Interview

Interview„Kein Anlass für Krisenszenarien“Der Sprecher der Geschäftsführung von Mercedes-Benz Charterway, André Girnus, verrät im VerkehrsRundschau-Interview, wie sich Mietraten und -dauern entwickeln, ob eine neue Krise droht und wie viele Kunden das Telematik-Angebot Fleetboard nutzen.Wenn der Mercedes eines Charterway-Kunden mal streikt, wie kulant sind Sie?Wir versuchen immer, eine kundendienliche Lösung zu finden. Seine Zufriedenheit steht an erster Stelle. Nicht ohne Grund haben uns die Kunden sechsmal zur besten Marke gewählt. Können Sie ein Beispiel nennen?Ein Thema, bei dem es Diskussionen geben könnte, ist die Fahrzeugrückgabe. Hier kann man zwischen Gewaltschäden und normalen Gebrauchsspuren ganz gut unterscheiden. Bereits beim Abschluss des Mietvertrags haben wir einen klaren Schadenskatalog, wo wir definieren, das ist eine Gebrauchsspur und das ist ein Gewaltschaden. So entschärfen wir diese kritischen Diskussionen, da wir im Vorfeld geklärt haben, was was ist. Welche Lehren haben Sie aus Ihrer Zeit als Teamleiter Preis- und Kulanzsteuerung bei den Neufahrzeugen gezogen?In jedem Fall viel Erfahrung im LKW-Geschäft, vor allem im Preisbildungsprozess. Natürlich hat mir diese Aufgabe den Einstieg bei Charterway erleichtert. Was genau ist denn Preissteuerung?Das bedeutet, kundengruppenspezifisch unsere Fahrzeuge wettbewerbsfähig im Markt zu positionieren und damit unseren Vertriebspartnern die Möglichkeit zu geben, das Geschäft optimal zu betreiben.Wie hat sich Ihre Charterway-Flotte in den vergangenen neun Monaten entwickelt?2011 war das erfolgreichste Jahr unserer mittlerweile 20-jährigen Firmengeschichte. Wir sind 2012 auf dem besten Weg, die Erfolge vielleicht nicht nur zu wiederholen, sondern sogar zu übertreffen. Die ersten acht Monate liefen sehr gut. Derzeit spüren wir noch keine konjunkturellen Veränderungen. Bislang haben wir in diesem Jahr die Flotte um 2000 Fahrzeuge erweitert. Auch die neuen Modelle Citan und Antos sollen in diesem Jahr noch in unseren Fuhrpark aufgenommen werden. Trotz der Erweiterung der Flotte liegen wir bei der Auslastung auf Vorjahresniveau. Und das ist wie hoch?Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns dazu nicht äußern. Wie geht es weiter?Derzeit haben wir keinen Anlass, in Krisenszenarien zu denken. Die Kundennachfrage hat sich bisher nicht verändert. Ist die vermeintlich gute Auslastung nicht ein Zeichen für eine nahende Krise, da die Unternehmer in unsicheren Zeiten lieber mieten als kaufen?Die Krise 2008/2009 hat sicher dazu geführt, dass die Kunden eine größere Sensibilität entwickelt haben, was ihren Fuhrpark angeht. Haben die Unternehmen früher noch ihre ganze Flotte gekauft, finanziert oder geleast, werden heute in immer zunehmendem Maße nicht mehr alle Fahrzeuge fix beschafft. Ein Teil bleibt variabel, um flexibel zu bleiben. Das ist allerdings ein Trend, der sich seitdem etabliert hat. Wie werden sich die Mietraten entwickeln?Derzeit haben wir eine sehr konstante Mietratenentwicklung. In den vergangenen zwölf Monaten gab es keine signifikanten Ausschläge nach oben oder unten. Auch für die nächsten Monate erwarten wir keine großen Veränderungen. Miettrends: Welche Fahrzeugklassen, Mietdauern, Services sind derzeit gefragt? Nach wie vor haben wir eine gute Auslastung bei den Fernverkehrsmaschinen. Durch den neuen Actros mit Euro 6 haben wir hier natürlich auch einen Trend durch Kunden, die das Fahrzeug testen wollen. Gefragt sind zudem 7,5- und 12-Tonner, die wir in diversen Branchenanwendungen, angefangen von normalen Trockenkoffern bis hin zu Kühlaufbauten oder als Kipper, anbieten. Darüber hinaus sind wir stolz, dass wir unseren Kunden in unserem Charterway-Fuhrpark auch Spezialfahrzeuge wie Müllfahrzeuge für den Kommunal-/Entsorgungsbereich oder Schwerlastmaschinen anbieten können, die sich dank des Trends zu alternativen Energieformen, Stichwort Windkrafträder, derzeit einer sehr starken Auslastung erfreuen. Wie steht es um die gezogenen Einheiten?Über Kooperationen können wir unseren Kunden hier das One-Stop-Shopping ermöglichen. Mit der reinen Sattelzugmaschine kann der Unternehmer ja meist wenig anfangen. Daher sind unsere Fahrzeuge voll aufgebaut oder im Fall der Sattelzugmaschine mit einem Trailer versehen. Wie entwickelt sich denn die Mietdauer?Nach wie vor haben wir die stärkste Nachfrage nach einer Mietdauer zwischen einem und sechs Monaten. Wir spüren aber seit Längerem einen deutlichen Trend zu längeren Mietzeiten, allerdings in Kombination mit sehr flexiblen Ausstiegsmöglichkeiten. Mit welcher gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland für die nächsten zwölf Monate rechnen Sie?Wir gehen für uns von einem Szenario aus, das sich an den Jahren 2011 und 2012 orientiert. Wachstum erwarten wir nicht, eher ein konstantes Niveau. ➞Aus den Gesprächen mit Ihren Kunden, wie beurteilen Sie Geschäftslage und -entwicklung bei den Speditionen und Transportunternehmen?Auch hier habe ich noch keine signifikanten Marktveränderungen bei meinen Gesprächen mit Kunden gespürt. Aber auch im Transportgewerbe sind die Märkte volatiler geworden und die Auftragsvergabe an unsere Kunden kurzfristiger. Damit steigen, für uns natürlich gut, die Mietanteile an den Flotten. Einen wirtschaftlichen Rückgang und Flottenreduzierungen bei unseren Kunden erkennen wir derzeit noch nicht. Sind Fahrer derzeit sehr gefragt?Über eine Kooperation mit der Dekra haben wir das Modell „Miet und Fahr“ geschaffen. Hier mieten Spediteure nicht nur unsere Fahrzeuge, sondern auch den dazugehörigen Fahrer. Bei der Nachfrage gibt es hier aber durchaus noch Raum nach oben. Sind die gemieteten Fahrer zu teuer?Ich glaube nicht, dass dies ein Problem ist. Telematik: Hat auch Charterway Zugriff auf die Telematikdaten?Alle Fahrzeuge über 16 Tonnen sind mit Fleetboard ausgestattet. Im Moment überlegen wir auch, die kleinen Fahrzeugklassen damit auszurüsten. Charterway unterliegt dem Datenschutz und Kundendaten sind Kundendaten, auf die wir nicht zugreifen. Wie groß ist der Anteil der Kunden, die den Telematik-Service aktiv nutzen?Rund 50 Prozent unserer Kunden nutzen Fleetboard und das entspricht auch unserer Erwartungshaltung. Wie ist die Integration in die anderen Telematiksysteme der Kunden gelöst?Heute ist es so, dass der Kunde seine Charterway-Fahrzeuge in seine Fleetboard-Fahrzeuge integrieren und wie ein eigenes Fahrzeug behandeln kann. Was wir noch nicht unterstützen, ist eine übergreifende Plattform, um Fremdsysteme zu integrieren. Und was ist mit der gezogenen Einheit? Mit dem Thema befassen wir uns sehr intensiv, denn das ist sicher ein Zukunftsfeld. Aktuell bieten wir das allerdings noch nicht an. Sie haben 2500 Fahrzeuge mit dem Top Safety Package in der Flotte – können Sie etwas zu den Unfallquoten sagen?Es gibt eine Langzeitstudie der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft. Hier waren die Werte sehr erfreulich. Das lässt sich sicher auch auf unsere Flotte übertragen. Wie groß muss ein Logistikdienstleister sein, dass er für das Transportunternehmermodell infrage kommt?Das lohnt sich ab der Befrachtung von 100 und mehr Fahrzeugen. Sie haben Gas-Fahrzeuge in der Flotte. Steigt da die Nachfrage oder ist und bleibt das eine Nische?Nachhaltigkeit ist für uns wichtig. Dazu passen auch Produkte wie Mercedes-Benz Sprinter mit CNG- und LNG-Antrieb. Über Charterway können Unternehmer solche Fahrzeuge im realen Einsatz testen. Hier arbeiten wir eng mit unseren Kollegen vom Neufahrzeugverkauf zusammen, die Interessenten an uns vermitteln. Sind CNG und LNG auch was für Fahrzeugklassen oberhalb des SprintersWenn Kunden das fordern, werden wir darüber nachdenken, solche Fahrzeuge in unsere Flotte aufzunehmen. Die Nachfrage gibt es derzeit aber nicht. Wie gefragt ist denn das Hybrid-Atego-Fahrzeug?Das ist schon gefragt. Wir haben das Fahrzeug in der Vermietung und auch hier gilt: Die Kunden nutzen das Angebot, um die Technologie zu erproben. Bislang laufen die Fahrzeuge problemlos und verbrauchen zwischen 10 und 20 Prozent weniger Diesel. Rechnet sich so ein Fahrzeug ohne Subventionen?Das ist ein Thema, das Hersteller und Politik in den nächsten Jahren gemeinsam angehen müssen. Sie müssen ein sinnvolles Päckchen schnüren zwischen Entwicklungskosten auf der einen Seite, aber auch mehr Effizienz beim Kunden im Sinne geringerer Gesamtkosten auf der anderen Seite. Die Bundesregierung hat einen deutlichen Weg in Richtung Nachhaltigkeit eingeschlagen. Daher glaube ich, dass auch Hybridfahrzeuge hier stärker in den Fokus rücken werden. Transportunternehmer klagen immer wieder, dass die Hausbank bei der Finanzierung nicht helfen mag – können Sie da einspringen?Absolut. Ich glaube, eine große Stärke von Daimler in Summe ist das Zusammenspiel zwischen Verkauf, Mercedes-Benz Bank, Charterway und dem Truck-Store. Egal, welche Bedürfnisse der Kunde hat, wir können darauf eingehen. Natürlich haben wir bei der Miete über Charterway auch Mechanismen, die Bonität zu prüfen. Aber wir legen da ein anderes Maß an, als im Leasing oder der Finanzierung. ❙❚■ Serge VoigtAndré Girnus: „Gute Auslastung bei den Fernverkehrsmaschinen“VitaAndré Girnus André Girnus wurde am 31. Dezember 1970 in Erfurt geboren. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Dresden und startete im Jahr 1999 seine Karriere bei der heutigen Daimler AG im Produktmanagement LKW bei Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland (MBVD). Der 42-Jährige übernahm im Jahr 2002 den Job als Teamleiter Verkaufsförderung MBVD und 2004 als Teamleiter Preis- und Kulanzsteuerung LKW, 2007 wurde er zum Leiter Produkt- und Verkaufsmanagement LKW ernannt. Seit Frühjahr 2012 ist Girnus Sprecher der Geschäftsführung Mercedes-Benz Charterway als Nachfolger von Ralf Bernhard. Der Thüringer ist verheiratet und hat zwei Töchter. Zu seinen Hobbys zählt er Sport, Motorradfahren sowie Mountainbiken. trAndré Girnus im Gespräch mit VerkehrsRundschau-Redakteur Serge VoigtDas UnternehmenMercedes-Benz Charterway Mercedes-Benz Charterway ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Mercedes-Benz-Bank und der Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland. Das im Jahr 1992 gegründete Unternehmen betreut rund 90.000 Nutzfahrzeuge, im Bereich Miete verfügt es über einen Fuhrpark von mehr als 7500 Fahrzeugen. Charterway gliedert sich in die Produktlinien Charterway Miete, Charterway Service sowie Charterway Service-Leasing. Möglich sind Mieten ab 24 Stunden, Anmietung und Abholung erfolgen an einem der 65 deutschlandweiten Mietstützpunkte. Neben André Girnus ist Thomas Federschmidt seit 2012 Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz in Berlin. trDeutschlandweit 65 MietstützpunkteInterview

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