Geisterbahn statt Rennbahn

Der Gotthard-Basistunnel: ein Meisterwerk der Technik. Längster Eisenbahntunnel der Welt. Von Basel nach Chiasso verkürzt sich die Strecke um 40 Kilometer auf 330 Kilometer und die Fahrtzeit um 1,5 Stunden. Und die maximale Steigung beträgt nur noch 12 Promille statt 26 Promille.Subventionen sollen gestrichen werdenIm Dezember 2016 soll der Tunnel offiziell in Betrieb genommen werden. Schnellere Züge, kürzere Strecke, weniger Energieaufwand, mehr Kapazität: Die Eröffnung wird den Schienengüterverkehr nach vorne katapultieren, passend zu dem Tempo, mit dem die Züge durch die zwei Röhren rasen werden.Sollte man meinen. Doch eine Studie zeigt auf, dass alles auch ganz anders kommen kann, sofern an den derzeitigen Planungen festgehalten wird. Der Gotthard wird womöglich vom Güterverkehr links liegen gelassen, weil die Durchfahrt schlichtweg zu teuer wird. Der eine Sündenbock für ein solches Fiasko wäre die Schweizer Regierung. Denn die will mit der geplanten Eröffnung des Gotthard-Basistunnels (GBT) die heute bestehenden Subventionen im alpenquerenden Kombinierten Verkehr (KV) von derzeit 130 Millionen Schweizer Franken pro Jahr (130 Millionen Euro) bis 2023 auf Null zurückfahren.Der zweite Sündenbock wäre die SBB: Denn zeitgleich zum Subventionsabbau ist eine grundsätzliche Änderung des Trassenpreissystems mit Einführung eines Verschleißfaktors geplant. Und die Schweizer Regierung hält noch einen zweiten "Schwarzen Peter" in der Hand: Denn mit der beschlossenen Auflösung der Koppelung des Schweizer Frankens an den Euro zu Jahresanfang hat sich die Währung seit Januar 2015 um fast 20 Prozent verteuert. Das bedeutet eine enorme Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit des KV durch die Schweizer Berge.Diese Entwicklungen hat die UIRR (Internationale Vereinigung für den KV) zum Anlass genommen, eine Studie in Auftrag zu geben, die die Wirkungen dieser drei den Schienengüterverkehr belastenden Entwicklungen untersuchen soll. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem Brenner-Basistunnel eine weitere Flachbahn durch die Alpen entsteht. Voraussichtliche Fertigstellung: 2026. Sollte die Route durch Österreich günstiger sein, ist zu befürchten, dass der GBT zu einer Geisterbahn verkommt und die ihm zugetragene Rolle als leistungsfähige Flachbahn verfehlt.134 Euro mehr pro SendungDas Beratungsunternehmen TransCare hat für die UIRR die Folgen der vorgenannten Entwicklungen berechnet. Zunächst mal ist unbestritten, dass mit den Neubaustrecken der Transit auf der Schiene günstiger wird. Auf der Gotthard-Strecke ergibt sich eine Einsparung von 58 Euro je Sendung, auf der Brenner-Achse sinken die Kosten um 23 Euro. Der Wegfall der Subventionen in der Schweiz führt jedoch zu einer zusätzlichen Kostenbelastung von 134 Euro je Sendung (siehe Tabelle). Damit würde sich der Transit über den GBT deutlich verteuern. Für die Spediteure, die bekanntlich mit jedem Cent rechnen, bedeutet das: entweder per Lkw über die Alpen fahren oder den Brenner-Basistunnel nutzen.TransCare hat die Folgen anhand einer Sendung von München nach Bologna geschildert. Die Entfernungsunterschiede für die zwei Alternativen sind heute wie auch 2026 fast gleich Null. Schon heute sind jedoch die Trassen- und Energiekosten auf der Brenner-Strecke günstiger (164 Euro pro Sendung vor Subventionen bei einem 1650-Tonnen-Zug zu 188 Euro pro Sendung in der Schweiz). Berücksichtigt man jedoch die derzeit gezahlten Subventionen, fallen in der Schweiz nur noch 54 Euro pro Sendung an, in Österreich hingegen 138 Euro.Werden bis 2016 die Subventionen in der Schweiz wie geplant auf Null heruntergefahren, muss für eine Sendung auf der Gotthard-Route 183 Euro gezahlt werden, auf der Brenner-Route hingegen nur 137 Euro. "Die Gefahr besteht, dass man aus Kostengründen sogar einen Umweg über den Brenner in Kauf nimmt, obwohl die Entfernung über den Gotthard kürzer ist. Ökologisch ist das kontraproduktiv", sagt Ralf Jahncke, Mitautor der Studie, gegenüber der VerkehrsRundschau.Jahncke formuliert drei Kernbotschaften: Zum einen sollten sich die am Alpentransit beteiligten Länder hinsichtlich der Preispolitik abstimmen, um zu vermeiden, dass eine Route deutlich günstiger ist als die andere und es dadurch zu Umwegverkehren kommt. Zum zweiten gibt Jahncke zu bedenken: "Die Subventionen zu streichen, schadet dem KV." Er appelliert an die Politik, mit Augenmaß zu handeln, um nicht mit dem Streichen von Subventionen dem KV die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Jahncke spricht sich nicht prinzipiell gegen einen Subventionsabbau aus: "Aber man sollte die Verringerung am tatsächlichen Produktivitätsfortschritt im KV orientieren", sagt er.Die dritte Kernbotschaft richtet er an die Netzgesellschaften der Bahnen. Sie sollten ihre Trassenpreispolitik auf den Prüfstand stellen. Ein linear mit dem Zuggewicht wachsender Trassenpreis sei kontraproduktiv, wenn man Anreize für Wachstum auf der Schiene setzen wolle. Man sollte sich daher überlegen, ob man nicht Nachlässe gewährt für gut ausgelastete Züge.

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