Bericht aus Berlin

Bericht aus Berlin„Das Gewerbe hat Anspruch auf eine gute Infrastruktur“Der neue verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol, fordert im Interview dauerhaft mehr Geld für den Ausbau und Erhalt der Verkehrswege. Dafür braucht der Staat mehr Einnahmen und eine sinnvolle Planung der Investitionen. Eine höhere LKW-Maut scheint für die Bundes-SPD kein Tabu.Das Bundeskabinett hat die Ausnahmeverordnung verabschiedet, die zum Jahreswechsel den Einsatz von Lang-LKW auf Autobahnen und Bundesstraßen ermöglicht. Wird die SPD-Bundestagsfraktion gegen die Ausnahmeverordnung für den Feldversuch klagen?Sören Bartol: Noch ist offen, ob das Bundeskabinett mit der Ausnahmeverordnung die Mitwirkungsrechte des Bundestages und des Bundesrates verletzt hat. Entsprechende rechtliche Hinweise gibt es jedoch. Meine Fraktion prüft derzeit eine Klage und wird anschließend entscheiden. Ich halte den Start des Feldversuchs für politisch fragwürdig, da es in der Verkehrsministerkonferenz ein Patt gab, also keine Mehrheit dafür. Das mit absoluter SPD-Mehrheit regierte Hamburg nimmt am Feldversuch teil. In Bremen plädiert Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) ebenfalls für das Projekt, muss aber unter Verweis auf den Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen absagen. Die Haltung der SPD ist also uneinheitlich.Es ist richtig, es gibt Differenzierungen, die regional begründet sind. Als verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion spreche ich für die Fraktion, nicht für die Länder. Es geht letztlich um die Frage, ob unser Verkehrsnetz bundesweit für Gigaliner geeignet ist. So weit liegen wir nicht auseinander.Die SPD regiert auch als Juniorpartner in Baden-Württemberg, das an dem Feldversuch nicht teilnimmt. Das Bundesverkehrsministerium will Teilstücke der Autobahn A 7 in das Projekt einbeziehen. Wird das Land die Durchfahrt der Lang-LKW gestatten?Jetzt rächt sich, dass der Bund den Bundesrat nicht einbezogen hat. Möglicherweise wird Baden-Württemberg die LKW passieren lassen. Aber noch einmal: Ich spreche für die Bundestagsfraktion, nicht für die Länder. Der Bundesverkehrsminister ist hier auf dem Holzweg. Das Bundesverkehrsministerium wird ab 2012 bis 2017 rund eine Milliarde zusätzlich für Investitionen in die Infrastruktur erhalten. Eine gute Nachricht auch für die Opposition?Diese einmalige Aufstockung löst die strukturellen Probleme nicht. Die jährliche Investitionslücke liegt bei vier Milliarden Euro. Die SPD-Bundestagsfraktion verfolgt einen anderen Ansatz. Wir wollen zunächst definieren, was strategisch wichtig ist, diese Verkehrsprojekte gewissermaßen vor die Klammer ziehen. Entscheidend muss die überregionale nationale Bedeutung sein. Im Übrigen hätte ich erwartet, dass der Bundesverkehrsminister endlich die Prioritäten des Investitionsrahmenplans benennt. Darauf warten wir bis heute. Was ist für die SPD „strategisch wichtig“?Wir müssen verkehrsträgerübergreifend die Engpässe benennen und beseitigen. An erster Stelle muss in den Erhalt der Verkehrsträger investiert werden und nicht in den Neubau. Dann geht es um den Ausbau der für den Reise- und Güterverkehr wichtigen Korridore. Und ganz dringend ist die Sanierung der Brücken.Das sagt Herr Ramsauer so ähnlich. Das klingt etwas großkoalitionär.Einspruch: Wir müssen erst einmal abwarten, bis der neue Investitionsrahmenplan vorliegt. Und auch die Projektliste zur Umsetzung der Milliarde soll es erst Ende März 2012 geben. Das Geld darf nicht aufgrund des Interesses eines bayerischen Bundesverkehrsministers, als Vize seiner Partei wiedergewählt zu werden, versickern. Wenn der Bundesverkehrsminister dann noch endlich die Notwendigkeit der Brückensanierung erkennt, geht das in Ordnung.Sie sprechen von einem zusätzlichen Investitionsbedarf in die Verkehrsinfrastruktur von vier Milliarden Euro jährlich. Wo soll das Geld herkommen?Ich verweise auf das Steuerkonzept der SPD. Das sieht zusätzliche Einnahmen für Investitionen in die Infrastruktur von insgesamt drei Milliarden Euro vor. Der Staat muss die Leistungen finanzieren können, die die Bürger von ihm erwarten. Das Güterkraftverkehrsgewerbe hat Anspruch auf eine gute Infrastruktur, die Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft ist. Die SPD wird also im Falle einer Regierungsübernahme in zwei Jahren die LKW-Maut erhöhen, um die Investitionslücke zu schließen?Die Reihenfolge muss stimmen. Zunächst müssen wir im Dialog mit dem Gewerbe den Bedarf definieren. Danach muss die Finanzierungsfrage geklärt werden. Wenn wir diese Reihenfolge einhalten, besteht die Chance auf einen Konsens.Konsens für eine LKW-Maut, die auch für Klein-LKW gilt?Von einer Maut für 3,5-Tonner halte ich nichts, denn die Einbau- und Systemkosten stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen. Man muss aber darüber nachdenken, ob man die 12-Tonnen-Grenze nicht senkt auf 7,5 Tonnen. Neben der Nutzerfinanzierung denken wir auch an die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch die allgemeinen Steuern. Aber wie gesagt: Zunächst muss definiert werden, was verkehrspolitisch notwendig ist.In Berlin ist eine rot-grüne Koalition am Weiterbau einer Autobahn gescheitert. Danach hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seine Partei in bewusster Abgrenzung zu Bündnis 90/Die Grünen als „Infrastrukturpartei“ bezeichnet.Da widerspreche ich, denn es ging nicht um eine bewusste Abgrenzung. Die SPD will vielmehr die Notwendigkeit von Infrastruktur deutlich machen. Die Unionsparteien haben dies vernachlässigt. Die Grünen sind gerade dabei, ihre Positionen deutlich zu verändern. In einem rot-grünen Koalitionsvertrag würde genau festgelegt, welche Infrastrukturprojekte wir benötigen. Uns geht es um die industrie- und wirtschaftspolitische Komponente unserer Verkehrspolitik. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der SPD.2015 wird ein neuer Bundesverkehrswegeplan erstellt. Daran wollen Sie als Regierungspartei mitarbeiten.Nach meinem Eindruck werden die Vorarbeiten der schwarz-gelben Bundesregierung zu stark von regionalen Interessen geprägt. Stichwort Ortsumgehungen. Der Bundesmobilitätsplan darf nicht länger ein Wunschkatalog sein. Die demografische Entwicklung, der Lärmschutz, die Akzeptanz von Verkehrsprojekten müssen stärker berücksichtigt werden.Die SPD macht aus dem Bundesverkehrswegeplan einen Bundesmobilitätsplan.Wichtig ist der Inhalt, weniger die Bezeichnung. Wir müssen ein für unser Land sinnvolles Bundesnetz von Straßen, Schienen- und Wasserwegen definieren. Das Mobilitätsbedürfnis der Menschen und der Wirtschaft muss entscheidend sein. Wie sind Sie zur Verkehrspolitik gekommen? Haben Sie eine Modelleisenbahn im Keller?(lacht) Das liegt lange zurück. Im Ernst. Verkehrspolitik berührt viele Menschen unmittelbar. Mich fasziniert auch die Verknüpfung mit der Stadtentwicklung. Da lag es nahe, dass ich direkt nach meiner erstmaligen Wahl in den Bundestag 2002 Mitglied des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geworden bin.Lässt Ihnen die Politik Zeit für Hobbys? Mir fehlt leider die Zeit für regelmäßige Hobbys. Ich spiele gern Fußball, bin auch Mitglied im 1. FC Bundestag. Allerdings ist mein Trainingsrückstand derzeit etwas groß. ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in BerlinSören Bartol hat vor fünf Wochen den Fraktionsposten des verkehrspolitischen Sprechers übernommenBericht aus BerlinVitaSören Bartol Der hessische Sozialdemokrat Sören Bartol hat am 18. Oktober von Uwe Beckmeyer die Funktion als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung übernommen. Der Diplom-Politikwissenschaftler wurde 1974 in Hamburg geboren und gehört dem Bundestag seit 2002 an. Als direkt gewählter Abgeordneter vertritt Bartol den Wahlkreis Marburg. Auf seiner Netzseite wirbt er unkonventionell mit der Aufforderung „Holen Sie sich einen Sozi ins Haus“ und verspricht seinen Gastgebern „Den Kuchen bringt er mit“. jök

Bericht aus Berlin

Aufkommensentwicklung Quartal 1/2022 bis Quartal 4/2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

Marktübersicht: Kombi-Operateure in Europa

MEISTGELESEN

EU plant Mautbefreiung für emissionsfreie Lkw bis 2031

Neue Toleranzregelung für Großraum- und Schwertransporte ab Juli 2025

Mindestlohnanstieg: Logistik-Verbände warnen vor Kostensprung

NEWSLETTER