Den Papierkram eliminieren

Hinter Ferry Heilemann liegen verrückte Jahre. Mit 23 Jahren gründete er mit seinem Bruder Fabian Daily Deal. Sie verkauften Gutscheine im Internet. Heute ist Heilemann 32 und vielfacher Millionär. Denn die Geschäftsidee der beiden Brüder kam seinerzeit so gut an, dass der Umsatz von Daily Deal in der Anfangsphase durch die Decke schoss. Selbst US-Internetriese Google war seinerzeit davon so beeindruckt, dass er Fabian und Ferry Heilemann 114 Millionen Euro für den Verkauf von Daily Deal bot, die in 2011 damit den Deal ihres Lebens machten. Ganz Unternehmer präsentierte Heilemann schon wenige Jahre später, im Jahr 2016, seinen nächsten Coup: die digitale Spedition FreightHub, die er mit seinem Bruder, und den Partnern Erik Muttersbach und Michael Wax entwickelt hatte. Sie soll die Abwicklung in der See- und Luftfracht revolutionieren. Der Papierkram und die lästigen Formalitäten, die traditionell bei der Buchung und Organisation beispielsweise von Seefracht-Containern notwendig sind, sollten dank digitalisierter Logistikprozesse reduziert, idealerweise ganz eliminiert werden. Doch haben die Jungunternehmer damit wirklich Erfolg? Im Gespräch mit der VerkehrsRundschau gibt sich Heilemann bescheiden, aber siegesbewusst. Konkrete Zahlen, die Aufschluss darüber geben, wie sich FreightHub in den letzten Jahren entwickelt hat, hält er weitgehend zurück. Nur so viel: Über die digitale Plattform seien Kundenaufträge im Warenwert von über 50 Millionen US-Dollar abgewickelt worden, etwa von Kunden wie Home24, Lesara und Viessmann. Außerdem verweist er darauf, dass die Zahl der FreightHub-Mitarbeiter stetig steige - mittlerweile sind es über 120, die für das Unternehmen arbeiten. Fest steht: das Umfeld in der See- und Luftfracht war im vergangenen Jahr schwierig. Extreme Frachtraten-Schwankungen machten selbst etablierten Branchengrößen zu schaffen. Auch FreightHub könne sich von dieser Entwicklung nicht abkoppeln, räumt Heilemann ein: "Auch wir gehen da rauf und runter." Klar würden solche Schwankungen kurzfristig fallweise Chancen auf höhere Margen eröffnen, sagt er. Andererseits sei der Abstimmungsbedarf in solchen Zeiten mit den Kunden höher - was die Kosten nach oben treibt. Neue namhafte Geldgeber Wirklich "problematisch" sei diese Volatilität aber, gesteht er, bei Tendern, die drei Monate oder ein Jahr fix vereinbart worden seien. FreightHub habe aber Wege gefunden, sich entsprechend abzusichern. "Short Selling, sogenannte Leerverkäufe, lehnen wir ab. Das ist zu gefährlich", betont er. "Wir sind noch nicht groß genug, um das quersubventionieren zu können." Zumal FreightHub habe lernen müssen, formuliert er es vorsichtig, dass manche Absprachen nur bedingt viel wert sind. "Auf Kundenseite vermissen wir zum Teil ein Stück Zuverlässigkeit. So weigert man sich fallweise den vereinbarten Preis zu bezahlen, weil der Markt nach unten gegangen ist. Da ergeht es uns wie allen anderen Spediteuren." Um da die eigenen Zahlen permanent im Blick zu haben, setzt FreightHub auf eine eigene Finance-Abteilung, straffes Forderungsmanagement - spätestens 30 bis maximal 60 Tage nach Zustellung des Containers - sowie das eigens entwickelte TMS inklusive eines spezifischen Financial-Controlling-Features. "Damit haben wir alle Einnahmen und Ausgaben pro Sendung sofort im Blick", schwärmt er. Hier könne die Plattform die Vorteile der digitalen Spedition voll ausspielen. Geglückt ist es Heilemann im vergangenen Jahr auch, namhafte Geldgeber für sein Unternehmen zu gewinnen, auch weil er aus seinen Daily-Deal-Zeiten in der Investorenszene noch bestens vernetzt ist. So mischt bei FreightHub seit Ende 2017 neben anderen Risikokapitalgebern Northzone mit, einer der ersten Finanziers des Streamingdienstes Spotify. 20 Millionen US-Dollar spülte allein diese Finanzierungsrunde der Spedition in die Kassen. Auch das Family Office der indischen Unternehmerfamilie Mittal ist beteiligt. Wer wie viel Prozent der Anteile hält, sagt Heilemann nicht. Die etablierten Player sind aufgewacht "Und in diesem Jahr sind wir mit dem Wachstum voll zufrieden", betont Heilemann. "Hier zahlt sich unsere neue Zielkunden-Ausrichtung aus." So habe die Plattform in der Anfangsphase mit ihren Services insbesondere mit der E-Commerce-Szene gepunktet. "Mittlerweile streben wir es aber an, insbesondere größere mittelständische Auftraggeber zu gewinnen. Und da stoßen wir zunehmend auf Interesse." Denn auch Heilemann weiß, dass sein Verhandlungsspielraum mit Reedereien und Airlines mit zunehmendem Mengenvolumen steigt. Und dafür werde FreightHub auch, verrät der CEO, sukzessive Standorte im EU-Ausland gründen - allerdings nicht in 2018. "Um in einem komplexen Geschäft wie dem Speditionsmarkt gut zu sein, gute Qualität zu bieten, darf man sich als Startup nicht verzetteln", hält er sich zurück. Große Herausforderung für FreightHub ist: Die großen Player der Logistikbranche sind aufgewacht. Mittlerweile investieren Kühne + Nagel, Imperial Logistics oder DB Schenker viel Geld in Ideen und Geschäftsmodelle und so manch einer gründete Start-ups oder kaufte zu. So entwickelte Deutsche Post DHL vor zwei Jahren mit Saloodo eine eigne Logistikplattform, auf der auch Wettbewerber Aufträge anbieten können. Selbst mittelständische Spediteure mischen inzwischen mit eigenen Lösungen in der Start-up-Szene mit. Und was ist für Heilemann im Moment die größte Herausforderung? Ganz klar: der IT-Fachkräftemangel. "Der Markt ist wie leergefegt", klagt er. Denn um weitere Bereiche der Speditionswelt digitalisieren zu können, braucht er dringend qualifizierte ambitionierte Spezialisten. Doch genau die sind derzeit Mangelware. Ein Schicksal, das der Jung-Unternehmer mit vielen seiner etablierten Branchenkollegen teilt. Mehr zum Thema im Dossier "Neue Logistik-Start-ups" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Digitale Spedition FreightHub FreightHub präsentiert sich nach eigenen Angaben als volldigitale Frachtspedition, die sofortige Quotierung, Buchung und Sendungsverfolgung für den Container- (FCL) und Paletten-Transport (LCL) in Echtzeit bietet. Transportmodi sind See-, Luft- und Bahnfracht. Der Nachlauf bis zur Tür wird per Lkw, Binnenschiff und Zug organisiert. Die Angebotserstellung erfolgt laut FreightHub automatisiert in wenigen Sekunden. FreightHub berechnet je nach Größe des Kunden und je nach Häufigkeit der Buchung fünf bis 20 Prozent des Auftragsvolumens. eh