Bremser per Kündigung ausbremsen

Es ist nicht zu fassen: Wieder Fahrer A.! Aus jeder Halbtagesfuhre wird bei ihm ein Ganztagesjob, obwohl andere Fahrer die Tour in wenigen Stunden erledigen. Mehrfach haben Sie ihn darauf angesprochen, nachgefragt und stets fadenscheinige Ausreden aufgetischt bekommen. In jedem Unternehmen gibt es sie, die Schlecht- oder Minderleister. Auf Neudeutsch Low- oder Under-Performer genannt. Das sind Mitarbeiter, die können, aber nicht wollen, ihren Job also quasi mit angezogener Handbremse verrichten. Wer die Arbeit komplett verweigert, beispielsweise durch ständiges unentschuldigtes Fehlen, Nichtvorlage von ärztlichen Krankschreibungen oder unerlaubtem Urlaub, dem ist mit den arbeitsrechtlichen Regularien wie Abmahnung und Kündigung oder Lohnkürzung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Aktenzeichen: 5 AZR 248/11) problemlos beizukommen. Low-Performer aber arbeiten sehr wohl, allerdings unterdurchschnittlich, unzuverlässig, unzureichend oder schlampig. Und es gibt Minderleister, die zwar wollen, aber nicht (mehr) können, etwa weil sie älter werden, häufig oder langwierig krank sind. Bei einem echten Schlechtleister ist es kompliziert und aufwendig, ihm überhaupt nachzuweisen, dass er sich schlicht durchhängen lässt, also ordentlich arbeiten könnte, wenn er wollte. Die Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 11.12.2003, Aktenzeichen: 2 AZR 667/02) geht davon aus, dass Minderleistung vorliegt bei einer längerfristigen Abweichung nach unten um ein Drittel der durchschnittlichen Normalleistung vergleichbarer Beschäftigter. Gut gemeint, aber wie sollen Sie als Chef das nachweisen? Allein der Umstand, dass immer derselbe Fahrer für dieselbe Tour am längsten braucht, reicht nicht, um ihn als willentlichen Low-Performer zu überführen, denn, so die Arbeitsgerichte: In jeder Gruppe ist einer immer der Letzte, möglicherweise aber nicht der Faulste, sondern zum Beispiel der Vorsichtigste, der alles 200-prozentig prüft. Es sollte in solchen Fällen vonseiten des Chefs zunächst geklärt werden, ob der Betreffende Probleme hat, die seine Leistung beeinträchtigen, etwa Mobbing im Betrieb oder private Schwierigkeiten. Ihm muss eingehend verdeutlicht werden, dass er gegenüber den Kollegen deutlich hinterher hinkt, und zwar ohne erkennbaren Grund, sodass einzig der Schluss gezogen werden könne, dass er, obgleich er ordentlich arbeiten könnte, dies bewusst nicht mache. Gegebenenfalls kann dem Mitarbeiter auferlegt werden, regelmäßige Arbeitsberichte oder Dokumentationen zu erstellen (BAG, Urteil vom 19.04.2007, Aktenzeichen 2 AZR 78/06), also etwa den Fahrer verpflichten, detaillierte Fahrt- und Tätigkeitsberichte vorzulegen. Auch wenn es umständlich erscheinen mag - um später eine eventuelle Kündigung gerichtsfest durchzubringen, ist es erforderlich, die Ursachen der Schlechtleistung zu erforschen (LAG Nürnberg, Urteil vom 12.06.2007, Aktenzeichen 6 Sa 37/07). Hilft das nicht, sollten Sie den Mitarbeiter zunächst schriftlich abmahnen, um gegebenenfalls eine spätere Kündigung sicher vorzubereiten. Kranke kündigen ist schwierig Die detaillierte Erforschung, ob der Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß arbeiten will oder aber, ob er nicht (mehr) kann, ist wichtig; denn im zweiten Fall handelt es sich um Fälle der altersbedingten oder gesundheitsbedingten Schlechtleistung, die in den Konsequenzen den Regeln der Kündigung wegen Krankheit folgen. Im arbeitsprozessualen Alltag ist die Kündigung wegen Krankheit und der damit verbundenen Arbeitsminderleistung die häufigste personenbedingte Kündigung. Denn auch eine Krankheit schützt vor Kündigung nicht, wenngleich es sehr schwierig ist, eine krankheitsbedingte Beendigung vor Gericht durchzusetzen. Bei einer Kündigung wegen krankheitsbedingter genereller Leistungsminderung hat die Rechtsprechung über die Jahrzehnte hinweg - wie bei allen Spielarten der krankheitsbedingten Kündigung - für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung ein Prüfungsschema erarbeitet. Im Mittelpunkt stehen dabei Prognosen über die zukünftige gesundheitliche Entwicklung des Mitarbeiters. Schon aus diesem Grund ist der Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses häufig sehr unsicher. Entscheidend ist die Frage, ob berechtigter Zweifel besteht, dass der Arbeitnehmer wieder vollständig genesen wird. Die Störung betrieblicher Interessen ist für den Chef häufig leichter nachzuweisen, da es hier Betriebsablaufstörungen, Produktionsausfall, Verlust von Kundenaufträgen als Indizien gibt. Einer abschließenden Interessenabwägung kommt bei krankheitsbedingter Kündigung besonderes Gewicht zu. Nur dann, wenn die durch die Krankheit verursachten betrieblichen Belastungen so gravierend sind, dass sie dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden können, ist eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig. Besonders umstritten, weil in der Praxis am meisten verbreitet, ist die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, denn diese wirken sich wegen ihrer Nichteinplanbarkeit besonders nachteilig für den Betriebsablauf aus. Bei der auch hier erforderlichen Prognose sprechen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit für einen entsprechenden Ablauf in der Zukunft. Häufige Kurzerkrankungen werden meist dann angenommen, wenn eine Fehlquote von 20 Prozent der Vollarbeitszeit vorliegt. Die durch Krankheit verursachte Minderung der Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters ist generell für eine Kündigung ausreichend, sofern erhebliche Beeinträchtigungen des betrieblichen Interesses die Folge sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer allenfalls noch 66 Prozent der Normalleistung erbringen kann, da in diesem Fall das Gleichgewicht von Arbeit und Arbeitsentgelt nicht mehr gewahrt ist. Allerdings ist daran zu denken, den Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb weiter zu beschäftigen. Zu guter Letzt kann es zu verminderter Arbeitsleistung aufgrund des Alters des Mitarbeiters kommen. Allerdings stellt das Erreichen eines bestimmten Alters noch keinen Kündigungsgrund dar, sondern nur dann, wenn die Arbeitsfähigkeit wegen des Alters konkret und erheblich beeinträchtigt ist. Ein altersbedingt übliches Nachlassen der Arbeitsfähigkeit ist dabei in Kauf zu nehmen. Nur bei einem erheblich über dem Durchschnitt gleichaltriger Arbeitnehmer liegenden Leistungsabfall ist eine personenbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Umsetzen geht vor rausschmeißen Hinweis: Sie sollten in diesen Fällen auch die Möglichkeit von Umsetzungsmaßnahmen, also innerbetrieblichen Arbeitsplatzwechseln, ernsthaft erwägen, gegebenenfalls mit einer entsprechenden Reduzierung des Lohns. Denn alleine der Umstand, dass die Leistung eines Arbeitnehmers nachlässt, rechtfertigt nur selten den Ausspruch einer personenbedingten Kündigung. Nur bei eindeutiger, also mehrfacher Arbeitsverweigerung, dürfte eine Kündigung unproblematisch sein. Bei einem Fall von Under-Performance ist es unbedingt ratsam, sich sehr frühzeitig fachlichen Rat einzuholen. Denn bei einem überstürzten Ausspruch einer Kündigung wegen Schlechtleistung kann der Unternehmer ganz schnell einen arbeitsgerichtlichen Schiffbruch erleiden, der mit erheblichen Kosten verbunden ist. Das sagen die Gerichte Es gibt immer ein Schlusslicht Der bloße Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistung erbringt, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft. In einer Vergleichsgruppe ist stets ein Angehöriger der Gruppe das "Schlusslicht". Das kann seine Ursache darin haben, dass die übrigen Gruppenangehörigen besonders leistungsstark sind, sich überfordern oder dass umgekehrt der gruppenschwächste Arbeitnehmer besonders leistungsschwach ist (BAG, Urteil vom 22.07.1982, 2 AZR 30/81). Bei personenbedingten Kündigungen wegen Minderleistungen kommt es darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maß unterschreitet, das ihm ein Festhalten an dem unveränderten Arbeitsvertrag unzumutbar macht (BAG, Urteil vom 11.01.2013, 2 AZR 667/02). kk