Der dezente Aufstieg

InterviewDer dezente AufstiegNeue Führungsstruktur, neue Ziele – exklusiv im Interview mit der VerkehrsRundschau gibt die Geschäftsführung von Offergeld Logistik Einblick in ihr Geschäft und ihre zukünftigen Vorhaben.Sind Sie zuweilen neidisch auf große Konzerne wie DB Schenker oder Deutsche Post DHL, die das notwendige Kleingeld haben und sich auf die Schnelle ein Netz zusammenkaufen können?Johannes Offergeld (lacht): Neidisch bin ich nur auf das Briefporto der Post.Brigitte Offergeld-Rehder: Die haben ihren Platz und wir haben unseren Platz. So einfach ist das.Aber ist es nicht so, dass gerade in Ihren beiden Kundenbranchen, der Automobil- und Konsumgüterindustrie, immer mehr Mittelständler durchs Raster fallen, weil die Gro-ßen nur mit Großen zusammenarbeiten?Offergeld: Natürlich ist es sehr problematisch, wenn staatliche oder generell Konzerne durch ihre Quersubventionierung den Mittelstand ruinieren. Das merken wir immer wieder in Ausschreibungen. Klaus van Marwyk: Gerade merkt man, dass die Großen versuchen den Markt zu bereinigen, indem sie mit Kampfpreisen in bestimmte Segmente gehen. Sie nutzen die geringe Substanz vieler Mittelständler aus, um sie aus dem Markt zu drängen. Und das machen sich viele Verlader zunutze. Andererseits beobachten wir gerade einen leichten Gegentrend: Manche Großkunden scheinen sich weg von den großen Speditionskonzernen hin zum Mittelstand zu bewegen, weil da die Servicequalität besser ist und sie da direkte Ansprechpartner haben.Offergeld ist europaweit an 20 eigenen Standorten präsent und setzt über 600 eigene LKW ein. Ist das angesichts dieser Situation eine gute Betriebsgröße?Offergeld: Die Betriebsgröße ist gut. Allerdings sind wir an diesen 20 Standorten zum Teil in völlig unterschiedlichen Segmenten tätig. Da werden wir künftig enger zusammenarbeiten, um Synergien zu realisieren, vor allem im Transportbereich. So werden wir die Disposition unserer LKW ab der zweiten Jahreshälfte stärker zentral koordinieren. Ob von unserem Firmensitz in Würselen oder von einem Standort im Ausland aus, wird noch geprüft. Das Ziel ist klar: eine noch bessere Auslastung unserer LKW und weniger Fixkosten.Waren diese anstehenden Strukturveränderungen der Grund, warum Sie und Ihre Schwester sich Klaus van Marwyk als neuen Geschäftsführer für Finanzen und Adminis-tration in die Gruppe geholt haben? Offergeld-Rehder: Angesichts unserer Größe war das richtig und vollkommen angemessen. Das wird uns anders organisieren. Weniger personenbezogen. Mehr in einer klaren Matrixorganisation.Was sind im Moment die zwei wichtigsten Projekte, die auf Ihrem Schreibtisch liegen?Van Marwyk: Nur zwei? Das wäre schön. Im Ernst, wir haben uns 15 große und über 100 kleine Projekte für 2011 vorgenommen.Welche davon haben Toppriorität?Van Marwyk: Als vorrangige Aufgabe sehe ich es, die zum Teil historisch gewachsenen Strukturen und Prozesse stärker zu professionalisieren. Manche Bereiche sind schon sehr gut und modern aufgestellt wie das Rechnungswesen und die IT. Da ist die Zentralisierung weitgehend vollzogen. In anderen Bereichen wie im Einkauf arbeiten wir dagegen noch sehr dezentral. Jeder Standort kauft zu seinen Konditionen ein. Das werden wir ändern, um Kosten zu sparen. Wir werden den Einkauf stärker bündeln und in unsere Zentrale holen. Das wird unsere Lieferanten nicht freuen. Aber auch wir haben kein Geld zu verschenken. Offergeld-Rehder: Vergesst nicht den Vertrieb! Da sind wir auch sehr dezentral aufgestellt. Wir sind zwar dadurch sehr nahe am Kunden, was viele schätzen. Es gibt aber Ausschreibungen, für die wäre ein etwas zentraleres Key Account Management sinnvoll. Deshalb werden wir diesen Bereich stärker aufstocken.Offergeld: Die für uns wichtigste Neuerung ist aber die Installation der neuen Dispositions- und Speditions-Software, die es uns erlaubt, unseren Fuhrpark gruppenweit effizient zu steuern. Zudem beschäftigt uns das Thema Kraftstoff sehr. Da suchen wir ständig nach Möglichkeiten, wie wir weiter Dieselkosten senken können. Wir setzen hier auf eine Telematiklösung in Verbindung mit gezielten Schulungen und finanziellen Anreizen, um kraftstoffsparendes Fahren zu fördern. Zudem beschäftigen wir uns mit diversen technischen Lösungen.Wie viel Euro wollen Sie jährlich durch diese ganzen Maßnahmen einsparen?Van Marwyk: Drei bis vier Prozent der jährlichen Gesamtkosten sind realistisch. Insgesamt dürfte sich die Summe im siebenstelligen Euro-Bereich bewegen. Das größte Potenzial sehen wir da im Transportbereich.Warum gerade da?Offergeld: Der Laderaummangel ist eine Katastrophe, weil er zu dramatisch höheren Frachtpreisen im Einkauf führt. Durch die Krise haben ja alle Betriebe, ob groß oder klein, ihre LKW-Kapazitäten um 10, 20, ja 25 Prozent abgebaut. Die fehlen uns. Und aus Süd- und Ostdeutschland, vor allem aus Berlin, bekommt man fast keine Rückladungen mehr.Wie wirkt sich das auf Ihre Erträge aus?Offergeld: Das ist doch der Klassiker. Wenn Sie im Spotmarkt unterwegs sind und nur Frachtführer einsetzen, profitieren Sie in der Krise, weil die Betriebe um jeden Preis fahren. Und in Boomzeiten zahlen Sie drauf, weil die Frachtführer ihre Preise nach Belieben anheben können. Wir werden daher unseren Eigenanteil im Teil- und Komplettladungsgeschäft, den wir in den letzten Jahren auf unter 50 Prozent gesenkt haben, um fünf bis 10 Prozent anheben. Sprich: Wir werden 30 bis 60 neue LKW kaufen und entsprechend Fahrer einstellen.Alternativ könnte Offergeld ja auch die Schiene stärker nutzen. Immerhin haben Sie unlängst einen kranbaren Auflieger für den Glastransport im Kombiverkehr entwickelt und sind Gesellschafter der Kombiverkehr.Offergeld: Im internationalen Verkehr werden wir das auch tun, also in Frankreich, Spanien, Italien und in Österreich. National aber wird es schwieriger. In der Automobillogistik funktioniert das zum Beispiel nicht. Als Gebietsspediteur sammeln wir da für Kunden Vorprodukte ein und stellen diese den Werken zu. Das läuft in streng getakteten Zeitfenstern und auf Entfernungen zwischen 200 bis 500 Kilometern ab. Da passt kein Kombiverkehr. Konsumgüter lassen sich nur als Komplettladung, über entsprechend lange Relationen, bei regelmäßigen Verkehren, auf der Schiene zustellen. Da stellen wir aber kein gestiegenes Verlader-Interesse fest, obwohl Nachhaltigkeit gerade in jedermanns Munde ist.Woran liegt das?Offergeld: Absolute Verfügbarkeit hat in der Verladerschaft noch immer Toppriorität. Alles muss binnen 24 Stunden zugestellt sein. Eine langsamere und dadurch umweltfreundlichere Zustellung wünscht keiner. Und das zieht sich durch alle Branchen.Offergeld ist heute schon in Frankreich, Luxemburg, Belgien, Großbritannien, Polen und Tschechien mit eigenen Standorten präsent. In welchen weiteren Ländern sehen Sie noch Wachstumspotenzial?Van Marwyk: Vor allem im südosteuropäischen Raum, zum Beispiel in Ungarn. Offergeld: Um Ungarn herum gibt es auch andere Länder, die interessant sind, zum Beispiel Tschechien und Rumänien. Das hängt aber auch davon ab, welche Märkte für unsere Kunden interessant werden.Offergeld-Rehder: Und im Glastransport geht die Tendenz weiter in Richtung Osten, also nach Polen, Russland …Wollen Sie diese Länder eher mit eigenen Standorten erschließen oder über strategische Allianzen?Offergeld: Wir werden das alleine hochziehen. Bei strategischen Allianzen und Partnerschaften gibt es immer leicht Konflikte. Und Konflikte führen zu Reibungsverlusten, die man sich heute nicht mehr leisten kann. Sinnvoller ist es, das Team hinter sich zu haben und klar auf ein Ziel hinzuarbeiten.Welche Länder, in denen Offergeld präsent ist, haben in den letzten Jahren am meisten Freude, welche eher Sorgen bereitet?Offergeld-Rehder: Polen und England haben sich gut entwickelt, Rumänien hat uns weniger Freude bereitet. Belgien und Frankreich waren in den letzten Jahren aufgrund der dort gestiegenen Lohnkosten eher schwierig.Denkt man in solchen Fällen über Standort-Schließungen nach?Offergeld-Rehder: Die Frage muss man sich zwangsweise immer stellen. Es gibt aber derzeit keine konkreten Pläne. Vielmehr geht es darum, die einzelnen Standorte wettbewerbsfähig aufzustellen.Welche Kundenbranchen haben sich in den letzten Jahren gut, welche weniger gut entwickelt?Offergeld: Die Jahre 2008 und 2009 waren für die Automobilindustrie sehr schwierig. Da ging unser Auftragsvolumen nach unten. Gegessen und getrunken wurde aber auch in dieser Zeit. Sprich: Unser Geschäft mit der Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie blieb konstant. Das half und hilft uns durch schwierigere Phasen, weil wir so Dinge ausgleichen können, indem wir unsere Kapazitäten hin- und herschieben. Das sorgt für einen guten Ausgleich.Wo steht Offergeld in 2015?Offergeld: 2015 haben wir noch gar nicht geplant. Wir sind erst bei 2013.Van Marwyk: Bis 2015 dürften wir um 10 bis 20 Prozent gewachsen sein. Zudem sollte unser Lagerlogistik-Umsatzanteil deutlich wachsen. Vielleicht nicht bis 2015, aber zumindest bis 2020 sollte er von heute 30 Prozent auf mindestens 50 Prozent gestiegen sein. Bis dahin werden wir unseren Kunden zudem alle Services aus einer Hand bieten können. Unseren Branchenmix würde ich belassen, an dem sollten wir festhalten.Mit anderen Worten, Offergeld zieht sich sukzessive aus dem Transport zurück?Offergeld: Ich halte nach wie vor an unserem Eigenfuhrpark fest. Das Transportgeschäft wird immer eine Zukunft haben. Der Wettbewerb mit Osteuropa wird sich allerdings verschärfen und die Zahl der kleinen Transportbetriebe weiter abnehmen. Beides wird dazu führen, dass die Fahrzeugflotten größer und professioneller geführt werden müssen. Stichwort Industrialisierung der Transporte. Das wird nicht in großen Schritten kommen. Aber es kommt. Wie viele Unternehmen und Netze werden in diesem Markt überleben? Im Stückgutmarkt spricht man von fünf Netzen.Offergeld: Dann werden sich noch einige aus dem Markt verabschieden.Das Gegenteil ist der Fall. Mit DSV, Schenker und Kühne + Nagel treten sogar weitere Player mit eigenen Netzen in den Transportmarkt. Was bedeutet das für Offergeld?Offergeld: Wettbewerb! Das wird dazu führen, dass wir die Geschäfte nicht mehr selbst abwickeln, in denen wir nicht profitabel und wettbewerbsfähig sind. Das ist unsere einzige Alternative. ❙❚■ Eva HassaV.l.: Johannes Offergeld, Brigitte Offergeld-Rehder, Klaus van Marwyk und VR-Redakteurin Eva HassaGemeinsam in die Zukunft (v. l.): Klaus van Marwyk, Brigitte Offergeld-Rehder und Johannes OffergeldDas UnternehmenOffergeld Logistik Die Offergeld-Unternehmensgruppe mit Sitz in Würselen (bei Aachen) wurde 1925 gegründet. Heute beschäftigt das Unternehmen europaweit an 20 Standorten 2000 Mitarbeiter, die 2010 einen Umsatz von 200 Millionen Euro erwirtschafteten. Offergeld ist für die Konsumgüter-, Lebensmittel-, Glas- und Automobilindustrie in der Transport- und Kontraktlogistik tätig. Wachstumsnische ist der Bereich Eventlogistik für Orchester.Offergeld setzt 600 eigene LKW ein und verfügt über 260.000 m2 eigene Lagerflächen. In Deutschland ist die Spedition in Würselen, Eschweiler, Aldenhoven, Dormagen, Gross Ippener, Valluhn, Geesthacht, Wustermark und Schleinitz tätig. International ist die Gruppe in Hombourg/Frankreich, Czestochovwa/Polen, Oroshaza/Ungarn und Goole/Großbritannien präsent. ehDas ManagementDie Geschäftsführung Brigitte Offergeld-Rehder studierte BWL an der EBS Universität in Wiesbaden und ist heute Geschäftsführerin bei Offergeld Lo-gistik und insbesondere für Vertrieb & Marketing zuständig.Johannes Offergeld (links im Bild) studierte VWL an der Westfälischen Wilhelms-Universtät (WWU) Münster und ist heute Geschäftsführer bei Offergeld Logistik.Klaus van Marwyk (rechts), unter anderem BWL-Studium an der Universität Köln. Diverse Positionen u. a. bei Ford und Vaillant Group, seit 2011 ist er kaufmännischer Geschäftsführer bei Offergeld Logistik. InterviewInterview

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