Geschäfte jenseits

Geschäfte jenseits des BaltikumsDie Lübecker Spedition Bruhn strebt mit Erfolg auf den russischen Markt. Und nutzt dabei auch ihr Know-how bei Containerverkehren.Wir lieben das Schöne“, sagt Firmenchef Dieter Bruhn und zeigt stolz die mehr als 30 Fotografien, Collagen und Aquarelle, die in den Fluren und Büros der Spedition Bruhn in Lübeck hängen: Stadtansichten und Landschaften, Seebilder und Familienchroniken. Mittelständische ErfolgsgeschichteDie Werke dokumentieren die Erfolgs-geschichte eines mittelständischen Unternehmens (siehe Kasten S. 27) mit inzwischen 130 Mitarbeitern, das sich im harten Wettbewerb behauptet hat. Das Familienunternehmen, das 1995 aus der Niederlassung der seit 1898 tätigen Speditionsfirma „Willy Bruhn Söhne“ hervorging, ist kontinuierlich aus eigener Kraft gewachsen. Längst ist die Firma ein international operierendes Unternehmen auf den Tätigkeitsfeldern Transport von Schüttgütern, verpackter Ware und flüssigen Produkten in Containern mit dem Schwerpunkt Finnland-, Skandinavien-, Baltikum- und Russland-Verkehr. Darüber hinaus erfolgen Warenflüsse nach Irland und Portugal. Jüngster Geschäftsbereich ist seit 2003 Russland. Das „Haus der deutschen Wirtschaft“ in St. Petersburg hatte dort seinerzeit in Zusammenarbeit mit der IHK Lübeck die Initiative „Firmengemeinschaftsbüro“ ins Leben gerufen. Die Idee: Vier Unternehmen teilen sich ein Büro und einen Mitarbeiter; der soll für sein Arbeitgeber-Quartett die jeweils gewünschten Kontakte aufbauen und den Markt sondieren. Bruhn war eines der vier Mitglieder – und Igor, damals 26 Jahre jung, war für alle da. Der deutschsprachige Russe sei nett gewesen, wurde mit Pros-pekten und Infomaterial ausgestattet in den Hafen auf Kundenfang geschickt, erinnert sich Bruhn. Geholfen hat es indes nichts. Der Lübecker Spedition habe „1/4 Igor“ irgendwann einfach nicht mehr gereicht. Ein gigantischer Wachstumsmarkt So ist die Firma mit Anatoli Tronin, einem ebenfalls deutsch sprechenden Landsmann, eigene Wege gegangen. Und weil Anatoli gelernter Speditionskaufmann ist und aus der Branche kommt, klappten die Geschäfte jenseits des Baltikums besser als zuvor. Bis zum Jahre 2005, als Bruhn mit einem russischen Unternehmen ein Joint Venture im Transportgeschäft einging, in dem es mehr Konflikte als geschäftlichen Gemeinsinn gab. „Anton“, so nennen Bruhn und Managing Director Marco Lütz ihren ehemaligen Partner, „wollte schnell ans große Geld, wir wollten Schritt für Schritt den Erfolg aufbauen.“ Kulturell unterschiedliche Denkansätze, die Trennung unvermeidlich. Lütz: „Eine wertvolle Erfahrung, die wir nicht missen möchten.“ Seither agiert die Speditionsgruppe auch in Russland eigenständig. Kooperationen ja, Abhängigkeiten nein. Ein Büro in St. Petersburg befindet sich immer noch im „Haus der deutschen Wirtschaft“ – mit inzwischen sieben Kollegen. Auch in Moskau gibt es eine Niederlassung, Tronin ist dort Projektmanager. Russland gilt als gigantischer Wachstumsmarkt in der Logistikbranche und ist darum hart umkämpft. Nicht nur dort; allein in der Hansestadt verzeichnet das örtliche Informationsforum „Lübeck Logistik“ 34 Spediteure. Jeder Dienstleister greift nach dem Kuchen, je größer das Stück, umso besser. Oder: Je ausgeklügelter die Transporttechnik, desto optimaler die Kundenbetreuung. Darauf setzt Bruhn. Fokus auf intermodalen VerkehrenMehr als 3300 Container sowie Chassis und Entlade-Equipment nennt das Unternehmen sein Eigen und setzt auf Intermodalverkehr: Die Kombination von Bahn, LKW und Schiff zum Transport von Gütern mit Containern, Trailern und Ro/Ro bedeutet die bestmögliche Ausnutzung aller Verkehrsträger, kostenintensive Leer-Rückfahrten werden minimiert, was ökologisch sinnvoll ist. Eine immer wieder optimierte Ladungsauslastung schafft weitere Transportvolumina: Je leichter die Laster, desto mehr Gewicht kann der Ladung zugeschlagen werden. Hinzu kommt die spezielle Ausstattung der Container und Trailer: Temperaturabhängige Güter wie Fette, Sahne und flüssige Schokolade müssen auf dem gesamten Transport in konstanten Wärmegraden gehalten werden. Heizsysteme und so genannte Thermotrailer gewährleisten dabei, dass die Sahne nicht sauer und die Schokolade nicht festgeworden beim Kunden ankommt. 30 dieser Trailer sind allein im Russlandverkehr regelmäßig im Einsatz, Tendenz steigend. Der Markt ist in Bewegung, die Spedition an der Trave auch: Seit eineinhalb Jahren ist Bruhns Tochter Anna als Prokuristin im Unternehmen, um die Nachfolge ihres Vaters anzutreten. Noch aber muss die gelernte Kauffrau Erfahrungen sammeln – wie übrigens der Seniorchef auch: „Ich lerne nach 45 Berufsjahren immer noch dazu“, sagt Bruhn und bemüht ein Beispiel aus der Kunst: Im Chefzimmer der großräumig verwinkelten Firmenzentrale zeigt ein Ölbild frühes Speditionswesen zur See. Als der antike Schinken Auftakt des Bruhnschen Internetauftritts werden sollte, hat die junge Garde kräftig gemosert – und sich durchgesetzt. Bruhn weiß nun: „Das Bild ist out.“ ❙❚■ Vivian G. Gödicke, freie JournalistinMehr als 3300 Container sind für das Unternehmen im Einsatz1898 Grundsteinlegung Willy Bruhn Söhne, Kiel1969 Firmensitz in Lübeck, Kaischuppen 111978 Einsatz der ersten vier 20“-Bulk-Container1989 Eröffnung der Niederlassung in Antwerpen1995 Gründung der Bruhn Spedition GmbH (Bruhn Spedition Lübeck ist geschäftlich nicht mit Bruhn in Hamburg und Kiel verknüpft) 1996 Eröffnung der Niederlassung in Helsinki1999 Eröffnung der Repräsentanz in Oslo2003 Eröffnung der Niederlassung in St. Petersburg2004 Eröffnung der Niederlassung in Riga2005 Gründung der Niederlassung in Moskau2006 Eröffnung der Repräsentanz in Nettetal2007 Eröffnung der Niederlassung in HaminaUmsatz: 110 Millionen EuroMitarbeiter: 130Firmensitz heute: Karlstraße 14„Ein stark wachsender Markt“Marco Lütz, Managing Director der Spedition Bruhn, sieht für deutsche Logistikdienstleister in Russland ein breites Betätigungsfeld für Transporte und damit verbundene Dienstleistungen.Russland wird als lukrativer Markt für Speditionen gehandelt. Was macht das Land so attraktiv für Logistikdienstleister?Marco Lütz: Russland ist nach wie vor ein dynamischer und stark wachsender Markt. Dementsprechend steigen weiterhin die Exporte nach Russland und müssen ins Land transportiert werden. Logistikdienstleister haben damit in Russland ein breites Betätigungsfeld. Dies gilt sowohl für Transporte als auch für hiermit verbundene Dienstleistungen.Welche Chancen ergeben sich für kleinere und mittelständische Unternehmen?Chancen für eine Teilnahme am russischen Transportmarkt bieten sich auch für kleinere und mittelständische Unternehmen. Der russische Markt ist weiterhin im Wachstum und hiervon können auch kleinere Speditionen profitieren, wenn sie bereit sind, sich längerfristig und vor Ort zu engagieren.Die Spedition Bruhn ist seit 2003 in Russland aktiv. Was war für Sie das größte Erfolgserlebnis dort?Das bisher größte Erfolgserlebnis war die erfolgreiche Implementierung einer Transportkette für ein loses Pulverprodukt aus Skandinavien bis zum russischen Endkunden, bei der unsere Bulkcontainer mit den Verkehrsträgern Schiff, Bahn und LKW kombiniert transportiert werden. Die Sicherstellung der regelmäßigen Belieferung in Russland unter Berücksichtigung der Verzollung, Zug- und Schiffsabfahrten sowie Terminalarbeitszeiten in Russland stellt dabei nach wie vor die größte Herausforderung dar. Hierfür sorgen unsere Mitarbeiter vor Ort.Gab es auch Rückschläge?Ein Rückschlag war unter anderen Ereignissen die Beendigung unseres russisch-deutschen Joint Ventures. Hier wurde von allen Seiten viel Energie und Zeit investiert. Trotz anfänglicher Erfolge waren die Ansichten über die Fortsetzung des gemeinsamen Speditionsunternehmens zu unterschiedlich.Was raten Sie deutschen Spediteuren, die in Russland aktiv werden wollen?Speditionsunternehmen können von der Dynamik des russischen Marktes profitieren, wenn bestimmte Spielregeln beachtet werden. Ohne Kenntnisse des russischen Transportmarktes mit seinen eigenen Gesetzen können Verkehre nur sehr schwer in Gang gesetzt werden. Hierzu sind Mitarbeiter vor Ort mit den entsprechenden speditionellen Kenntnissen und Kontakten unerlässlich.InterviewMarco Lütz

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