Einzelwagenverkehr

EinzelwagenverkehrZu wenig Menge, zu schlechte PreiseDer Einzelwagenverkehr bereitet der Deutschen Bahn (DB) große Sorgen. Ein Grund dafür: Der Konkurrent LKW ist nicht nur flexibler, die sinkenden Frachtraten im Straßengüterverkehr machen ihn auch zunehmend attraktiver.Es ist schon ein Kreuz mit dem Einzelwagenverkehr (EWV). Nahezu alle europäischen Bahnen haben damit zu kämpfen. Da macht der Marktführer in Europa, die Deutsche Bahn (DB), mit seiner Tochter Schenker Rail keine Ausnahme. Auch wenn DB Schenker Rail keine offiziellen Zahlen zu den einzelnen Segmenten veröffentlicht, so ist schon seit Jahren aus dem Unternehmen zu hören, dass mit dem EWV Verluste eingefahren werden. Die aktuelle Entwicklung macht es der Güterbahn nicht gerade leichter. Denn das Unternehmen leidet derzeit laut Alexander Hedderich, Vorsitzender von DB Schenker Rail, unter der sinkenden industriellen Produktion. „Dies berührt besonders den Einzelwagenverkehr, der sehr kostenintensiv ist. Hier machen wir eine stark rückläufige Nachfrage aus“, so der Güterbahnchef gegenüber der VerkehrsRundschau. Aber die DB hält hartnäckig am EWV fest. Denn der EWV, als dessen Hauptkonkurrent der LKW gilt, wird als das Rückgrat im Schienengüterverkehr für die DB angesehen (siehe Kasten Seite 25). Vor diesem Hintergrund ist klar: Es muss etwas passieren im EWV, wenn die DB mit dem Schienengüterverkehr nicht dauerhaft rote Zahlen schreiben will. Dessen ist man sich auch bei der DB bewusst. Der derzeitige EWV gilt als zu komplex, denn „20 Prozent der Fahrten sind Adhoc-Bestellungen“, so Hedderich. Darunter versteht er Neu- und Umbestellungen innerhalb von 24 Stunden vor der Abfahrt. Hinzu kommen hohe Schwankungen in der Bestellmenge. Diese Kombination aus kurzfristigen Bestellungen und schwankenden Mengen erschwert die Planung erheblich. Deshalb hat DB Schenker Rail Ende 2012 das Projekt Netzwerkbahn auf den Weg gebracht. Dabei sollen der EWV und das Ganzzugnetzwerk zu einem integrierten Netzwerk zusammengeführt werden. Ziel ist, die Zuverlässigkeit und Planbarkeit für die Kunden zu erhöhen und im Netzwerk effizienter zu produzieren. Hedderich bezifferte die Einsparungen bei den Ressourcen auf einer Veranstaltung Mitte letzten Jahres im einstelligen Prozentbereich. Mittlerweile haben die ersten Kunden in dem Netzwerk ihre Wagen gebucht. Nach Angaben eines Sprechers von DB Schenker wurde bereits eine „geringfügig höhere Pünktlichkeit als in den übrigen Verkehren erzielt“. Bei der Bestellung müssen die Kunden zwar Abstriche hinsichtlich der Flexibilität machen, genießen aber immer noch ein hohes Maß an Freiheit: „Die Kunden buchen künftig mit einem Tag Vorlauf, was bislang noch bis zu zwei Stunden vor der geplanten Abfahrt möglich war“, so der Sprecher. Im Ausnahmefall könnten die Kunden aber auch eine Buchung für denselben Tag vornehmen, wenn noch entsprechende Restkapazitäten vorhanden sind. Dass im Einzelwagenverkehr dringender Handlungsbedarf besteht, sehen auch Experten wie Paul Wittenbrink. Der Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach war acht Jahre in führenden Positionen bei DB Schenker Rail (damals noch unter dem Namen DB Cargo) tätig und zwei Jahre Mitglied der Geschäftsleitung von SBB Cargo. Zusätzlicher Druck durch den LKW „Der EWV befindet sich in einer kritischen Phase“, sagt Wittenbrink. Die Mengen seien tendenziell rückläufig. „Zum einen werden immer mehr Waren in Containern transportiert“, so der Bahnexperte. Hinzu kommt der Güterstruktureffekt: Die Zahl der schweren und voluminösen Güter – eine Domäne des EWV – nimmt nach Aussage von Wittenbrink ab. Zusätzlichen Druck übt der Konkurrent LKW aus. „Dort stehen die Preise derzeit ziemlich unter Druck. Die Bahnen hingegen verlangen mindestens die gleichen Preise, zum Teil auch mehr“, sagt Wittenbrink. Eine Entwicklung, die die Praktiker bestätigen. „In letzter Zeit sind wir mit massiven Frachterhöhungswünschen konfrontiert, die auch zu Verlagerungen auf den LKW geführt haben“, beklagte Hans-Joachim Welsch als Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Wirtschaftsvereinigung Stahl und zugleich Geschäftsführer der Stahl-Holding-Saar Logistics Mitte April auf dem Branchenforum Stahl des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik NRW. Auch Olaf Krüger, Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft der Bahnspediteure (IBS) und Direktor der Zentralleitung europäische Bahnverkehre bei Kühne + Nagel, registriert solche Tendenzen: „Wir erleben auch, dass die Bahnen die Preise anheben“, sagt Krüger. Trotz aller Anstrengungen, schwarze Zahlen zu schreiben, müsse man im Blick behalten, dass der EWV im Vergleich zum LKW wettbewerbsfähig bleibe. Trotz der Krise: Der EWV hat Zukunft Sowohl Wittenbrink als auch Krüger sehen jedoch trotz derzeit schwieriger Marktlage eine Existenzberechtigung für den EWV. „Der einzelne Waggon hat Zukunft, weil weiterhin schwere und voluminöse Güter zu transportieren sind, für die der klassische Waggon einfach ideal ist“, sagt Wittenbrink. Krüger weist darauf hin, dass ein Waggon bis zu drei LKW-Ladungen aufnehmen kann. Beide sind sich jedoch einig, dass die Bahn den EWV anders organisieren muss. Aus Sicht von Wittenbrink sollten die Bahnen bei der Vermarktung stärker die einzelnen EWV-Korridore betrachten. Die bisherige Struktur, dass die Mengen nur aus den Marktbereichen heraus verkauft werden, hält er für überholt: „Die Bahnen müssen innerhalb ihrer Organisation stärker zusammenarbeiten.“ Operateure nach dem Vorbild des Kombinierten Verkehrs, die Züge einkaufen, vermarkten und das Risiko für die Auslastung übernehmen, hält er für das Modell der Zukunft auch im EWV. Krüger erweitert diesen Aspekt auch auf die internationalen Verkehre: „Die Kunden müssen das Produkt aus einer Hand bekommen: Es ist auch bei grenzüberschreitenden Verkehren ein Korridormanagement mit einem verkehrssteuernden Tower notwendig.“ Mit X-Rail haben einige Bahnen in Europa bereits gemeinsam ein Projekt aufs Gleis geschoben, mit dem man grenzüberschreitend den EWV besser koordinieren und effizienter produzieren will. Krüger kritisiert, dass bislang die Effekte, die die Allianz anstrebt, auf dem Markt noch nicht so deutlich spürbar sind. „Aber wenn X-Rail funktioniert, werden die Bahnspediteure das Angebot nutzen“, sagt Krüger. „Es ist der richtige Ansatz. Das angekündigte Qualitätsprodukt ist jedoch noch nicht wirklich bei den Kunden sichtbar“, sagt Wittenbrink. X-Rail werde nur dann funktionieren, wenn nicht nur die Produktion koordiniert werde, sondern auch der Vertrieb. ❙❚■ Michael Cordes Der Einzelwagenverkehr Der Deutschen Bahn Warum der EWV unverzichtbar ist für DB Schenker Rail Der Einzelwagenverkehr (EWV) ist das Rückgrat für den Güterverkehr der Deutschen Bahn: Diese Aussage hört man immer wieder aus dem Bahnkonzern. Eigentlich verwunderlich, weil doch der EWV seit Jahren rote Zahlen schreibt. Doch gibt es gute Gründe, warum der EWV so wichtig ist für die DB. So sind laut Alexander Hedderich, Vorstandsvorsitzender der DB Schenker Rail, 40 Prozent aller Verkehre der DB im Schienengüterverkehr dem EWV zuzuschreiben. Würde sich die DB also von diesem System verabschieden, hätte das zur Folge, dass viele Kosten, die derzeit der EWV übernimmt, im Ganzzugverkehr und im Kombinierten Verkehr (KV) landen. Zudem führt der EWV auch anderen Bereichen Mengen zu. Denn beim EWV werden Wagen mit verschiedenen Versendern und Empfängern in einem Zug zusammengefasst und bilden danach einen Ganzzug. Ein weiterer Grund, warum die DB am EWV festhält: Ganz- und KV-Züge bieten auch viele private Bahnen an. „Einzelwagenverkehr können andere hingegen nicht. Deshalb ist dieses Geschäft strategisch viel bedeutsamer“, sagt Hedderich. Es gibt zwar die eine oder andere Privatbahn, die ebenfalls EWV betreibt, aber nicht so flächendeckend wie DB Schenker Rail – und sie werden es vermutlich auch nie tun, weil das Aufkommen nicht groß genug ist, um zwei weit verzweigte Parallelnetze zu betreiben. cdDie Nachfrage im Einzelwagenverkehr ist seit Jahresbeginn stark rückläufig

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