Hamburg. Die Schere zwischen der weltweiten Nachfrage nach Seetransportraum und dem Ladungsmengenangebot wird 2009 bei allen wichtigen Schiffstypen erheblich auseinanderklaffen. Vor allem die im Zeichen der Globalisierung im großen Stil bestellten Massengut- und Containerfrachter kämen im laufenden Jahr gleich zu Hunderten neu in Fahrt und verschärften den bereits ab Herbst 2008 klar erkennbaren Tonnageüberhang. Da derzeit nicht absehbar sei, wann und in welchem Umfang die Weltkonjunktur wieder in Gang komme, drohten somit ein weiterer Verfall der Charterraten sowie ein erheblicher Anstieg der Anzahl der Schiffsauflieger. Zu dieser Einschätzung kam jetzt in Hamburg Torsten Wagner, bis zu seiner Pensionierung im Mai 2008 langjähriger Chef der Schiffsfinanzierungs-Aktivitäten der Deutsche Bank-Gruppe, Deutsche Shipping. Die Containerschiff-Sparte gehöre gemeinsam mit dem Segment trockene Massengutfahrt zu den Bereichen, die die Folgen des von der Finanzmarktkrise ausgelösten globalen Konjunktureinbruchs am deutlichsten zu spüren bekommt. So seien die Charterraten für Containerschiffe ab der zweiten Jahreshälfte 2008 „wie im Sturzflug“ in den Keller gegangen, da die Containertransportmengen dramatisch einbrachen, sagte Wagner. Dass der Containerumschlag in den weltweiten Seehäfen 2008 noch mit einem Plus von sieben Prozent auf 502 Millionen Standardcontainer (TEU) abschloss, habe einzig an den noch soliden Zuwächsen in der ersten Jahreshälfte gelegen. Während die weltweite Stellplatzkapazität auf TEU-Basis im vergangenen Jahr um elf Prozent zunahm, rechnet Wagner für 2009 mit einem Stellplatzplus von 14 Prozent – das sind rund 13,9 Millionen TEU. Das werde dann allerdings um acht bis neun Prozent über der tatsächlichen Nachfrage liegen. Als Folge der weiter zurückgehenden Seetransportmengen werde der Umfang der beschäftigungslosen Tonnage in den kommenden Monaten deutlich zunehmen. Wagner rechnet vor: „Die Zahl der Auflieger wird von derzeit rund 400 im Laufe des Jahres um 20 Prozent zunehmen.“ Auch wenn derzeit Neubauaufträge im größeren Stil wieder zurückgenommen, Ablieferungstermine nach hinten verschoben und Containerschiffe für andere Transportaufgaben umgerüstet würden, „ist eine Erholung in naher Zukunft nicht vorstellbar“. Die zweite, unter der Weltwirtschaftskrise notleidende Sparte, die Bulkschifffahrt, wird es nach Wagners Einschätzung im laufenden Jahr noch härter treffen. Wagner beschrieb die Marktentwicklung in diesem Segment für das vergangene Jahr als „regelrechte Achterbahnfahrt“. Denn 2009 würden noch einmal 600 neue Massengutschiffe in den Markt drängen und damit den bereits bestehenden Transportraumüberhang noch weiter verstärken. Bereits 2008 wurde rund 300 Neubauten mit zusammen 25 Millionen Tonnen Tragfähigkeit (tdw) in Fahrt genommen, so das zum Jahresende knapp 7000 Bulker mit rund 418 Millionen tdw auf den Weltmeeren unterwegs waren. Die Erholung der Bulkermärkte hänge ganz entscheidend davon ab, wann die weltweite Industrieproduktion wieder in Gang komme. Denn dafür würden entsprechende Rohstoffe benötigt. Ebenfalls unter dem Eindruck der weltweiten Wirtschaftskrise stehen die Tankermärkte. Die Rohöltankerflotte werde 2009 um zehn Prozent oder 30,6 Millionen tdw bzw. 240 Schiffe anwachsen. Bei den Produkttankern, mit denen beispielsweise Benzin transportiert wird, werden in diesem Jahr weitere 440 neue Schiffe mit zusammen 15 Millionen tdw in den Markt strömen. (eha)
Tanker- und Bulkschifffahrt droht 2009 erhebliche Überkapazitäten

Schifffahrtsexperte Torsten Wagner rechnet mit einem harten Jahr für viele Reedereien