Damoklesschwert

Damoklesschwert DispositionDas Urteil ist gefällt: Freiheitsstrafen für Joachim und Christian Fixemer. Ein Hauptvorwurf: Die zentrale Disposition osteuropäischer Fahrer, ohne in Deutschland Sozialabgaben zu zahlen.Rund zwei Monate nachdem das Landgericht Stuttgart sein Urteil gegen Spediteur Thomas Betz verkündet hat (wir berichteten in VR 12 und 13/08), kassierten jetzt Joachim und Christian Fixemer, ehemalige Geschäftsführer der Spedition Fixemer, mehrjährige Freiheitsstrafen. Doch anders als im Fall Betz endete das Strafverfahren nicht mit einem so genannten Deal, einer Absprache zwischen allen Verfahrensbeteiligten. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Saarbrücken verurteilte Joachim und Christian Fixemer wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung und zu ungünstigen Arbeitsbedingungen (Lohndumping), Verstößen gegen das Ausländergesetz,Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsbetrug), Bestechung und Urkundenfälschung zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung von drei Jahren für Joachim und zwei Jahren und acht Monaten für Christian Fixemer. Ein ehemaliger Angestellter wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von einer Abschöpfung der durch die Taten erlangten Vorteile gegen das Unternehmen hat das Gericht abgesehen, da der Wettbewerbsvorsprung – anders als in dem vergleichbaren Fall Betz – aufgrund der Insolvenz der Spedition Fixemer nicht mehr vorhanden sei. Komplexes und schwieriges Verfahren Laut Gericht hatten die Angeklagten gestanden, in der Zeit von 1999 bis 2001 kostengünstige litauische und bulgarische Kraftfahrer in ihrem Perler Speditionsunternehmen beschäftigt zu haben, ohne sie zur Sozialversicherung angemeldet und dadurch Beiträge in Höhe von knapp 1,1 Millionen Deutsche Mark hinterzogen zu haben. Durch Bestechungsgelder in Höhe von mehr als 800.000 US-Dollar für georgische und aserbaidschanische Amtsträger verschafften sie ihrem Unternehmen unter Mitwirkung eines ehemaligen – ebenfalls mitangeklagten – Angestellten 740 CEMT-Genehmigungen, die den grenzüberschreitenden Gütertransport in Europa und angeschlossenen Oststaaten ermöglich-ten. Außerdem verwendeten sie auf 80 LKW gefälschte aserbaidschanische Zulassungspapiere, nachdem die Originalpapiere am Zoll einbehalten worden waren.Mit dem Urteil geht das in der Geschichte des Landgerichts Saarbrücken bislang umfangreichste Wirtschaftsstrafverfahren zu Ende. Der überaus komplexe und schwierige Verfahrensstoff sowie höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfragen führten zu einer 86-tägigen Hauptverhandlung, in der mehr als 100 Zeugen gehört wurden. Das Beweismaterial umfasste etwa 17.000 Aktenordner, 113 Umzugskartons mit Belegen sowie 3033 Gigabyte elektronische Daten – dies entspricht etwa drei Millionen Blatt Papier.Ein Hauptvorwurf der Anklage war die Steuerung osteuropäischer Fahrer und Fahrzeuge vom zentralen Firmensitz im saarländischern Perl-Borg aus, ohne für diese in Deutschland Sozialabgaben zu zahlen. "Wenn die inländische Firma Bezahlung und Tourenplanung so bestimmt, dass es überhaupt keinen Spielraum mehr gibt – insbesondere die ausländische Firma gar nicht weiß, was die formal bei ihr angestellten Fahrer gerade machen –, liegt eindeutig Arbeitgebereigenschaft der Zent-rale vor", erklärt Bernd Meiners, Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Eine Auffassung, die die Angeklagten offenbar nicht teilten: "Man sah sich selbst nicht als Arbeitgeber und dadurch auch nicht verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge und Steuern in Deutschland abzuführen", sagt Meiners.Es besteht AufklärungsbedarfFixemer und Betz – Fälle, die deutsche Spediteure wachrütteln sollten (VerkehrsRundschau-Konferenz zum Thema am 3. Juli 2008, siehe Kasten S. 40). Denn die Experten sind sich einig: Es besteht Aufklärungsbedarf. Wenn sie erführen, was mit Fixemer und Betz passiert sei, "werden 30 bis 40 Prozent der international tätigen Spediteure Angstschweiß auf die Stirn bekommen", prophezeit Fixemer-Insolvenzverwalter Franz J. Abel. Das Problem werde verkannt. Wenn man feststelle, dass bestimmte Dinge im eigenen Betrieb genauso laufen wie bei Betz oder Fixemer früher, solle man sofort qualifizierte Beratung einholen, um schnellstmöglich gegenzusteuern. Die strafrechtliche Seite sei nicht zu unterschätzen – man sei sehr schnell in einem Bereich, wo eingesperrt werde und es nicht mehr mit einer Geldstrafe abgehe, warnt Rechtsanwalt Abel.Das Verfahren geht bis vor den BGH "Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich hier um eine Rechtsmaterie handelt, die zum einen juristisches Neuland darstellt und zum anderen selbst für Juristen extrem schwer verständlich ist", sagt auch Jens Schmidt, Verteidiger von Christian Fixemer. Eins sei nicht umstritten – das sehe die Verteidigung genauso wie die Staatsanwaltschaft und das Gericht: "Die Zentraldisposition als solche ist nicht strafbar." Die Frage sei nur, wie diese umgesetzt werde. "Da kommt es auf Einzelheiten an", erklärt Schmidt. Die Speditionsbranche sei inzwischen so modern, dass sie ohne zent-rale Steuerung gar nicht mehr auskomme. Die Frage sei dann, wo der strafbare Bereich anfange, was höchstrichterlich noch nicht entschieden sei: "Mir ist kein einziges Verfahren bekannt, das in dem Bereich bis zum Bundesgerichtshof gegangen wäre, geschweige denn zum Europäischen Gerichtshof", sagt der Strafrechtler. Das wird sich nun ändern: Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Es ist damit nicht rechtskräftig und darf nicht vollstreckt werden, sodass die Brüder Fixemer auf freiem Fuß bleiben. Die Staatsanwaltschaft hält das Urteil zwar für angemessen: "Das grundsätzliche Ziel, dass für die Hauptangeklagten keine Bewährungsstrafen infrage kommen, wurde erreicht. Insoweit wird das Urteil uneingeschränkt begrüßt", sagte Staatsanwaltschaftssprecher Meiners. Soweit es Abweichungen zu den Anträgen gebe, habe man jedoch Revision eingelegt. Auch die Rechtsanwälte von Joachim und Christian Fixemer haben Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. "Dieses Urteil entspricht nicht den Erwartungen meines Mandanten", sagt Egon Müller, Verteidiger von Joachim Fixemer. Er kritisiert, dass bisher kein einziger ausländischer Fahrer gehört worden sei. Für den Anwalt sind diese jedoch die eigentlichen schwarzen Schafe: "Derjenige, der sich illegal aufhält, ist der Haupttäter." Fragen, mit denen sich nun die Richter in Karlsruhe beschäftigen müssen. ❙❚■ Kathrin Petersen

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