Komplexer Markt: Beim Einpacken anpacken

Nicht viele mittelständische Speditions- und Logistikdienstleister haben ein derart breites Serviceportfolio wie Senator International in Hamburg. So organisieren die 1200 Mitarbeiter neben Seefracht- auch transatlantische Frachtflugverkehre, vermitteln Transportversicherungen und bieten ihren Kunden Verpackungsdienstleistungen an. Mit dem Verpackungsservice wollte die 1978 gegründete Spedition ursprünglich Verlader enger an sich binden und so die komplexen Produkte per Luft- oder Seefracht exportieren. Heute werden Senator-Verpackungen auch von Unternehmen geordert, die ausschließlich auf der Straße oder Schiene transportieren. "Die meisten Kunden sind Maschinenbauunternehmen", berichtet Matthias Kränzlein, Leiter der Niederlassung Augsburg. "Viele verlangen hochwertige Lösungen, welche genau auf die Formen und Eigenschaften ihrer Produkte abgestimmt sind." Und die Nachfrage steigt. Während der letzten Jahre konnte sich Senator über fünf bis zehn Prozent höhere Stückzahlen und Volumina freuen. Verpackungsoptimierungen gefragt Solche Zahlen werden auch andere Unternehmen hellhörig machen, zumal Wettbewerber von Senator wie die Konzerntochter DB Schenker Europac ebenfalls von einer florierenden Nachfrage sprechen. Außer produktspezifischen Lösungen sind vor allem Verpackungsoptimierungen gefragt. Mit eigenen Verpackungsdienstleistungen können Logistikunternehmen sich vom Wettbewerb abheben. An Interessenten für einen solchen Service fehlt es nach Meinung von Winfried Batzke nicht. "Viele verladende Unternehmen prüfen derzeit, ob sie Verpackungsleistungen verstärkt komplett outsourcen", beobachtet der Geschäftsführer des Deutschen Verpackungsinstituts (DVI) in Berlin. Außer Maschinen- und Anlagenbauern zeigen vor allem Automotive-Unternehmen und Pharmahersteller Interesse an schlüsselfertige Verpackungslösungen von Drittunternehmen. Auch einige Lebensmittel- und Kosmetikunternehmen ziehen es in Betracht bei kleinen Losgrößen Verpackungen an Dienstleister auszulagern. Und dann ist da noch der boomende E-Commerce."Viele Anbieter verschicken ihre Produkte in überdimensionierten Verpackungen und beanspruchen mehr Laderaum als notwendig", macht Batzke auf ein bislang unterschätztes Problem aufmerksam. Angesichts ihrer beschränkten Transportkapazitäten sollten KEP-Dienstleister und Stückguttransporteure von sich aus ein Interesse am Einstieg in den Verpackungsmarkt haben. Große Player wie die Deutsche Post DHL und Hermes Logistik bieten entsprechende Dienstleistungen längst an. In der Regel genügen dafür standardisierte Verpackungsgrößen und -lösungen. Wichtig ist jedoch auch die Wahl des passenden Verpackungsmaterials. Weil die Verlader die Lieferwege ihrer Produkte nicht kennen, arbeiten sie mit einheitlichen Verpackungen für Geschäftskunden- und Endkundensendungen. "Hier tut sich ein Einsparpotenzial auf, das nur mithilfe eines Logistikdienstleisters realisiert werden kann", sagt Batzke. Für Sendungen, die in größeren Stückzahlen in den Groß- und Einzelhandel gehen, reichen in der Regel vergleichsweise leichte und preiswerte Verpackungen. Dem Vernehmen nach soll auch DB Schenker an solchen Lösungen arbeiten. Vor völlig anderen Anforderungen stehen die Verpackungsspezialisten von Senator. Sie entwickeln aus Sperrholz, Schnittholz, Paletten und anderen Verpackungsmaterialien produktspezifische Lösungen. Da Großkunden wie Roboterbauer Kuka oder der Großküchenhersteller Rational mit kundenspezifischen Produktlinien arbeiten, müssen auch die Senator-Experten für nahezu jeden Auftrag neue Verpackungsprodukte entwickeln. Ohne Zertifizierung geht es kaum "Die Anforderungen der Auftraggeber steigen ständig", räumt Kränzlein ein. An einer Zertifizierung nach dem Verpackungsstandard HPE oder wenigstens DIN ISO 9001 führt seinen Erfahrungen nach kein Weg vorbei. "Mit solchen Lösungen können sich jedoch gerade mittelständische Dienstleister gegenüber osteuropäischer Billigkonkurrenz behaupten", gibt Kränzlein zu bedenken. Diese Einschätzung teilen andere Speditions- und Logistikunternehmen offenbar. So hat Grieshaber Logistik an seinem Stammsitz in Ravensburg ein "Verpackungscenter" gegründet, das von kundenspezifischen Luft- und Seefrachtkisten über maßgenaue Paletten bis hin zu Verpackungsberatung und Containerverpackung alle möglichen Produkte und Dienstleistungen anbietet. Die Geis Group wirbt mit "Konstruktivverpackungen", die der Nürnberger Standort und das Tochterunternehmen Georg Lechner für Großprojekte entwickeln. Mit Speziallösungen aus unterschiedlichen Werkstoffen und Packmitteln konnte Lechner laut Geschäftsführer Erik Lassen Verpackungsschäden um 30 Prozent reduzieren. Auch deshalb sei es gelungen, Museen sowie Hersteller von Flugzeugmotoren als Kunden zu gewinnen. Produktinnovationen wie eine Security Box mit GPS-Tracking und elektromechanischen Schlössern haben DB Schenker Europac neue Kunden beschafft. Die Konzerntochter fertigt für Großkunden wie Airbus serienmäßige Verpackungen für Ersatzteile an und führt außerdem einen Online-Shop, der von der Europalette bis hin zur Thermoschutzhaube für besonders kälteempfindliche Artikel alle marktüblichen Produkte anbietet. Nicht jeder hat mit Verpackung Erfolg Andere Logistikdienstleister haben indes mit ihren Verpackungstöchtern weit weniger Glück. Kühne + Nagel hat Cargopack an die Axxum-Gruppe, einen Spezialisten für die Verpackung von Industriegütern und Stahl, verkauft. DSV veräußerte seine Verpackungstochter Collico, die inzwischen unter eigenem Namen auftritt. Beide Tochterunternehmen sollen zuletzt mit Verlust gearbeitet haben, obwohl die Umsätze stiegen. Marktkenner wundern sich darüber nicht. Denn wenn die Rohstoffpreise ständig steigen, fallen im Gegenzug die Erlöse. So meldete der Holzpreisindex des Bundesverbandes Holzpackmittel Paletten und Exportverpackung (HPE) Ende 2017 ein neues Rekordniveau von fast 170 Punkten für Massivholz und 120 Punkten für Holzwerkstoffe (Basiswert 2005: 100). Vor allem der erste Wert trifft die Branche hart: Aus Massivholz werden Paletten und Holzverpackungen hergestellt. Aber auch die Ausgaben für Personal, Transporte und andere Rohstoffe sind im vergangenen Jahr kräftig geklettert. Rohstoffpreise verteuern Verpackungen Diese Kostensteigerungen müssen Verpackungsdienstleister bei der infolge des Exportbooms weiterhin steigenden Produktnachfrage berücksichtigen. "Bei unseren Lieferanten dürfen keine Engpässe entstehen", bekräftigt Kränzlein. Und Ersatzbeschaffungen bei deren Wettbewerbern fallen erfahrungsgemäß schwer. Solche Herausforderungen erschweren zusätzlich den Gang in einen Markt, der ohnehin durch hohe Einstiegshürden auffällt. An Dienstleistern, die hier mit Beratung und Weiterbildung weiterhelfen, herrscht aber kein Mangel. Außer Institutionen wie DVI oder BFSV Verpackungsinstitut in Hamburg haben auch einzelne Hersteller wie die Thimm Gruppe, Northeim, Akademien und Consulting-Angebote aufgebaut. Weitaus schwieriger dürfte es für Unternehmen sein, die entsprechenden Mitarbeiter für Verpackungsaufgaben zu finden. So gibt es Batzke zufolge in Deutschland für Berufseinsteiger kaum überzeugende Qualifizierungsangebote über Transportverpackungen. "Die vorhandenen Studiengänge haben andere Schwerpunkte", weiß der Experte. Ein Logistikdienstleister, der trotzdem im Verpackungssegment Fuß fassen will, muss aus der Industrie Fachpersonal abwerben. Das ist erfahrungsgemäß teuer. Als Alternative bringt Batzke Kooperationen mit Herstellern von Wellpappe und anderen Verpackungsmaterialien ins Spiel. "Allerdings wollen viele Marktteilnehmer lieber Massenprodukte herstellen", macht der VPI-Chef auf nur ein Hindernis aufmerksam. Entscheidung für eine Kooperation Bleibt als einzige Alternative die Kooperation mit anderen Logistikdienstleistern, die im Verpackungsmarkt bereits tätig sind. Genau diesen Weg ist Andreas Schmid Logistik aus Gersthofen gegangen. Mit Senator International haben die Bayern das Joint Venture Bavarian Logistics Solutions (BLS) gegründet. An dieses Unternehmen hat der Anbieter von Großdieselmotoren MAN Diesel seine Ersatzteillogistik ausgelagert. Für die Verpackung der Komponenten ist Senator zuständig, den Transport verantwortet Andreas Schmid. "Mit diesem Projekt fällt die Akquisition von Maschinen- und Anlagenbauern wesentlich leichter", zieht Herbert Robel, Geschäftsführer von Andreas Schmid, Bilanz über die seit zwölf Jahren bestehende Zusammenarbeit. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verpackungen www.verkehrsrundschau.de/dossiers GEIS Bei den Verpackungsspezialisten fehlt der Nachwuchs Für Johannes Söllner müssen Mitarbeiter im Verpackungssegment sich durch Flexibilität auszeichnen."Wir beschäftigen Montage-Teams, welche direkt beim Kunden verpacken", sagt der Chef der Geis Group. Jeweils bis zu 70 Verpackungsspezialisten sind für das Unternehmen in Nürnberg und München tätig.Eine wichtige Zielgruppe sind mittelständische Maschinenbauunternehmen, welche den Geis-Mitarbeitern penibel vorschreiben, wie ihre Produkte verpackt werden sollen. Weitere wichtige Auftraggeber kommen aus der Automotive-Industrie."Viele Zulieferer wünschen Lösungen, welche den kompletten Herstellungsprozess vom Rohling bis zum fertigen Produkt begleiten", berichtet Söllner. Weitere Kosten wollen diese Kunden mit sogenannten Pendelverpackungen sparen, welche mehrfach genutzt und mit kleineren Reparaturen wieder instandgesetzt werden. Solche Lösungen müssen Fachkräfte entwickeln, welche auch Geis schwer findet. "Wir bilden seit zwei Jahren Jugendliche zum Holzmittelmechaniker aus", sagt Söllner. Auch 2018 will das Logistikunternehmen Jugendliche für diese kostenintensive Qualifikation begeistern. bot