Ende des Brenner-Streits in Sicht?

In Kürze Der "Dauer-Brenner" ist vor Kurzem in eine neue Runde gegangen: Im Rahmen des jüngsten EU-Verkehrsminister-Rats diskutierten die Streitparteien erneut über die Transporteinschränkungen an der deutsch-österreichischen Grenze. Nach einer baldigen Lösung sieht es aber nach wie vor nicht aus. "Die anstehenden Gespräche sind ein echtes Licht am Ende des Tunnels." Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) überraschte mit diesem Satz, den er am Ende des jüngsten EU-Verkehrsminister-Rats der Deutschen Presse Agentur (dpa) in den Notizblock diktierte. Denn was die Öffentlichkeit in den Stunden zuvor zum Brenner-Streit zu hören bekommen hatte, bot kaum Anlass für einen so hoffnungsvollen Satz. Ganz im Gegenteil. Die Fronten zwischen den Haupt-Streitparteien Österreich, Italien und Deutschland scheinen weiter verhärtet zu sein. Auf der einen Seite: Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne). Sie verteidigte gegenüber ihren EU-Amtskollegen vehement die Entscheidung Österreichs beziehungsweise des Bundeslandes Tirol, all die Maßnahmen zu praktizieren, die es dem Lkw-Verkehr auf der Brenner-Autobahn besonders zwischen Kufstein und Innsbruck seit Jahren so schwer machen. Gewessler sprach von dem "sensiblen Ökosystem am Brenner Korridor", für das der rege Lkw-Verkehr "wirklich seit vielen Jahren eine dramatische Belastung" darstelle. Ähnliches gelte für die Menschen. "Die Bevölkerung in diesen engen Alpentälern leidet unter Luftverschmutzung, Lärm, unter ständigen Staus und der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Die Infrastruktur ist an der Grenze belastet", sagte Gewessler. Dass der freie Warenfluss als EU-Recht aufgrund der Tiroler Maßnahmen eingeschränkt sei - ein Punkt, der von den Kritikern immer wieder angeführt wird - stimmt laut der Grünen-Politikerin nicht. Denn es bestehe aufgrund der EU-Verträge keine Pflicht, Waren mit Lkw zu transportieren. Freie Kapazitäten auf der Bahn seien am Brenner vorhanden. Österreich sei immer offen für lösungsorientierte Gespräche. "Klar ist aber: Für eine Lösung braucht es den Willen aller Beteiligten, einschließlich Italiens", so Gewessler nach dem Ratstreffen. Scharfe Kritik aus Italien Italien also als Gegenpol, als Bremser - so sieht man es in Österreich. Objektiv kann Italien zumindest als schärfster Kritiker der österreichischen Brenner-Lkw-Politik gesehen werden. So deutlich wie kein anderer griff Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega diese Maßnahmen an. Sie seien einseitig von Österreich getroffen worden und führten zu allem anderen als einer nachhaltigen Situation. Ein freier Warenverkehr sei nicht mehr möglich. Es sei denn, man interpretiere die EU-Verträge so, dass sie für jedes Mitgliedsland etwas anderes bedeuten könnten. Die Umwelt sei wichtig, aber europäische Gesetze auch. "Der Brenner gehört nicht nur Österreich, sondern auch Italien und Deutschland, ganz Europa", wetterte Salvini. Er rief die EU-Kommission dazu auf, ihre Rolle als Hüterin der Gesetze wahrzunehmen. Sprich: Endlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Wissing klang im Vergleich dazu gemäßigter: "Wir brauchen dringend Lösungen. Und das deutliche Bekenntnis aller Parteien, sich konstruktiv an einer Einigung zu beteiligen. Die Situation ist dramatisch", sagte er und erzählte dann vom 52 Kilometer langen Stau am 9. Dezember vergangenen Jahres, den es aufgrund der österreichischen Maßnahmen gegeben habe. "Ohne Lösung dieses Konflikts wird der Rückstau mitten in Europa zukünftig nicht mehr nur 52 Kilometer, sondern vielleicht 80 oder 100 Kilometer lang sein", warnte Wissing, der sich nach dem Rat noch in einem bilateralen Gespräch mit Gewessler zum Thema Brenner austauschte. Rätselhafter Kompromiss-Vorschlag Dabei ging es auch um einen Kompromiss-Vorschlag, den die EU-Kommission erarbeitet hat. Welchen Inhalt dieser Vorschlag hat, verriet EU-Verkehrskommissarin Adina Valean trotz Nachfrage von Journalisten nicht auf der den Rat abschließenden Pressekonferenz. Allerdings ließ sie anklingen, dass der Vorschlag das Ergebnis von eineinhalb Jahren Sondierungen bei den beteiligten Staaten sei. Ein Kompromiss, der laut Valean für Deutschland und Italien annehmbar sei, für Österreich allerdings nicht. Was die Rumänin klar kritisierte: "Ich muss schon sagen, dass ich enttäuscht bin von der Tatsache, dass [.]Österreich die ganze Sache verzögert und weiter diskutieren will und sich dabei nicht wirklich von seiner Position bewegt, keine Vorschläge akzeptiert. Das ist nicht konstruktiv", sagte sie. Der Brenner sei Teil eines europäischen Netzwerkes, des TEN-V-Netzes. Für dieses Netz würden Regeln gelten, und an die müsse sich jeder halten. Sonst würde das ganze Netz nicht funktionieren. Verbesserung mit dem Slotsystem? Dass sie grundsätzlich gegen jegliche Beschränkung des Lkw-Verkehrs in der Art ist, wie sie zurzeit auf der Brenner-Autobahn praktiziert wird, verdeutlichte Valean in ihrem Kommentar zu der sogenannten "Slot-Lösung", auf die sich im April die drei Regionen Bayern, Tirol und Südtirol geeinigt hatten. Dabei sollen Lkw im Voraus Termine buchen, um den Brenner zu überqueren. "Ich nenne das ,Dosieren', und Dosieren ist nicht gut", wies Valean diese Lösung zurück. Auch dieses System schränke den freien Fluss von Waren ein. Das sei nichts, was man nachhaltig nennen könne. "Und so etwas würden wir nicht unterstützen", betonte Valean. Gewessler hingegen kann sich das Slotsystem durchaus als Lösung vorstellen. Salvini lehnt Diskussionen über das System ab, wenn nicht zuvor alle aktuellen Beschränkungen für Lkw am Brenner eingestellt werden. Die bisherigen Reaktionen aus dem deutschen Verkehrsministerium zum Slotsystem klingen reserviert. Dort setzt Wissing jetzt wohl auf die Gespräche im Juli, zu der die EU-Kommission Deutschland, Italien und Österreich einladen soll.

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