Drum prüfe, wer sich länger bindet

Die Auszubildende ist ständig krank. Im ersten Ausbildungsjahr fehlt sie allein über 100 Tage. Das ist dem Arbeitgeber zu viel, er kündigt ihr fristlos. So ähnlich hat sich ein Fall zwischen einem großen deutschen Speditionsunternehmen und einer Auszubildenden zur Speditionskauffrau zugetragen, der kürzlich vom Arbeitsgericht Regensburg entschieden wurde. Der Arbeitgeber steckte allerdings eine Pleite ein. Denn der Azubi genießt nach der Probezeit besonderen Kündigungsschutz. Das Ausbildungsverhältnis kann nur aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden. Die angegebenen Fehlzeiten reichten dafür nicht aus. Häufig herrscht lediglich Halbwissen Vielen Arbeitgebern ist der besondere Kündigungsschutz ein Dorn im Auge. Einige Aspekte sind ihnen gänzlich unbekannt. Geläufig ist vielen Chefs noch der Betriebsrat. Seine Mitglieder können während ihrer Amtszeit sowie ein Jahr darüber hinaus nicht ordentlich gekündigt werden. Der besondere Kündigungsschutz dieser Personengruppe umfasst aber auch Mitarbeiter, die die Betriebswahlen initiieren, den Wahlvorstand, Wahlbewerber sowie Mitglieder der Jugend- und Auszubildenden-Vertretung. Ähnlich ist der besondere Kündigungsschutz der Vertrauensperson der Schwerbehinderten-Vertretung geregelt, die die besonderen Interessen schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Beschäftigter im Betrieb wahrnimmt. Dass aber auch Funktionsträger wie Betriebsbeauftragte besonders vor Kündigungen geschützt sind, wissen viele Arbeitgeber nicht. "Dazu zählen etwa Datenschutz-, Störfall-, Immissionsschutz-, Umweltschutz-, Abfall- und Gewässerschutzbeauftragte ", erklärt Timo Hufnagel, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Frankfurter Kanzlei AGS Legal. Der besondere Schutz, unter dem diese Beauftragten stehen, hat zur Folge, dass sich der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres von ihnen trennen kann. "Eine ordentliche Kündigung während der Amtszeit ist hier ausgeschlossen, eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund bleibt aber möglich. Zudem besteht ein nachwirkender Kündigungsschutz von einem Jahr nach dem Ende der Amtszeit", sagt der Anwalt. Voraussetzung sei allerdings, dass der Mitarbeiter wirksam, das heißt im beiderseitigen Einverständnis und schriftlich, für die Aufgabe bestellt wurde. "Alle weiteren Betriebsbeauftragten genießen dagegen keinen besonderen Schutz", weiß der Arbeitsrechtler. So besteht etwa für den Gefahrgutbeauftragten zwar ein Benachteiligungsverbot, er kann aber - wie jeder andere Arbeitnehmer auch - entlassen werden (Paragraf 4, Absatz 2, Gefahrgutbeauftragten-Verordnung). Auch Verkehrsleiter, die streng genommen gar nicht zu den Betriebsbeauftragten gehören, werden nicht besonders geschützt. Wer sich als Arbeitgeber gar nicht erst mit dem Kündigungsproblem dieser Arbeitnehmergruppen auseinandersetzen will, sollte Betriebsbeauftragte extern bestellen, rät Anwalt Hufnagel. Denn einen Dienstvertrag mit einem externen Dienstleister könne man schneller beenden. Politisch aktiv und besonders geschützt Zu den vom Gesetzgeber besonders geschützten Personen zählen auch Politiker und solche, die es werden wollen. Kandidiert ein Mitarbeiter aus dem Speditionsund Logistikbetrieb für den Gemeinderat, kann ihm beispielsweise in Hessen nicht ordentlich gekündigt werden (Paragraf 35a, Absatz 2 Hessische Gemeindeordnung). Und zwar ab seiner Aufstellung bis ein Jahr nach Beendigung seines Mandats. Das mag viele Chefs überraschen. Um sich abzusichern, möchten sie einem Bewerber im Vorstellungsgespräch vielleicht gleich auf den Zahn fühlen. Geht das? Hufnagel sagt: "Natürlich steht es dem Arbeitgeber frei, im Vorstellungsgespräch nach einer Gemeinderatstätigkeit zu fragen. Allerdings muss der Bewerber darauf nicht wahrheitsgemäß antworten. Seine erlaubte Lüge ist damit auch kein Grund, das Arbeitsverhältnis anzufechten." Die einzelnen Regelungen zum Kündigungsschutz von Gemeinderäten und Kreisabgeordneten unterscheiden sich jedoch von Bundesland zu Bundesland. Und sogar ehrenamtliche Bürgermeister, Beigeordnete oder Orts- und Ausländerbeiräte können nach den jeweiligen Gemeindeordnungen besonderen Kündigungsschutz genießen. Für Arbeitnehmer mit ganz hohen Ambitionen gilt: Auch eine Kündigung von Abgeordneten des Bundestages, des Landtages und des Europaparlaments ist aufgrund der Ausübung ihres Mandats nicht möglich. Kein Rauswurf in der Schwangerschaft Über diese betrieblichen und politischen Ämter hinaus hat der Gesetzgeber auch Arbeitnehmer in bestimmten Lebenssituationen unter seinen Schutz gestellt. Zu ihnen zählen unter anderem Schwangere, Mütter kurz nach der Entbindung und Elternzeitler. Bei Schwangeren und Müttern besteht ein absolutes Kündigungsverbot. Der Kündigungsschutz reicht von der Empfängnis bis vier Monate nach der Entbindung (Paragraf 9, Absatz 1, Mutterschutzgesetz). Eine Trennung in dieser Zeit ist extrem schwierig. "Nur in besonderen Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber bei der zuständigen Aufsichtsbehörde für Arbeitsschutz die Zustimmung zur ordentlichen oder auch fristlosen Kündigung beantragen. Zum Beispiel dann, wenn es zu einer kompletten Betriebsschließung kommt", weiß Hufnagel. Elternzeitlern dürfe der Arbeitgeber ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, höchstens aber acht Wochen vor Beginn und bis zum Ende der Elternzeit, nicht ordentlich oder außerordentlich kündigen, so der Experte. Einziger Ausweg auch hier: die Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Schwerbehinderte genießen nach dem Gesetz ebenfalls besonderen Schutz. Will der Chef ihnen dennoch ordentlich oder fristlos kündigen, benötigt er die Zustimmung des Integrationsamtes. Noch weitere zwei Personengruppen sollte der Arbeitgeber bei eventuellen Kündigungen im Blick behalten: Die Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit schützt Mitarbeiter vor Kündigungen.