Berlin. In Patrick Dörings Wahlkreis liegt Deutschlands größter Reifenhersteller Continental. Doch der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion will dem Unternehmen nicht ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk machen, indem Fahrer zum Kauf von Winterreifen aufgerufen werden. Die Bürger dürften nun nicht verunsichert werden, sagt Döring mit Blick auf eine Neuregelung bei den Winterreifen. Es müsse jetzt vor allem geklärt werden, welche Reifen ausreichen, um die Vorschriften zu erfüllen.
Doch bis dahin dürften Verkehrsteilnehmer vorerst nur auf der sichere Seite seien, wenn sie ab der ersten Schneeflocke die Sommerreifen in der Garage lassen und wettergerechtes Profil aufziehen. Ein bereits im Juli gefallenes Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg hat pünktlich zur Winterzeit die Politik in Wallung gebracht. Auch wenn Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und seine Länderkollegen bekräftigt haben, rasch eine Winterreifen-Pflicht in der Straßenverordnung verankern zu wollen, bleiben Fragen offen.
Das Oldenburger Urteil besagt, dass die bisherige Regelung zu unklar sei. Damit dürften auch die Bußgelder von bis zu 40 Euro bei falscher Bereifung nicht mehr erhoben werden. Die Neuregelung soll noch in diesem Jahr unter Dach und Fach sein. Ramsauer will eine Vorlage in den nächsten zwei Wochen in den Bundesrat einbringen. Das sagte er am Donnerstag nach der Verkehrsministerkonferenz in Schloss Ettersburg bei Weimar.
Bisher heißt es schwammig, der Autofahrer müsse eine dem Wetter "geeignete Bereifung" aufziehen. Nun soll das Wort "Winterreifen" in der Straßenverkehrsordnung (StVO) neu aufgenommen werden. Sie müssen aufgezogen werden, sobald es schneit oder Matsch den Verkehr unsicher macht. "Es kann nicht sein, dass das Gesetz als Freifahrtschein für gefährliche Rutschpartien herhalten muss", sagt Ramsauer mit Blick auf die unsichere Rechtslage nach dem Urteil.
Einer generellen Winterreifen-Pflicht von Oktober bis Ostern erteilt der ADAC eine klare Absage: Damit würden Autofahrer, die in Gebieten wohnen, in denen der Winter kaum zu Matsch und Schnee führt, nur unnötig zur Kasse gebeten. Aber das will auch Ramsauer nicht, sondern es könnten Wetterlagen bei der Neufassung der StVO festgelegt werden, bei denen dann künftig eine temporäre Winterreifen-Pflicht gilt. Dann darf man sich nicht mehr mit Sommerreifen durchschummeln.
Die Polizei kann den Fahrer zu Kasse bitten, zudem droht ein Punkt in Flensburg. Doch eine Frage kann auch Ramsauer vorerst nicht beantworten. Wann ist ein Reifen ein Winterreifen? Bisher gibt es hierfür in Deutschland keine klaren Normen, im Prinzip kann jeder Hersteller ein Schneeflocken-Symbol oder die Kennzeichnung "M+S" (Matsche und Schnee) anbringen. Jeder Hersteller verstehe unter Winterreifen etwas anderes, moniert der ADAC. Vorgeschrieben ist nur eine Profiltiefe von mindestens 1,6 Millimetern - der ADAC hält das für zu gering: Winterreifen sollten mindestens vier Millimeter Profiltiefe habe und nicht älter als fünf Jahre sein.
An einer verbindlichen Kennzeichnung wird derzeit auf EU-Ebene gearbeitet. Mit der Verordnung Nr. 661/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 wurden bestimmte Anforderungen an Reifen festgelegt. Seitdem werden Verfahren, Prüfungen und Anforderungen diskutiert. Deutschland setzt sich dabei laut Verkehrsministerium für Anforderungen an die Reifen ein, die die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz gewährleisten. Doch in diesem Winter dürfte der EU-Norm-Winterreifen nicht mehr kommen.
Nur mit einer europaweit einheitlichen Kennzeichnung für Winterreifen kann das Verkehrsministerium eine Ausrüstungspflicht einführen, für die dann auch der Halter verantwortlich ist - bei Lastwagen also der Transportunternehmer. "Er darf sich nicht hinter einer Vorschrift verstecken, die nur den Fahrer trifft", sagt Ramsauer. Es gehe letztlich bei der Reifenreform um Beides: Sicherheit auf der Straße und Rechtssicherheit für die Fahrer. (dpa)