Lobbyismus für

Lobbyismus für MittelständlerNicht nur auf internationaler und nationaler Ebene sind Experten für Lobbyarbeit aktiv. Auch mittelständische Spediteure und Transporteure können ihre Interessen erfolgreich gegenüber Politikern vertreten. Lehrte bei Hannover im Januar 2006: Auf Einladung von Klaus Hellmann, einer der beiden Inhaber von Hellmann Worldwide Logistics, informierte sich Joachim Werren, Staatssekretär für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Niedersachsen, über den 25,25 Meter langen Gigaliner. Ebenfalls vor Ort war Andreas Lubitz von der Bernard Krone GmbH, die eine 25-Meter-Kombination als Gigaliner-Lösung präsentierte. Ziel der Veranstaltung: Lubitz und Hellmann wollten den Staatssekretär von den Vorteilen des Gigaliners überzeugen und mögliche Vorbehalte, etwa zur Sicherheit in Kurven und im Kreisverkehr, zerstreuen. Denn für viele Politiker sind die überlangen LKW schlichtweg eine „Bombe auf vier Rädern“, „eine Gefahr für den Straßenverkehr“, und damit für den Einsatz untauglich. Neben Sachinformationen zur technischen Ausrüstung und zum Genehmigungsverfahren erwartete Staatssekretär Werren daher auch eine Fahr- und Rangierdemonstration. In eisiger Kälte erlebte er so, wie sich der Gigaliner beim Kreis- und Slalomfahren verhält – als Zuschauer auf dem Werksgelände und im Fahrerhaus. Noch im selben Jahr, im November 2006, vermeldete der NDR, dass Hellmann als dritte Spedition in Niedersachsen im Rahmen eines Modellprojektes die Genehmigung für den Einsatz des Gigaliners erhielt. Für Hellmann hat sich also der Besuch des Staatssekretärs gelohnt. Der Besuch von Politikern ist bei dem Osnabrücker Logistiker keine Seltenheit. Denn das Unternehmen nutzt diesen Dialog, um so der Politik Positionen vor Augen zu führen. Letztlich ist das nichts anderes als erfolgreiche Lobbyarbeit – sowohl für das Unternehmen Hellmann als auch für die gesamte Transportbranche (s. Kasten Seite 38). Denn Lobbyismus ist nichts anderes als die zielgerichtete Beeinflussung von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung. Im Fall des Gigaliners konnten also Hellmann und Krone die Vorbehalte der Politik unter anderem durch die Fahrdemonstration erfolgreich zerstreuen. Zudem stellten sie den Abgeordneten die Vorteile dar, die der überlange LKW aus ihrer Sicht hat.Lobbyismus – nicht nur in BrüsselAuch wenn Lobbyismus für viele einen negativen Beigeschmack hat, der Ansatz ist mehr als legitim. Schließlich sind Politiker gewählte Interessenvertreter, die in den Ländern, in Berlin und in Brüssel die Menschen vertreten, deren Stimmen sie erhalten haben. Voraussetzung dafür ist, dass sie die Interessen ihrer Wähler kennen. Die sind aber vielfältig und reichen von Kindergartenplätzen, über verlängerte Ladenöffnungszeiten bis hin zu vereinfachten Steuerregelungen und der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gigaliner auf deutschen Straßen fahren sollte. Kein Politiker, selbst wenn er sich noch so intensiv mit den einzelnen Fragen beschäftigt, wird sich ohne Unterstützung zu jeder dieser Fragen eine sachkundige Meinung bilden können. Die Chance für die Lobbyisten: Auch sie sind in erster Linie nichts anderes als Interessenvertreter. Da sie sich aber mit einem Themenkomplex auseinandersetzen, haben sie Informationen und Argumentationen an der Hand, die dem Politiker für die Meinungsbildung fehlen. Über 15.000 dieser Interessenvertreter sind allein in Brüssel aktiv, um dieses Wissen entsprechend aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht keineswegs heimlich: Politiker aller Parteien geben zu, dass sie auf Experten und die Zuarbeit von Lobbyisten angewiesen sind, um sich eine Meinung zu Themen zu bilden.Lobbyismus findet aber nicht nur in Brüssel oder Berlin statt, sondern – wie das Beispiel Hellmann zeigt – bundesweit in den Ländern, Städten und Gemeinden. Ansprechpartner sind Regionalpolitiker und Interessenverbände wie die IHKen. Die Themen, mit denen Mittelständler bei Politik und Verbänden vorstellig werden können, sind vielfältig. Sei es das Thema Flächennutzung, der Bau der geplanten Umgehungsstraße oder einer neuen Autobahn sowie Fahrverbote für LKW in bestimmten Straßen. Es kann aber auch um Themen gehen, die das Unternehmen selbst forciert. So können durch gezielte Lobbyarbeit schon im Vorfeld Bedenken gegen Gefahrguttransporte oder den Bau einer neuen Logistikimmobilie zerstreut werden.Erfolgreich ist Lobbyarbeit aber nur, wenn sie strategisch geschieht. Unabhängig da-von, ob es um die Erweiterung des Firmengeländes, die Diskussion um die Belastung der Umwelt durch mehr LKW-Verkehre oder die Gefährdung der Schulkinder durch die geplante Einführung von Gefahrguttransporten geht: Lobbyismus umfasst mehr als das einmalige Schreiben eines Briefes an den Oberbürgermeister mit dem Hinweis auf gefährdete Arbeitsplätze. Wer so handelt, darf sich nicht wundern, wenn die Wirkung ausbleibt oder die Politik verärgert reagiert. Politische Spielregeln erfolgreich nutzenUm erfolgreich Lobbyarbeit zu betreiben, müssen die Speditionen die Spielregeln der Politik kennen. Dazu gehört auch, dass sie möglichst frühzeitig den Dialog aufbauen, indem sie Politiker und Vertreter der ansässigen Verbände zu Gesprächen und Betriebsbesichtigungen einladen. Strategische Pressearbeit und regelmäßige Informationen über die eigene Firma helfen dabei, Vertrauen aufzubauen und die Bedeutung der Spedition für die Stadt und Region zu untermauern. Beides spart aber auch Zeit, wenn es einmal darum geht, die eigenen Interessen gegenüber der Politik zu formulieren: Betriebe, die bekannt sind und ein gewisses Maß an Ansehen und Vertrauen genießen, haben es leichter, gehört zu werden. Die Basisarbeit der Information wurde bereits vorgenommen, und der Unternehmer kann sich bei seinem Anliegen auf das eigentliche Thema konzentrieren.Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zeitpunkt, zu dem ein Anliegen vorgetragen wird. Ist ein Beschluss gefällt, helfen keine noch so gut aufbereiteten Argumente. Wichtig ist daher, sich frühzeitig über die Aktivitäten der regionalen Politik zu informieren. Hier ist die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen, regionalen Veranstaltungen und Mitgliedschaft in Wirtschaftsverbänden hilfreich. Je eher ein Unternehmer mitredet, umso mehr Zeit hat er, seine Interessen darzulegen und im optimalen Fall den Beschluss in seinem Sinn zu beeinflussen. Der richtige Zeitpunkt ist entscheidendDie Spielregeln der Politik zu nutzen bedeutet aber auch, die Abläufe vom Entwurf einer Verordnung bis zu ihrer Verabschiedung zu kennen und zu wissen, wann wie eingegriffen werden kann. Denn nicht immer reicht es, Politikern Informationen oder Argumente zu liefern und darauf zu vertrauen, dass sie damit die – für die Firma – richtige Entscheidung treffen. Dies zeigt auch der seit Jahren schwelende Streit um den Bau der A 39, der von der IHK Lüneburg-Wolfsburg befürwortet wird. Kritiker sprechen sich gegen die Vision einer Autobahn von Skandinavien bis Wien aus. Ihr Vorwurf: Von dieser Autobahn profitiere nur die Industrie, etwa VW und die „LKW-Lobby, die die Strecke Hamburg-Wolfsburg in Zukunft abkürzen kann und noch mehr Transitverkehr in die touristisch attraktive Heide bringt. Freuen dürften sich auch die Bau- und Automobilwirtschaft über neue Aufträge. Verlieren werden aber die Städte und Anwohner, die die negativen Folgen einer Autobahn ertragen müssen, während sie von den Vorteilen nicht wirklich partizipieren werden“ – so die Ausführungen gegen die Autobahn auf der Website der „Aktion Lebensberg e.V.“. Diese wirft der IHK Lüneburg-Wolfsburg einseitige Lobbyarbeit zugunsten der Industrie vor. Und begründet dies unter anderem damit, dass der Vorsitzende der IHK ein Spediteur für VW ist. VW, so die Argumentation, „ist nicht nur der größte Arbeitgeber im Land, sondern auch der stärkste Beitragszahler in der IHK und durch seine Größe über zahlreiche Verknüpfungen ein starker Partner in der Landespolitik“.Glaubwürdigkeit als ErfolgsbasisAuch wenn Alt- und „Autokanzler“ Gerhard Schröder zu seiner Amtszeit den Bau der A 39 befürwortet hat: Kein Politiker mag sich dem Vorwurf aussetzen, sich ausschließlich für eine bestimmte Firma einzusetzen. Schließlich hat Lobbyismus auch den Beigeschmack schwarzer Kassen und Bestechung. Für Spediteure heißt dies: Je genauer und nachvollziehbarer sie ihr Anliegen und die Vorteile für alle Beteiligten vorbringen, umso größere Chancen haben sie. Dazu gehört auch, Argumente der Gegenseite im Vorfeld zu entkräften. Beim Beispiel der Gefahrguttransporte kann dies etwa durch Hinweise auf zusätzliches Fahrertraining sein. Oder schlicht die Information über die Gefahrgüter, die transportiert werden und die tatsächlich von ihnen ausgehende Gefahr. Denn auch hier gilt, dass viele Menschen Angst vor dem Unbekannten, nicht Einschätzbaren haben. Gelingt es, diese Ängste gegen Informationen und Argumente einzutauschen, ist die Akzeptanz für die Transporte fast erreicht. ❙❚■ Heike SteinmetzVertrauensvoller Austausch von Argumenten hilft beiden Seiten: Der Wirtschaft, aber auch der PolitikLobbyarbeitLobbyarbeitErfolgreiche Lobbyarbeit ist nicht mehr aber auch nicht weniger als die zielgerichtete Beeinflussung von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung. Dies geschieht auf unterschiedliche Art und Weise – beispielsweise, indem zu bestimmten Themen Sachinformationen zur Verfügung gestellt, Interessenlagen erläutert oder Auswirkungen geplanter Gesetze und Verordnungen dargestellt werden. Lobbyismus findet nicht nur in Brüssel oder Berlin, sondern bundesweit in den Ländern, Städten und Gemeinden statt. Ansprechpartner sind dabei Regionalpolitiker sowie Interessenverbände wie die IHKen. Die Themen, mit denen Mittelständler bei Politik und Verbänden vorstellig werden können, sind vielfältig. Sei es das Thema Flächennutzung, der Bau der geplanten Umgehungsstraße oder einer neuen Autobahn sowie Fahrverbote für LKW in bestimmten Straßen. Es kann aber auch um Themen gehen, die die Firma selbst forciert. So können durch gezielte Lobbyarbeit schon im Vorfeld Bedenken gegen Gefahrguttransporte oder den Bau einer neuen Logistikimmobilie zerstreut werden.Expertentipp■ Erfolgreiche Lobbyarbeit ist langfristig angelegt. Bauen Sie daher frühzeitig den vertrauensvollen Dialog mit der Politik auf. Laden Sie beispielsweise zu Betriebsbesichtigungen oder Unternehmer-gesprächen ein.■ Halten Sie die Politik auf dem Laufenden: Strategische Pressearbeit und Kundenmagazine vermitteln Hintergrundinformationen und bauen langfristig Vertrauen auf – auch bei Politikern.■ Informieren Sie sich frühzeitig über politische Initiativen und Projekte. Sind Beschlüsse bereits gefasst, kommt jede noch so gute Argumentation zu spät.■ Zeigen Sie Interesse am politischen Geschehen. Treten Sie Verbänden bei und besuchen Sie öffentliche Anhörungen.■ Nutzen Sie die Spielregeln der Politik: Stellen Sie Anträge und nutzen Sie Anhörungen, um ihren Interessen Gehör zu geben oder auch, um Zeit für weitere Lobbyarbeit zu gewinnen.■ Geben Sie der Politik nachvollziehbare Sachargumente an die Hand. Je überzeugender die Informationen und je nachvollziehbarer die positiven Auswirkungen für die gesamte Region, umso eher überzeugen Sie Ihren Ansprechpartner.■ Widerlegen Sie die Argumente der Gegenpartei so gut wie möglich. Politiker müssen Interessen abwägen – nutzen Sie dies für sich.■ Argumentieren Sie glaubwürdig und sachbezogen. Totschlagargumente wie die Verlagerung des Unternehmens sollten nur dann genutzt werden, wenn dies eine wirkliche und ernst gemeinte Alternative ist. ■ Bleiben Sie in Ihrer Argumentation ehrlich: Wer einmal Vertrauen verspielt hat, erhält es nicht so schnell zurück. Dies gilt vor allem in der Zusammenarbeit mit Politikern. Denken Sie daran, dass auch Kommunalpolitiker im öffentlichen Interesse stehen und ihr Verhalten genau beobachtet wird.■ Stellen Sie Ihre Lobbyarbeit auf eine solide und rechtlich unbedenkliche Basis. Bestechungsgelder und schwarze Kassen kommen früher oder später ans Tageslicht und schaden Ihnen wie den betroffenen Politikern langfristig. Investieren Sie Ihr Geld lieber in den Bau des neuen Kindergartens oder in einen gemeinnützigen Verein.Erfolgreiche Lobbyarbeit: Grundregeln, die Transportunternehmer beachten solltenPeter H. Voss, Geschäftsführender Gesellschafter der Fokus Industries Holding, gibt Ratschläge für eine effiziente Lobbyarbeit. Voss ist auch Initiator und Geschäftsführer des „Club of Logistics“.

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