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Menzner: „Die Bahn darf nicht an die Börse“

04.09.2009 12:57 Uhr
Menzner: „Die Bahn darf nicht an die Börse“
Dorothée Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Die Linke
© Foto: Deutscher Bundestag

Über Tiefensees Versagen in der Verkehrspolitik. Im Gespräch mit Dorothée Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Die Linke

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Dorothée Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Die Linke, stellt sich den Fragen der VerkehrsRundschau. Das Interview führte Sebastian Bollig. Was sind die verkehrspolitischen Schwerpunkte des Wahlprogramms von der Linken? Dorothée Menzner: Für die Linke liegt der Schwerpunkt im Ausbau und der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs. Für den Neu- und Ausbau von Schienenwegen wollen wir mindestens 2,5 Milliarden Euro pro Jahr konstant und verlässlich bereitstellen, zusätzlich zu den 2,5 Milliarden für den Bestandserhalt. Nur wenn das Schienennetz ausgebaut wird können deutlich mehr Güter auf der Schiene transportiert werden. Angesichts der Wachstumsraten im Güterverkehr bis zur Krise sehen wir mittel- und langfristig aber genug Spielraum dafür, dass das Wachstum im Schienengüterverkehr nicht zu Lasten des Straßengüterverkehrs geht. Das exorbitante Wachstum des Straßengüterverkehrs bis zur Krise ist aber nicht zukunftsfähig. Wir wollen keine Transportunternehmen in den Ruin treiben oder zwangsweise Verkehre auf die Schiene verlagern. Wir wollen einerseits die nötigen Kapazitäten auf der Schiene schaffen und andererseits die Anreize schrittweise und behutsam so verändern, dass die Schiene im Vergleich zum Lkw noch wettbewerbsfähiger ist. Außerdem wollen wir die Lenk- und Ruhezeiten für LKW-Fahrer verbessern und die Einführung von Gigalinern verhindern. Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die wichtigsten verkehrspolitischen Vorhaben oder Initiativen der kommenden Legislaturperiode? Ich werde alles daran setzen, dass nach den aus Sicht der Bahnpolitik vier verlorenen Jahren endlich wieder darüber diskutiert wird, wie wir mehr Verkehr auf die Schiene bekommen. Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode steht die Überprüfung der Bedarfspläne für Straßen und Schiene an. Bahnpolitisch wollen wir hier die Weichen stellen, um mehr Kapazitäten gerade für den Güterverkehr – Stichwort – Seehafenhinterlandverkehre – zu schaffen. Angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise und des trotz dieser Krise um 70 US-Dollar schwankenden Ölpreises scheint die zukünftige Verkehrsentwicklung allerdings ungewisser denn je. Deswegen wollen wir keinen Ausbau der Verkehrsträger, der auf veralteten Verkehrsprognosen basiert, sondern eine soziale und ökologische Gestaltung der Verkehrspolitik und der Wirtschaft. Das bedeutet bei allen Verkehrsträgern weniger Neubau und mehr Ausbau bestehender Strecken – mit klarer Priorität auf der Beseitigung von Engpässen und dem Bestandserhalt. Können Sie kurz Bilanz ziehen: Vier Jahre schwarz-rote Verkehrspolitik unter Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Was lief gut, was waren die größten Fehler? Nach vier Jahren weiß man eigentlich noch immer nicht richtig, wofür Herr Tiefensee verkehrspolitisch eigentlich steht. Er wollte es allen recht machen – hat es sich aber mit fast allen verscherzt. In Erinnerung wird er wohl bleiben als der Minister, der beim Thema Bahnprivatisierung seine Meinung mehrmals gewechselt hat – und die Sache am Ende doch vergeigt hat. Die Linkekritisiert vor allem, dass er weiter unbeirrt auf Privatisierungen gesetzt hat. Bei der Bahn und bei der Flugsicherung ist er damit zum Glück gescheitert, nur beim Straßenbau hat er mit den A-Modell- Projekten einen weiteren Schritt vollzogen, der uns noch teuer zu stehen kommen wird. Was halten Sie von öffentlich-privaten Partnerschaften beim Bau von Autobahnen? Nichts. Die beiden privat finanzierten und nun kaum genutzten Tunnel in Rostock und Lübeck sollten Allen, die weiterhin von privaten Straßen träumen, ein mahnendes Beispiel sein. Straßen gehören genauso wie Schienen, aber auch Schulen und Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge klar in die öffentliche Hand. Die so genannten A-Modelle zum Ausbau von Autobahnen sind eine Mogelpackung. Zwar wird hier niemand direkt zusätzlich zur Kasse gebeten, aber nicht zuletzt der Bundesrechungshof sagt so eindeutig, wie er das darf, dass hier langfristig Steuermittel verschwendet werden, weil es den Staat letztlich teuerer kommt. Ein großes Thema ist seit Jahren die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf der Schiene. Welchen Anteil an den wachsenden Gütermengen kann die Scheine stemmen? Die Antwort hat die Bundesregierung selber gegeben: Im Entwurf des Masterplans Güterverkehr und Logistik wollte sich die Bundesregierung das Ziel setzen, den Schienengüterverkehr auf 190 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2025 zu steigern. Da die Verkehrsprognose 2025 – allerdings als reines Trendszenario ohne die Annahme verkehrspolitischer Maßnahmen - nur 152 Milliarden Tonnenkilometer vorhersagt, war diese Zielsetzung eine mutige, aber durchaus realistische Zielsetzung. Der Mut aber hat den Minister verlassen. Um deutlich mehr Güterverkehr auf der Schiene zu erreichen, sind entsprechende politische Maßnahmen nötig. Gerade kleine und mittelständische Transportunternehmen kämpfen infolge der Wirtschaftskrise ums Überleben. Wie kann diesen Unternehmen geholfen werden? Wir sehen die Nöte besonders kleiner und mittelständischer Transportunternehmen mit großer Sorge. Jetzt geht es darum, die Unternehmen über die Krise zu bringen. Der beste wären direkte finanzielle Hilfen für kleine und mittelständische Spediteure, damit diese die globale Krise überstehen können. Als Sofortmaßnahme für Spediteure, die sich wegen der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten befinden, könnten wir uns eine befristeten Aufstockung des De-minimis-Programms und eine erleichterte Auszahlung dieser Hilfen vorstellen. Eine generelle Entlastung bei der LKW-Maut halten wir hingegen nicht für den richtigen Weg. Zusätzliche Probleme hat die Freigabe der Kabotage zum 1. Mai 2009 verursacht. Dass Transportunternehmen die Maut nicht vollständig an die verladende Wirtschaft weiter reichen können, ist nur eines von mehreren Problemen. Besonders betroffen davon sind kleine Unternehmen. Während die großen Betriebe die LKW mit der schlechten Emissionsklasse auf dem Hof stehen lassen können, haben viele kleine Unternehmen diese Möglichkeit nicht. Auch deshalb wollen wir die Fördersätze zur Nachrüstung mit Partikelfiltern deutlich anheben. Dass würde Unternehmen helfen, die nur wenige ältere Fahrzeuge haben. Wir sind der Auffassung, dass die Mauterhöhung mitten in der Wirtschaftskrise missglückt war. Die Linke hatte im Bundestag vorgeschlagen, die LKW-Maut nicht so abrupt anzuheben. Besser wäre eine schrittweise Erhöhung gewesen. Dadurch hätten Härten besser vermieden werden können. Außerdem wäre so ein stetiger Anstieg der Einnahmen möglich gewesen, der in Übereinstimmung mit dem nach unserer Auffassung durchaus nachvollziehbar berechneten Wegekosten gelegen hätte. Sind Sie zufrieden mit der aktuellen Umsetzung der Mautharmonisierung? Wo gibt es aus Ihrer Sicht Verbesserungspotenzial? Zumindest nominell hat die Kompensation für die nationalen Spediteure ja nun endlich die zur Mauteinführung zugesagte Höhe von 600 Millionen Euro erreicht. Wir begrüßen diese Kompensationsmaßnahmen für einheimische Unternehmen als Beitrag zur Chancengleichheit gegenüber Unternehmen aus anderen Staaten. Eine darüber hinaus gehende Entlastung lehnen wir aber ab. Wir setzen uns auf europäischer Ebene für eine Angleichung der Energiesteuern auf hohem Niveau ein, damit sich die Steuern in den benachbarten Staaten unserem Niveau annähern, um auf diesem Wege Wettbewerbsnachteile abzubauen. Außerdem wollen wir wollen die Feinjustierung verbessern: Entscheidend ist, ob das De-minimis-Förderprogramm und die Zuschüsse zur Aus- und Fortbildung überhaupt in nennenswerten Umfang nachgefragt werden. Zum De-minimis-Programm haben wir deshalb gerade einige Fragen in Rahmen einer Kleinen Anfrage gestellt, die Antwort liegt aber noch nicht vor. Alles deutet darauf hin, dass die Investitions- und Ausgabenbereitschaft in der Krise gering sind. Die Frage ist, ob es darüber hinaus weitere Schwächen bei den Förderprogrammen gibt. Deswegen fordern wir die Bundesregierung zu einer umgehenden ehrlichen Evaluation der Förderprogramme auf, um hier gegebenenfalls schnell nachbessern zu können. Der Bundesrat hat seine Mitbestimmung am Mauthöhegesetz an den Bund abgegeben? War dies Ihrer Ansicht nach ein Fehler? Ob mit oder ohne Zustimmung des Bundesrates – es bleibt dabei, dass für die Mauthöhe Europa enge Grenzen setzt. Willkür bleibt also ausgeschlossen, auch wenn der Bundesrat nicht mehr zustimmen muss. Ich habe aber sehr wohl Verständnis dafür, dass den Spediteuren die letzte Mauterhöhung wie Willkür vorkam, weil auf die sich bereits abzeichnende Wirtschaftskrise keine Rücksicht genommen wurde. Zumindest hätte die Mauterhöhung in mehr Stufen und deutlich langsamer erfolgen sollen.
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