Bericht aus Brüssel

Bericht aus BrüsselHeißer EU-Herbst für die BahnDie EU-Kommission will noch in diesem Jahr einen Gesetzesvorschlag veröffentlichen, in dem sie voraussichtlich die vollständige Trennung von Unternehmen des Bahnverkehrs und der Infrastruktur fordern wird. Der Widerstand dagegen ist groß.Der Bahn steht ein heißer Herbst in Brüssel bevor. Gegen Ende des Jahres will die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag veröffentlichen, der für ehemalige Staatsbahnen wie die Deutsche Bahn (DB) viel Sprengstoff enthält. Ein wichtiger Bereich ihres Geschäftsmodells könnte ihnen genommen werden. Denn die Kommission – das ist in Brüssel ein offenes Geheimnis – will vorschlagen, dass ein Unternehmen, das Güter- oder Personentransporte anbietet, nicht gleichzeitig auch Bahninfrastruktur wie zum Beispiel ein Schienennetz verwalten darf. Die Kommission will dadurch den Wettbewerb auf der Schiene fördern. Die klare Trennung zwischen dem Betreiber der Infrastruktur und dem rollenden Verkehr sei die beste Garantie dafür, dass die Infrastruktur von allen Marktteilnehmern ohne Bevorzugung eines Einzelnen benutzt werden könne, argumentiert die Kommission. Die großen Bahnunternehmen in Europa sehen das anders. Und sie haben zahlreiche Unterstützer: Auf einer Konferenz des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses – ein beratendes Gremium der EU, das aber keinen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen kann – stellte sich außer Gewerkschaftsvertretern auch die belgische Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Isabelle Durant, klar gegen die Kommissionspläne. Die Äußerungen der Grünen-Politikerin waren ein Vorgeschmack auf den Widerstand, auf den die Vorschläge der EU-Behörde in der Volksvertretung treffen werden. „Die Kommission will alles voneinander trennen, zum Beispiel auch Bahnhöfe und Ausbesserungswerke, die von der Bahn betrieben werden“, kritisierte Durant. Warum, so fragte sie, solle etwas getrennt werden, was funktioniere? Großbritannien mache vor, was es heißt, den Eisenbahnmarkt komplett zu liberalisieren. „Es klappt auch nach 18 Jahren noch nicht“, so Durant.Negativbeispiel Großbritannien„Wir sollten zuerst schauen, dass die bisherigen EU-Beschlüsse endlich überall richtig angewendet werden“, sagte der DB- Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube. Damit kritisierte er die noch unvollständige Durchsetzung der Liberalisierung des europäischen Eisenbahnmarktes. Dass große Teile des Schienennetzes demselben Konzern gehören, der auch eine dominierende Rolle im Bahnbetrieb einnimmt, sei für den gewünschten Wettbewerb kein naturgegebenes Hindernis. „Deutschland hat einen lebhaften Wettbewerb auf der Schiene“, sagte Grube. Und das trotz der DB-Holding, die der EU-Kommission ein Dorn im Auge ist. Wichtiger als die Zerschlagung von Strukturen sei die europaweite technische Harmonisierung der Bahnen. Stimmen, die das Vorhaben der EU-Kommission unterstützen, waren nur selten zu hören. „Man muss bei der Diskussion über die Bahn hinaus auf die gesamte europäische Wirtschaft blicken“, sagte etwa Paola Lancellotti, Generalsekretärin des Europäischen Dachverbands der verladenden Unternehmen (ESC) in einer Wortmeldung. Die ESC-Mitglieder seien alles andere als glücklich über die derzeitigen Zustände bei der Bahn. Sie erhoffen sich von der geplanten Entkoppelung bessere Angebote für den Transport auf der Schiene. Studien oder Erfahrungen, die solche Effekte tatsächlich belegen könnten, liegen laut Angaben der Konferenzteilnehmer zurzeit allerdings nicht vor. ❙❚■ Kay Wagner, VR-Korrespondent in BrüsselDie EU will die Signale für einen integrierten Bahnkonzern auf Rot stellenDB-Holding im Einklang mit EU-Gesetz Die Vereinigung von DB Netz mit den DB-Unternehmen des Bahnverkehrs unter einer Holding verstößt nach Auffassung der EU-Kommission gegen die Anforderungen an die Liberalisierung des Bahnverkehrs. Die EU-Kommission hat Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Im Streit um die Rechtmäßigkeit der DB-Holding hat die Deutsche Bahn just in der vergangenen Woche einen Etappensieg errungen. In seinem Schlussantrag zur Klage der EU-Kommission gegen Deutschland sieht der Generalanwalt des EuGH in der Holdingstruktur keinen Verstoß gegen geltendes EU-Recht. Die Schlussfolgerung des EuGH-Generalanwalts ist zwar noch kein Urteil, doch in den meisten Fällen folgen die Richter seinen Einschätzungen. kw

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