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Ursachensuche und Schuldzuweisungen nach Brückeneinsturz von Genua

20.08.2018 10:06 Uhr
Brückeneinsturz, Genua
Die Regierungsmitglieder in Italien nutzen die Trümmer der eingestürzten Brücke in Genua als eine politische Bühne
© Foto: Mauro Ujetto/NurPhoto/picture-alliance

Warum mussten Dutzende Menschen sterben, und wer ist Schuld daran? Diese Frage bewegt nach der Katastrophe von Genua ganz Italien. Doch schon gibt es politischen Streit.

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Genua/Rom. Der Einsturz der Autobahnbrücke in Genua mit mindestens 42 Toten wurde möglicherweise durch den Riss eines Tragseils verursacht. Darauf deuten erste, vorsichtige Experteneinschätzungen und Zeugenaussagen hin. Die Regierung in Rom hat derweil den Druck auf den Autobahnbetreiber verstärkt und droht mit Konsequenzen. Der offiziellen Trauerfeier am Samstag wollten viele Angehörige aus Ärger über die Regierung fern bleiben. In Krankenhäusern liegen noch zehn Verletzte, sechs von ihnen sind nach Angaben der Präfektur in kritischem Zustand.

Ein Seilriss als Unglücksursache sei „eine ernste Arbeitshypothese“, auch wenn es nach drei Tagen erst mal nur eine Hypothese sei, sagte der Professor für Stahlbetonbau an der Universität Genua, Antonio Brencich, am Freitag. Brencich gehört einer vom Verkehrsministerium eingesetzten Unfallkommission an. Die Zeitung „La Repubblica“ (Freitag) zitierte Augenzeugen, die gesehen hätten, wie die Spannseile nachgaben. Das in Rom erscheinende Blatt berichtete außerdem, dass eine Studie des Polytechnikums Mailand schon 2017 Schwächen an den Seilen entdeckt habe.

Der vierspurige, etwa 1200 Meter lange Polcevera-Viadukt setzt sich aus drei Einzelbrücken zusammen, von denen eine am vergangenen Dienstag einstürzte. Die von den Pylonen zum Fahrbahnträger reichenden Stahlseile sind in eine Betonummantelung eingeschlossen. Diese soll vor Korrosion schützen.

Heftige Kritik von der Regierung

Das italienische Verkehrsministerium leitete eine Untersuchung der privaten Betreibergesellschaft Autostrade per l'Italia ein. Sie forderte sie am Donnerstagabend auf, binnen 15 Tagen nachzuweisen, dass sie all ihren Instandhaltungspflichten nachgekommen sei. Die Gesellschaft müsse außerdem bestätigen, dass sie den Viadukt auf eigene Kosten vollständig wiederaufbauen werde. Der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, und Verkehrsstaatssekretär Edoardo Rixi erklärten laut der Nachrichtenagentur „Ansa“, Genua werde schon nächstes Jahr eine neue Autobahnbrücke haben. „Die Gesellschaft Autostrade wird sie bezahlen. Wer sie baut, werden wir abwägen“, sagte Rixi.

Italiens Arbeitsminister und Vize-Premier Lugi di Maio drohte am Freitag der Autobahngesellschaft zum wiederholten Male mit Lizenzentzug. Es gebe einen „sicheren politischen Willen“ dazu. „Diese Leute machen so weiter, Maut zahlen zu lassen, ohne eine ordentliche und außerordentliche Instandhaltung zu leisten, und jetzt ist es Zeit, basta zu sagen“, polterte der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung. Di Maios Koalitionspartner, der Chef der rechten Lega-Partei und Innenminister Matteo Salvini, zeigte sich gemäßigter. „Über Konzessionen, Strafen und Spitzfindigkeiten reden wir von kommende Woche an“, zitierte ihn „Ansa“.

Benevento sperrt eine Morandi-Brücke

Italienische Einsatzkräfte bargen am späten Donnerstagabend die auf den Resten der Brücke noch stehenden Fahrzeuge. Darunter war auch der grüne Lastwagen, dessen Fahrer bei der Katastrophe am Dienstag wenige Meter vor der Abbruchstelle bremsen konnte.

Die süditalienische Stadt Benevento sperrte als Konsequenz aus dem Genua-Unglück eine ihrer Brücken für den Verkehr. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, die möglicherweise zu Staus führen könne, schrieb Bürgermeister Clemente Mastella bei Facebook. Doch die Brücke werde erst wieder öffnen, wenn ein Expertenteam ihre Stabilität geprüft habe. Wie das am Dienstag in Genua eingestürzte Viadukt ist auch die in den 50er Jahren erbaute San-Nicola-Brücke in Benevento das Werk des Ingenieurs Riccardo Morandi (1902-1989). Auch andere Städte in Italien haben Prüfungen von Morandi-Brücken angekündigt, darunter Rom, Florenz und Agrigent auf Sizilien. (dpa/ag)

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