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Studie: Lärm schädigt Gesundheit weniger als angenommen

29.10.2015 16:46 Uhr
Studie: Lärm schädigt Gesundheit weniger als angenommen
Am schädlichsten ist laut der Studie Fluglärm
© Foto: Martin Oeser/ dapd

Nach einer Studie sind die Auswirkungen von Krach auf die Gesundheit nicht so schlimm wie angenommen. Aber aufs Gemüt schlägt Fluglärm offenbar stärker als angenommen.

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Frankfurt/Main. Permanenter Verkehrslärm verursacht einer neuen Studie zufolge insgesamt geringere Gesundheitsschäden als bisher angenommen. Der Krach von Flugzeugen, Autos und Eisenbahnen kann demnach das Risiko für Depressionen und Herzschwäche erhöhen, wirkt sich aber nicht auf den Blutdruck aus. Besonders genervt seien Menschen vom ständigen Fluglärm, berichteten die Autoren der Studie NORAH (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) am Donnerstag in Frankfurt. Wissenschaftler hatten dafür die gesundheitlichen Folgen von Flug-, Straßen- und Schienenlärm in den Regionen Stuttgart, Rhein-Main und Köln-Bonn untersucht. Frühere Untersuchungen kamen zum Teil zu schwerwiegenderen Folgen für die Gesundheit.

Fluglärm kann Depressionen verursachen

Überraschend in der neuen Studie sei der Zusammenhang zwischen Depressionen und Lärm. Das Risiko für diese Erkrankung steige mit wachsendem Lärm, den stärksten Effekt habe Fluglärm. „Das lässt uns schon aufhorchen“, sagte der Psychologe Dirk Schreckenberg vom ZEUS Zentrum für angewandte Psychologie (Hagen). Es gebe weiteren Forschungsbedarf. Das gilt nach Ansicht der Wissenschaftler auch für das Herzschwäche-Risiko, das bisher unterschätzt worden sei.

Für die NORAH-Studie hatten sich mehrere Forschungs- und Fachinstitutionen zu einem Forschungskonsortium zusammengeschlossen. Die Forscher hatten fünf Jahre lang die Folgen von Flug-, Straßen- und Schienenlärm in den Regionen Rhein-Main, Köln-Bonn und Stuttgart untersucht. In Teilstudien beschäftigten sie sich mit der Lebensqualität, dem Schlafverlauf, der Häufigkeit von Krankheiten im Rhein-Main-Gebiet und der Veränderung des Blutdrucks in Lärmgebieten.

Die Kosten der Untersuchung von knapp zehn Millionen Euro tragen das Land Hessen, Kommunen, der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport und die Luftverkehrsgesellschaften. Fraport hält wegen der „minimalen“ Auswirkungen des Fluglärms weitere Regulierungen für überflüssig.

Keine Auswirkungen auf den Blutdruck

Subjektiv fühlten sich die Menschen rund um alle untersuchten Flughäfen stark belästigt. Diese Beeinträchtigung der Lebensqualität sei sogar bei gleichbleibendem Dauerschallpegel in den vergangenen Jahren gewachsen, berichteten die Forscher verschiedener Disziplinen. Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen habe die NORAH-Studie aber keinen Effekt auf den Blutdruck nachweisen können.

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz hatten in früheren Untersuchungen festgestellt, dass ständiger Fluglärm Bluthochdruck, Herzinfarkte und Schlaganfälle auslösen kann. Die Mainzer Forscher wollen an diesem Freitag ihre Bewertung der NORAH-Studie geben. Das Umweltbundesamt sieht negative Effekte auf das Nervensystem und das hormonelle System, als Folgen gebe es Veränderungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und anderen Kreislauffaktoren.

Die NORAH-Autoren betonten, keine der früheren Untersuchungen des Effekts auf den Blutdruck sei so umfangreich wie ihre. „Es ist zurzeit die beste Aussage, die möglich ist“, sagte Thomas Eikmann (Universität Gießen), Leiter der Blutdruckstudie.

Flugfans schlafen besser als Flugverkehr-Kritiker

Positive Wirkung bescheinigen die Wissenschaftler dem Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen: Seit 2011 eine sechsstündige Ruhezeit in der Nacht eingeführt wurde, schlafen die Anwohner besser. Die Einstellung zum Flugverkehr spielt laut Studie anscheinend eine Rolle: Menschen, die der Fliegerei positiv gegenüberstehen, schlafen demnach besser als Flugverkehr-Kritiker.

Für die Studie wurde die Belastung durch Flug-, Straßen- und Schienenlärm im Raum Frankfurt für 900.000 Gebäude berechnet und zusätzlich Lärmdaten von je 2500 Anwohnern der Flughäfen Köln-Bonn und Stuttgart erhoben. Zur Belästigung wurden 29.000 Flughafen-Anwohner befragt, für die Krankheitsrisiken wurden Krankenkassendaten von rund einer Million Menschen im Rhein-Main-Gebiet ausgewertet, an der Schlafstudie nahmen rund 200 Menschen teil, an der Blutdruckstudie 844 Menschen.

Kinder lernen langsamer

Das Ergebnis der Teilstudie zur Entwicklung von Kindern ergab, dass Grundschulkinder bei ständigem Fluglärm langsamer Lesen lernen. Mindestens einen Monat länger als andere brauchen Zweitklässler dafür in Grundschulen rund um den Frankfurter Flughafen. Dieses Ergebnis wurde bereits vor einem Jahr veröffentlicht.

NORAH sei international die bislang umfangreichste Studie zu den Auswirkungen von Verkehrslärm auf Gesundheit und Lebensqualität, sagte Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsmitglied des Frankfurter Forums Flughafen und Region, das die Studie in Auftrag gegeben hatte.

Der Flughafenbetreiber Fraport wolle daran arbeiten, zu einem vertrauensvollen Umgang mit den betroffenen Menschen zurückzufinden, sagte der Chef des Unternehmens, Stefan Schulte.

Al-Wazir: Verkehrslärm nicht verharmlosen

Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hat als Konsequenz aus der Lärmwirkungsstudie NORAH weitere Anstrengungen zur Verringerung des Verkehrslärms in Hessen angekündigt. „Man darf Verkehrslärm auf keinen Fall verharmlosen“, sagte der Minister am Donnerstag in Wiesbaden. „Wir müssen die Lärmverringerung noch stärker in den Blick nehmen.“ Dabei komme es aber nicht nur auf die Politik an. Die Hersteller von Fahrzeugen, Flugzeugen und Zügen seien genauso in der Pflicht wie die Bürger mit ihrem Mobilitätsverhalten.

Die Studie habe gezeigt, dass das Problem nicht auf einzelne Verkehrsträger beschränkt sei, sondern die Lärmbelastung durch Straße, Schiene und Flugzeuge gleichermaßen reduziert werden müsse.
An einem aktiven Schallschutz gehe daher kein Weg vorbei, erklärte Al-Wazir. „Wir müssen das Übel bei der Wurzel packen.“ Dabei sei wichtig, dass nicht nur in Hessen, sondern auch im Bund und in der EU die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Lärmschutz geschaffen werden. (dpa/ks)

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