Stuttgart Zehntausende demonstrieren Woche für Woche gegen den Abriss des Stuttgarter Hauptbahnhofes und die Umsetzung von Stuttgart 21. Weniger Beachtung findet hingegen der Bau der Schnellstrecke Wendlingen-Ulm. Diese Route – nach Aussage des Bundesverkehrsministeriums „ein wichtiger Bestandteil des Projektes Stuttgart 21" – verschlingt immerhin nach offiziellen Angaben 2,89 Milliarden Euro. Doch mit dem Bau dieser Strecke drohen dem Schienengüterverkehr Nachteile. Deshalb sehen viele die Neubaustrecke als ein klassisches Beispiel dafür an, welchen geringen Stellenwert der Güterverkehr in der Gesellschaft genießt, in der Politik, aber auch bei der Deutschen Bahn (DB).
Denn die Fakten sprechen dagegen, dass hier regelmäßig Güterzüge fahren. Bei einer Steigung von bis zu 31 Promille ist die Route nur für Güterzüge mit einem Maximalgewicht von 1000 Tonnen und einer Länge von 500 Metern geeignet. Unter Operateuren werden solche Züge als „sinnlos" bezeichnet, da solche Einschränkungen als unproduktiv gelten. Züge im Kombinierten Verkehr (KV) – die deutlich leichter sind als Ganzzüge beladen mit Massengut – haben nach Auskunft von DB Schenker Rail im Durchschnitt ein Bruttogewicht von 1400 Tonnen. Tendenz steigend. Infrage kämen daher nur Schnellzüge wie der Parcel Intercity der Deutschen Post. Doch davon gibt es derzeit nur zwei Züge pro Werktag. Und die verkehren zwischen Hamburg und München/Nürnberg, nicht aber zwischen Stuttgart und Ulm.
Wird hier also der Güterverkehr gegenüber dem Personenverkehr vernachlässigt? Bei der Bahn wird diese Frage verneint. „Das kann man so nicht sagen", sagt ein Bahnsprecher. „Wenn wir für einen schnellen Personenverkehr sorgen, heißt das ja nicht, dass der Güterverkehr leer ausgeht. Wir schaffen auf der bestehenden Strecke ja mehr Kapazität für den Güterverkehr." Hinzu kommt, dass grundsätzlich der Bund über die Realisierung von Aus- und Neubaustrecken entscheidet, da er auch für die Finanzierung der Neubaustrecken zuständig ist.