich im Verlauf der Zeit auch nicht mehr ändert. Doch Ratzenberger sieht keinen Anlass, aufgrund der aktuellen Entwicklung die Prognose zu korrigieren. „Solche Schwankungen sind nichts Ungewöhnliches“, sagt er. Und in der Tat, im letzten Jahr war im gleichen Zeitraum ein ähnlicher Preisanstieg zu beobachten.Verwunderlich erscheint die Annahme konstanter Rohölpreise jedoch vor dem Hintergrund, dass Experten angesichts der Endlichkeit von Rohöl und den damit verbundenen, höheren Förderkosten eine Steigerung des Rohölpreises vorhersagen. Ratzenberger teilt diese Befürchtung nicht: „Öl ist noch genug in der Erde, da ist sich die Mehrzahl der Fachleute einig“, sagt er. So hat auch die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in einer Studie aus dem letzten Jahr festgehalten: „Für die nächsten Jahre kann aus geologischer Sicht bei einem moderaten Anstieg des Erdölverbrauchs die Versorgung mit Erdöl gewährleistet werden.“Andererseits bekennt auch Ratzenberger, dass politische Ereignisse wie ein Krieg im Iran massiv die Preisentwicklung beeinflussen können. „Wenn es dort kracht, kann man die Prognose natürlich vergessen“, formuliert er es salopp. Womit dann doch einzugestehen wäre, dass sich Fragen zur Zukunft nicht mit hundertprozentiger Sicherheit beantworten lassen. Und dennoch, der Blick nach vorne lohnt sich, auch weil sich darüber trefflich streiten lässt. ❙❚■ Michael CordesDie Baubranche ist ein Grund, warum der Straßengüterverkehr 2012 eine Delle erlebtDie Luftfracht hat die Krise am schnellsten überwundenMittelfristprognoseMittelfristprognose

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