Neuerungen im UK-Geschäft: Großbritannien: neue Erschwernisse

"Der Brexit zum Jahreswechsel 2021 brachte massive Veränderungen mit sich - und zwar für alle Akteure im Warenverkehr", sagt Clare Capstick-Dale. Sie ist Vice President der UPS-Tochter Coyote Logistics, eines Anbieters von Supply-Chain-Lösungen, der Verlader und Spediteure zusammenbringt. Capstick-Dale weiß, wovon sie spricht. Schon vor dem Brexit organisierte sie für Coyote viele Jahre lang Cross-Channel-Sendungen von der EU nach Großbritannien und umgekehrt. "Und die Veränderungen durch den Brexit sind noch nicht vorbei. Die eigentliche Herausforderung kommt erst in diesem Jahr", betont sie. Maßgeblicher Grund dafür ist: Die vereinfachte Einfuhr an der britischen Grenze, mit der in 2021 die Versender bis zu sechs Monate Zeit hatten, ihre Einfuhren in UK anzumelden, ist seit 1. Januar 2022 nicht mehr möglich. Sprich: seit Jahresanfang müssen die Waren bereits zum Zeitpunkt der Einfuhr verzollt werden. Zusätzlich muss die Zollanmeldung im GVMS-Tool (Goods Vehicle Movement Service) des britischen Zolls registriert werden. "Das macht den Aufwand für uns viel größer. Wir haben daher viel Zeit und Mühe investiert, um unsere Mitarbeiter und unser Speditionsnetzwerk in den neuen Verfahren zu schulen", betont die Coyote-Managerin. Ab 2022 ein Muss: britische EORI-Nummer Wichtiger Punkt für deutsche Logistikunternehmen, die nach Großbritannien importieren, ist laut Capstick-Dale auch, dass die deutsche EORI-Nummer seit 1.Januar 2022 nicht mehr reicht. Sprich: Für eine ordnungsgemäße GVMS-Registrierung benötigen sie eine spezielle britische EORI-Nummer und dann ein Log-in der britischen Regierung. "Die Beantragung ist ja schnell erledigt, normalerweise in wenigen Stunden. Allerdings kann sie auch bis zu drei Arbeitstage dauern", sagt Capstick-Dale. Um Verzögerungen zu vermeiden, müssten die Betriebe also gut vorbereitet sein und alle Regeln befolgen. Denn ab diesem Jahr gebe es keine Ausnahmen mehr. Erheblicher zeitlicher Mehraufwand "Großbritannien ist für uns seit vielen Jahren und trotz des Brexit ein sehr bedeutender Markt", sagt Jessica Kügler, Geschäftsführerin der Navis Hannover GmbH (siehe Kasten unten). Innerhalb der Navis-Unternehmensgruppe ist die Niederlassung in Hannover federführend in der Abwicklung von Transporten von und nach Großbritannien (GB). Kügler hofft, dass das Geschäftsvolumen seine Bedeutung beibehält. Denn angesichts der neuen britischen Zollregelungen, die seit 1. Januar 2022 gelten, ist mit erheblichen Verzögerungen im Güterverkehr von und nach GB zu rechnen. Das neue Goods Vehicle Movement Service (GVMS) der britischen Regierung betrachtet Kügler mit Sorge. Künftig muss für jeden Transport eine GMR-Nummer im GVMS-System beantragt werden. Es ist davon auszugehen, dass dies für die Spediteure vor allem im Teilladungs- und Stückgutbereich einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand mit sich bringen wird, da für jede einzelne Sendung Daten im GVMS-System hinterlegt werden müssen. Hintergrund für das alles ist: Großbritannien ist durch den Brexit zum Drittland geworden. Für jede Sendung, die aus Deutschland nach England transportiert wird, muss deshalb nun - und das ist zum 1. Januar 2022 neu - eine GMR-Nummer im GVMS-System erstellt werden. Die Waren müssen somit schon vor "Erreichen" des britischen Bodens oder aber vor Verschiffung verzollt sein. Bis zum Jahreswechsel gab es noch Übergangsregelungen, sodass durch vereinfachte Verfahren die Ware noch binnen sechs Monaten nach der Einfuhr in GB verzollt werden konnte. Gute Nachricht ist immerhin: Während viele Speditionen dem DSLV zufolge darunter leiden, dass englische Versender nach wie vor an der Lieferklausel DDP - "geliefert verzollt" - festhalten, kann Kügler für Navis sagen: "Nahezu alle Kunden in Deutschland, für die wir Importe aus GB abwickeln, akzeptieren bei uns die Lieferklausel EXW oder DAP, sodass wir nach erteilter Zollvollmacht durch den deutschen Empfänger eine reibungslose Einfuhrverzollung und Zustellung vornehmen können." Die Problematik bei DDP-Lieferungen in die EU ist, dass der Großbritannien-Exporteur für die Zollabfertigung in der EU verantwortlich ist, diese jedoch nicht selbst vornehmen kann, da er nicht in der EU ansässig ist. Agiert ein deutscher Zollspediteur als indirekter Vertreter für den Großbritannien-Verkäufer, ist der Spediteur Zollanmelder und haftet für alle zollrechtlichen Verpflichtungen. In Kürze Mit dem Ausstieg von Großbritannien aus der EU ist der Warenverkehr deutlich aufwendiger geworden. Zum 1. Januar 2022 wurde das Ganze noch schwieriger, denn die vereinfachte Einfuhr an der britischen Grenze ist nun nicht mehr möglich. Was diese Neuerungen für Spediteure bedeuten. Interview mit Niels Beuck, Geschäftsführer beim DSLV, Berlin "UK wird zunehmend ein Geschäft für Spezialisten" Seit 1.Januar 2022 gibt es in Großbritannien kein vereinfachtes Einfuhrverfahren mehr für bestimmte Waren aus der EU. Was ändert sich damit im grenzüberschreitenden Warenverkehr aus der EU nach UK? Bislang musste ein Spediteur für die Verzollung solcher Waren spätestens sechs Monate nach Einfuhr der Ware die dafür erforderlichen Daten an die britischen Zollbehörden übermittelt haben. Zum !. Januar 2022 lief diese Sechs-Monats-Frist aus. Sprich: Seit dem 1. Januar müssen alle Daten und Dokumente zur Ware schon bei Grenzübertritt in UK beim britischen Zoll vorliegen.Was ändert sich für Transporteure und Spediteure dadurch nun konkret?Seit 1. Januar 2022 muss man nun alle Transporte beim Goods Vehicle Movement Service (GVMS) des britischen Zolls registrieren und dort die erforderlichen Daten zur Ware übermitteln, also etwa Produktname, Herkunftsland, Bestimmungsland, die britische EORI-Nummer sowie die Ursprungszeugnisse für Produkte pflanzlichen und tierischen Ursprungs. Vorher war eine Anmeldung über das GVMS nur im Rahmen des Common Transit Procedure oder für Transit Transporte notwendig. Und seit dem 1. Juli 2022 müssen sie noch sogenannte Safety- und Security-Declarations (Vorabanmeldungen) abgeben, wie etwa die sogenannten Entry Summary Declarations (ENS) beziehungsweise summarischen Eingangsanmeldungen.Klingt aufreibend: Wie wirkt sich der Brexit auf die deutschen Spediteure aus?Das Sendungsvolumen hat dadurch für diese deutlich abgenommen. Zusätzlich stiegen die Kosten deutlich durch den massiven Fahrer- und Zollagentenmangel sowie bürokratischen Mehraufwand in diesem Geschäft. Mit der Folge, dass etliche Firmen, die vorher nur sporadisch Verkehre nach GB hatten, aus diesem Geschäft ausgestiegen sind. UK wir zunehmend ein Geschäft für Spezialisten. eh Interview mit Jessica Kügler, Geschäftsführerin Navis Hannover GmbH, Hannover Wie wirken sich die Neuerungen auf die Sendungs-Laufzeiten aus? Zum 1. Januar 2022 gelten neue Regelungen für Waren aus der EU nach Großbritannien - Stichwort Goods Vehicle Movement Service (GVMS). Wird dies reibungslos funktionieren, oder befürchten Sie an den Außengrenzen lange Warteschlangen?Leider befürchten wir Letzteres. Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen seit dem Brexit 2021 gehen wir davon aus, dass es speziell bei Teilladungen und im Sammelverladungsverkehr in der Anfangsphase zu Verzögerungen in der Zustellung in Großbritannien (GB) kommen wird. Denn jede Sendung muss quasi im „Voraus“ verzollt sein und in aller Regel hat jeder Empfänger in GB seinen eigenen Customs Broker. Wie wirkt sich das auf Ihre Laufzeiten im Sammelgutgeschäft nach England aus?Welche Auswirkungen GVMS auf die Laufzeiten haben wird, können wir erst nach einer ersten Erfahrungsphase genauer abschätzen. Wir empfehlen unseren Kunden, im Teil- und Sammelladungsverkehr zu Beginn eine etwas längere Transitzeit einzuplanen.Wie weiß eigentlich ein Lkw-Fahrer, ob er nun auf britischer Seite weiterfahren darf oder dort stehen bleiben muss?Während der Überfahrt auf den Fährschiffen oder im Eurotunnel wird der Fahrer über einen Bildschirm informiert, ob er mit dem Lkw bei Ankunft in GB weiterfahren darf oder zu einer Zollinspektion an die „Inland Border Facilities“ weitergeleitet wird.Erste Staus sind damit also bereits wieder vorprogrammiert. Wie "schädlich" ist das angesichts des aktuellen Fahrermangels?Extrem ungünstig. Der eklatante Fahrermangel speziell im Bereich der GB-Verkehre bereitet dem gesamten Transportgewerbe ja seit Langem große Sorgen und wird 2022 aufgrund der zu erwartenden Probleme mit der Lkw-Abfertigung in GB sicherlich noch brisanter. eh

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