Mercedes-Benz Arocs

Mercedes-Benz ArocsDie Einlösung eines VersprechensIn einer Wuppertaler Kalk- grube und im Bergischen Land musste der Mercedes-Benz Arocs seine Bewährungsprobe on- und offroad ablegen.Bei der Vorstellung in den Münchner Bavaria-Filmstudios verkündete Ex-LKW-Vorstand Andreas Renschler stolz: „Mercedes-Benz ist das Bausegment“. In Deutschland halten die Wörther rund 50 Prozent Marktanteil im Baubereich, europaweit trägt etwa jeder vierte Bau-LKW den Stern. Zusammen mit dem guten Service kommt Daimler dem Versprechen „Das Beste oder Nichts“ hier sehr nahe.Ob der Stern weiter so hell strahlen wird und Renschler Recht behält, musste der neue Arocs in einer Wuppertaler Kalkgrube zeigen. Für den ersten Ausritt in schwerem Gelände stand ein handgeschalteter 4151 8x8 bereit, ausgeladen auf gut 40 Tonnen. Der Einstieg fällt leichter als beim Actros MP 3, da die Stufen treppenförmiger angeordnet sind. Dafür muss man jetzt etwas höher klettern, da der Kabinenboden des Arocs wegen des höher gelegten Rahmens und des hoch bauenden Euro-6-Antriebs um fünf bis zehn Zentimeter nach oben rückte. Lenkung und Handschaltung wie im PKW Nach dem Druck auf den Starterknopf fällt der Motor in ein angenehmes Brummen, aber wirklich leise ist der Arocs nicht. Aber sonst erinnert doch vieles an den gern zitierten PKW. Beispielsweise die leichtgängige Lenkung, die auch bei Volleinschlag keinerlei Servopulsen mehr spüren lässt. Vor allem, wenn man die „Servo-twin-Steuerung“ geordert hat, die die reine Hydraulik elektronisch unterstützt. Ebenfalls PKW-like ist die jetzt seilzugbetätigte Gangschaltung im klassischen Doppel-H, deren Schaltwege ebenso kurz ausfallen wie der Schaltknüppel. Die Gruppe wechselt man einfach, indem man den Knüppel zur Seite zieht oder schiebt, gesplittet wird per Schalter an der Vorderseite. Einmal mehr überzeugt die Elektronik Trotzdem hilft Daimler auch hier massiv mit Elektronik nach: Erster Stopp mitten im 40-Prozenter: Der Hillholder hält den Arocs einige Sekunden fest und die Motorsteuerung sorgt dafür, dass man allein per Kupplungspedal und Standgas anfahren kann. Dazu muss man das linke Pedal ganz langsam kommen lassen, sonst würgt man den Wörther ab: Anschließend klettert er souverän weiter. Auf dem anschließenden Gefälle hält die 475-kW starke Dekompressions-Motorbremse den 40-Tonner locker im Zaum – kein Vergleich zum konstant drosselnden Vorgänger. Von dem übernahm der Arocs die Sperrenaktivierung in sinnvoller Reihenfolge per Drehschalter: Da der wichtiger ist als die Feststellbremse, rückte deren Hebel bei den Handschaltern hinter den Gangknüppel. Anschließend ging es in einen Verwindungsparcours: Da beim Arocs ein weicherer Rahmen als beim Actros eingesetzt wird, der außerdem über Querträgerplatten statt Rohre verbunden ist, legt der Daimler hier eine fast „Tatra-ähnliche“ Gelassenheit an den Tag. Der Fahrer spürt wenig von den immensen Kräften, die die Kabine gegen den Aufbau drehen. Damit legte der Arocs beim Komfort noch mal zu. Die Kehrseite dieser Auslegung ist allerdings, dass sich der Daimler trotz sehr hoher Lenk- und Schaltpräzision insgesamt etwas „weich“ anfühlt. Hier entfernt sich der Arocs weniger weit vom Vorgänger als die viel straffer gewordenen Straßenfahrzeuge. Außerdem ist einmal mehr das Gewicht des Arocs zu bemängeln, was neben der Euro-6-„Chemiefabrik“ auch den viel schwereren Motoren geschuldet ist. Grund für das hohe Leergewicht ist laut Vertriebschef Ulrich Bastert auch eine sehr konservative Auslegung des kompletten Packages. Nach den Erfahrungen mit dem Actros 1 galt diesmal die Devise: Lieber alles mit Extra-Sicherheiten auslegen. Daimler ist in dem Segment noch nie für Leichtbau bekannt gewesen und außerdem verzeihen Kunden laut Bastert ein paar Pfund zu viel auf den Rippen eher als einen Ausfall. Und hier hat sich der in vielen Komponenten baugleiche Actros laut Bastert bereits bewährt: „Die ersten Autos haben jetzt 450.000 Kilometer runter und die Kunden bestätigen, dass wir Wort gehalten haben“, freut sich der Vertriebschef. Fast immer seien die neuen Autos sparsamer als die Vorgänger und alle hielten durch. Für einzelne Ausfaller wurde eine Task-Force eingerichtet: Jeder Liegenbleiber wird jetzt untersucht und die Ursache direkt an die Konstruktion weitergegeben. So werde der Slogan „Trucks you can trust“ auch in die Praxis umgesetzt, freut sich Bastert. Die Gewichtsproblematik kann man teilweise mit dem neuen OM 470 umgehen: Der spart gegenüber dem OM 471 rund 150 bis 200 Kilo ein, bietet in der stärksten Version 428 PS und 2100 Nm und überschneidet sich hier mit dem schwächsten OM 471. Im Gegensatz zu MAN, wo der 440er in Euro 6 auf den größeren D26 gehen muss, betreibt Daimler hier Downsizing. Wegen der gestiegenen Gewichte erwartet Daimler, dass die 428-PS-Version die neue „Standard-Motorisierung“ im Baubereich sein wird. Die trieb einen noch getarnten 3343 6x6 mit Powershift an, den die Daimler-Entwicklung für den schweren Geländeparcours beisteuerte. Die 8x8 waren nur mit Handschaltung verfügbar. In grobem Gelände schätzt man die schnellen Schaltzeiten des Powershift-Offroad-Modus. Viel langsamer sortiert auch der Standardmodus nicht: Wenn der Schwierigkeitsgrad des Untergrundes nachlässt, springt Powershift problemlos auch mal von drei auf sieben hoch, wo man beim Handschalter immer eine Gedenksekunde für den Gruppenwechsel einplanen sollte. Andererseits muss man die ganz schweren Passagen weiter „manuell“ fahren, da Powershift im Gegensatz zum Predictive Powertrain Control nicht voraussehen kann. Dann ging es in leichteres Terrain – diesmal mit einem 3240 mit Powershift 3. Mit 1900 Newtonmeter und 290 kW (394 PS) rangiert er für schwerere Grubeneinsätze eher am unteren Ende des Benötigten. An steilen Rampen merkt man dem OM 470 an, dass ihm im Vergleich zum OM 471 die 75 kW Bremsleistung fehlen. Dank Neigungswinkelsensor hält der 3240 die Gänge dann bis weit in den roten Drehzahlbereich hinein, weshalb man beibremsen muss. Auf dem folgenden sanften Anstieg kann man wieder in den Normalmodus zurückwechseln, der dann zügig nach oben schaltet. Fazit: Je leichter das Gelände und je kleiner der Motor, desto mehr erleichtert einem das automatisierte Getriebe die Arbeit. Am Schluss konnte man noch die Kriechfunktion testen: Dabei lässt sich der Arocs wie bei einem Wandlerautomaten allein über das Bremspedal steuern, was vor allem beim Rangieren oder sanften Abkippen angenehm ist. Bereits bekannt ist der Freischaukelmodus, wobei man mit dem Sperrenschalter im Falle eines Falles erst mal mehr erreicht. Gerne mit großen Gangsprüngen Entsprechend souverän agiert Powershift auch im dritten Testwagen, einem 2645-Anhängerzug, der mit 40 Tonnen durchs Bergische Land kurven musste: Dabei setzt der 450er auch dank Top-Torque ordentlich Kraft frei, um bergan nicht zum totalen Haarnadel-Hindernis zu werden. Sobald der Rechner eine Möglichkeit sieht, hochzuschalten, tut er das – auch hier gern wieder mit Gangsprüngen, die den OM 471 bis auf 700 Touren abfallen lassen. In diesem Drehzahltal steht immer noch genug Kraft zur Verfügung, um von dort wieder emporzuklettern. Bergab lässt sich der Zug gut per Motorbremse halten. Der 2645 meidet den Eco-Roll-Modus, mit dem der Arocs einsatzbedingt eher vorsichtig haushaltet: Nur auf langen Geraden oder sanften Gefällen kuppelt er aus, um so den Rollwiderstand zu reduzieren. Die Betriebsstopper lassen sich in allen gefahrenen Versionen gut dosieren, egal, ob dabei Scheiben oder Trommeln verzögern. Am Ende kommt die Frage nach den Kosten, die bei Euro-6-Autos höher liegen müssen als bei den Euro-5-Vorgängern. Um hier trotz Reinigung des Dieselpartikelfilters und weiterer Zusatzarbeiten die gleichen Full-Service-Raten wie bisher anbieten zu können, versuchte Daimler, die Wartungsintervalle der neuen Motoren je nach Einsatz etwas zu strecken. Fraglich ist, ob der Wartungsrechner das in der Praxis auch so sieht. Außerdem spendierte man dem Arocs neue Kupplungen, die messbar länger halten sollen als beim Vorgänger. Zusammen mit dem je nach Einsatz gleich hohen oder in den meisten Fällen hoffentlich niedrigeren Verbrauch – Daimler hofft im Bauzuliefererverkehr je nach Strecke auf bis zu fünf Prozent Einsparpotenzial vor allem über die Aerodynamik – sollte der neue (in der Anschaffung teurere) Bauarbeiter seinen Job zum gleichen Tarif erledigen wie die Vorgänger, doch spürbar souveräner. Damit dürfte Ex-LKW-Vorstand Renschler Recht behalten: Mercedes-Benz ist das Bausegment! ❙❚■ Gregor Soller Allrad- und Radnabenantrieb bei Daimler Größere Allradauswahl Auch aufgrund der hohen Gewichte hat Daimler das Allradprogramm beim Arocs aufgefächert: Serie ist jetzt der zuschaltbare Allradantrieb, der gegenüber dem permanenten Allrad rund zwei Zentner Gewicht sparen soll. Allerdings kann man den nicht mit Geländegang oder Sperre kombinieren, was die Zuschalt-lösung eher zu einer Traktionshilfe reduziert. Darüber hinaus entwickelten die Wörther jetzt ihre eigene Version des hydraulischen Vorderradantriebs, dessen Kernkomponenten wie auch bei MAN und Renault vom Zulieferer Poclain stammen. Gegenüber dem permanenten Allrad will Mercedes-Benz hier bis zu 500 Kilo Gewicht einsparen. Natürlich lässt sich der „Hydraulic Auxilary Drive“, wie Daimler den hydraulischen Radnabenantrieb etwas umständlich benennt , mit Powershift und Retarder kombinieren. Aber Daimler wäre nicht Daimler, hätte man nicht noch eins draufgesetzt: So achtete man penibel darauf, dass das System komplett innerhalb des Rahmens verbaut werden kann, um den Aufbauherstellern hier nicht in die Quere zu kommen. Außerdem wurden die Zuleitungen zu den Radnaben so ausgelegt, dass sie nur von den Federkräften nach oben und unten belastet werden, aber keinen Drehbewegungen durch die Lenkung ausgesetzt sind. Das soll die Leitungen schonen, die teils sehr hohen Drücken trotzen müssen. Entsprechend teuer ist der Ersatz bei Bruch, den Daimler pro Leitung samt Öl mit rund 500 Euro veranschlagt. Außerdem werden die Mercedes-Mannen das System mit in die Elektronik einbetten, dass es wie auch bei MAN ab 30 km/h automatisch abschaltet und nicht überhitzen kann. Einziger Nachteil des Systems: Noch ist Daimler damit in der Entwicklung und wird deshalb die ersten HAD-Arocs erst gegen Mitte 2014 ausliefern. Wer „echten“ Allrad braucht, wird allerdings nicht enttäuscht: Nach wie vor reicht das Programm lückenlos vom 4x4 bis zum permanent angetriebenen 8x8. gs Rahmenseitig gibt der Arocs gegenüber seinen Geschwistern eigentlich den „soften“ Typen Bewährt: Die ersten New Actros nähern sich problemlos der 500.000-Kilometer-Marke Wegen der gestiegenen Gewichte wird der 10,7-Liter-Motor eine größere Rolle spielen

Mercedes-Benz Arocs

Lieferkettengesetz

Transfrigoroute-Branchendialog

MEISTGELESEN

Wasserstoffmobilität: Brennstoffzelle statt Batterie

Berufskraftfahrerqualifikation: Bundesregierung stimmt Vorschlag des Bundesrats zu

Otto Group erwirbt alle Anteile an Hermes Germany

NEWSLETTER