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Wallraff kritisiert Arbeitsbedingungen bei Paketzusteller GLS

31.05.2012 11:25 Uhr
Wallraff kritisiert Arbeitsbedingungen bei Paketzusteller GLS
Günter Wallraff kritisiert die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellung
© Foto: dapd/Hermann J. Knippertz

Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff war undercover beim Paketzusteller GLS unterwegs. Seine Erfahrungen hat er in einem Fernsehbeitrag und im „Zeit Magazin“ zusammengefasst

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Köln. Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff war undercover als Paketzusteller für den Paketdienstleister GLS unterwegs. Die Eindrücke seiner mehrmonatigen Recherche hat er in einem Fernsehbeitrag verarbeitet, der am Mittwochabend beim Sender RTL ausgestrahlt wurde. Außerdem erscheint der Erfahrungsbericht in der Magazinbeilage der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Laut Wallraff arbeiten viele Fahrer unter sittenwidrigen Bedingungen: Berichte der Betroffenen und wissenschaftliche Studien gingen von Regelarbeitszeiten zwischen 12 bis 15 Stunden täglich aus. Bei einem Monatslohn zwischen 1.200 und 1.500 Euro netto ergeben sich damit Stundenlöhne für diese Paketauslieferer von unter 5 Euro, prangert Wallraff die Arbeitsbedingungen in der Branche an.

Dem Fernsehsender RTL lägen interne Unterlagen vor, die beweisen, dass eine Arbeitszeit von 12 Stunden täglich für Paketfahrer von Seiten des Konzerns GLS kalkuliert ist. Zwischen zwei Diensten seien die gesetzlich vorgeschriebenen 11 Stunden Ruhezeit oft nicht möglich. Auch Pausen seien häufig nicht zu schaffen. All dies verstoße gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz, heißt es in einem Text zum Beitrag auf der Website des Senders. Die Fahrtenbücher der Fahrer über ihre Lenk- und Ruhezeiten seien „Makulatur“.

Wallraff prangert vor allem das System der in der Paketbranche üblichen Auslagerung an Subunternehmer an. „Um sich nicht verantworten zu müssen, schalten manche Konzerne – so auch GLS – Subunternehmer zwischen, die offiziell als Arbeitgeber der Fahrer agieren, meist selbst auch fahren und häufig ausschließlich für einen Konzern arbeiten“, schreibt Wallraff. Ermöglicht habe das „Preis- und Lohndumping“ der Gesetzgeber. „Die Gesetzesänderung zum Schutz vor Scheinselbständigkeit habe den selbstfahrenden Unternehmer in dieser Branche abgeschafft. An seine Stelle sei der ebenso scheinselbständige Subunternehmer mit einem oder mehreren Angestellten getreten“, ist bei RTL über die Wallraff-Enthüllungen zu lesen.

„GLS stellt die Fahrer nicht selbst ein, sondern schließt Verträge mit Subunternehmern, die wiederum die Fahrer anstellen. Damit kann GLS sämtliche Risiken auslagern“, kritisiert Wallraff.

Wallraff kritisiert zudem, dass GLS ein „komplettes Überwachungs- und Strafsystem“ konstruiert habe, mit denen Fahrer und Subunternehmer „schikaniert und ausgenommen werden.“

In einer offiziellen Stellungnahme von GLS zu den Beschuldigungen verweist das Unternehmen auf die Eigenverantwortung der Subunternehmer: „Die Transportunternehmen werden bei der Erledigung von Transportaufträgen von GLS zur Beschäftigung von Fahrern in rechtskonformen, sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnissen verpflichtet.“ Weiter betont GLS: „Wir legen Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, die im Rahmen der Gesetze gestaltet wird.“ Man bedaure „die einseitige und verkürzte Berichterstattung“ sehr. (diwi) 

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KOMMENTARE


Bernhard Wieser

31.05.2012 - 13:06 Uhr

Im Zeitalter des E-Commerce, Internethandel, etc. braucht der deutsche Verbraucher KEP-Dienste, die reibungslos, schnell und unbürokratisch agieren. Das Ganze noch am besten kostenlos. Der Trottel am Schluss der Kette ist der Auslieferfahrer. Für den ist bei Preisen von teilweise weniger als vier Euro per Paket nichts mehr übrig. Demzufolge sollte dies jedem Bundesbürger, der mit den vier Grundrechnungsarten einigermaßen umgehen kann, klar sein. Also wozu die Aufregung? Die Märkte verlangen dies so, also liefert man. Normalerweise wäre hier der Gesetzgeber gefordert. Doch leider dürfte von dieser Seite auch nichts zu erwarten sein, ist man doch Mehrheitsgesellschafter bei der Deutschen Post und profitiert hervorragend von diesem Schlamassel.


V 480 Truck

31.05.2012 - 20:18 Uhr

Wie schon öfters von mir behauptet arbeitet die Transportbranche am Rande der Legalität. Sie ist meiner Ansicht nach eine kriminelle Vereinigung. Die Fahrer werden ausgebeutet, schikaniert und zum Betrug mit der Fahrerkarte gezwungen. Obwohl in der Öffentlichkeit längst bekannt, billigt der Gesetzgeber das Treiben. Die Löhne werden um die Hälfte des Tariflohnes unterschritten, Überstunden nicht bezahlt und dann wundert sich die Transport-Mafia, dass sich kein Nachwuchs mehr findet. Der Gesetzgeber sollte dem Treiben ein Ende setzen und den Betrügern die Transportgenehmigung entziehen, dann trennt sich automatisch die Spreu vom Weizen.


Michael Akrap

02.06.2012 - 13:52 Uhr

Jetzt, wo wieder mal eine Tür aufgestoßen wurde, ist das Gejammer da. Sind diese Umstände nicht hinlänglich bekannt? Was wurde denn zum Schutz dieser Subunternehmen getan? Nichts! Eigenes Risiko, eigene Verantwortung, miese Vertragsklauseln. Klar, es wird ja keiner gezwungen, sich auf so etwas einzulassen. Aber Chancen, mit dieser Art von Arbeit sein Auskommen und seine Existenz zu sichern, sind wohl nicht gegeben. So etwas gab es schon in der jüngsten Vergangenheit (große Speditionen aus Österreich), nur hatte damals das Kind einen anderen Namen. Die Situation für die selbstständigen Kraftfahrer war letztendlich dieselbe. Immer hart an der Schmerzgrenze, was den Arbeitsaufwand betrifft, kontinuierliches Ignorieren von Sozialvorschriften und Arbeitszeitgesetzen, immer mit einem Fuß im Gefängnis.


Peter Strauch

02.06.2012 - 16:46 Uhr

Wissen wir doch alles. Komisch, hat niemand etwas zu sagen ?


spedi 01

07.06.2012 - 12:41 Uhr

Die Politik spielt entsetzen, dabei ist doch der Staat selber Nutzniesser durch die Post. Und Herr Gabriel von der SPD soll den Ball flach halten, schließlich versendet doch auch die SPD ihre Mailing- und Infopostaktionen zu einem Rabatt und Ramschpreis mit diversen Postdienstleistern. Es wird niemand gezwungen diesen Job zu machen und ob, bei allem Respekt, der alte Mann Wallraff wirklich ein Beispiel für einen Kurierfahrer sein kann, ist zu bezweifeln. Herr Wallraff kann altersbedingt das Tempo der jüngeren Kurierfahrer nicht mitgehen und benötigt somit mehr Stunden für die Auslieferung. Fakt ist, dass Fahrer von DPD und GLS oftmals ihre Sprinter zu abendlichen Heimfahrt nutzen und diese Wagen stehen meistens um 16 Uhr oder 17 Uhr vor der Tür.


Johann Berger

19.06.2012 - 13:10 Uhr

Sicherlich sind die Spediteure Schuld und die Arbeitsämter, die die Fahrer dorthin drängen. Jetzt liefert Amazon auch schon mit pin ag in berlin aus, weil die ein paar Cent billiger sind als DHL. Das ganze System ist marode und wird die Sozialversicherung ins Grab treiben.


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