München. Wer an Ausschreibungen für Kontraktlogistikleistungen teilnimmt, musste beim Automobilhersteller BMW bisher vor allem mit Kostenbewusstsein und Servicequalität überzeugen. Jetzt kommt ein weiteres Kriterium hinzu. „Bei wettbewerbsfähigen Angeboten, die innerhalb unserer Werke erbracht werden, erhalten in Zukunft diejenigen Dienstleister den Vorrang, die einen Haustarif mit der IG Metall abgeschlossen haben“, verkündete kürzlich BMW-Sprecher Jochen Frey.
Anforderung gilt nur für Services auf dem Werksgelände
Der Autokonzern stört sich nicht daran, dass erst eine Handvoll Logistikdienstleister diese Anforderung erfüllen. „Wir wollen weitere Unternehmen zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft motivieren“, sagt Frey.
Damit hat mit BMW sich erstmals ein prominenter Industriekonzern für die IG Metall als Tarifvertragspartner seiner logistischen Dienstleister stark gemacht. Allerdings schränkt der Autobauer seine Aussagen auf diejenigen Services ein, die auf dem Werksgelände des Konzerns erbracht werden. Und er sichert schon mal vorsorglich zu, dass er nicht in laufende Tarifverhandlungen eingreifen wird. Alles andere wäre ein klarer Verstoß gegen die Tarifautonomie, die jedes Unternehmen genießt.
Trotzdem bedauert der Arbeitgeberverband Spedition und Logistik (ASL) den Vorstoß. „Die IG Metall geht mit falschen Branchenvorstellungen in die Tarifverhandlungen“ kritisiert ASL-Geschäftsführer Andreas Stommel. „Verdi kennt sich in der Logistiklandschaft einfach besser aus.“ Stommel reagiert auch deshalb so abweisend, weil die IG Metall weitere Tarifverhandlungen in Angriff nehmen will. Gegenwärtig führt die Gewerkschaft Sondierungsgespräche mit Automobillogistikunternehmen in Niederbayern und Stuttgart.
Für Verdi wächst damit eine neue Konkurrenz in einem Feld, das bisher vor allem von der Dienstleistungsgewerkschaft beackert wurde. „Wir streben einen Flächentarifvertrag für alle Unternehmen an, die produktionsnahe Dienstleistungen erbringen und somit zu den Wertschöpfungsketten der Automobilindustrie gehören“, sagte der heutige IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel bereits 2012 in einem VerkehrsRundschau-Interview.
Dass sich durch die tendenziell höheren Löhne nach Metall-Tarif der Kostenvorteil der Logistikdienstleister erledigt hat, glaubt Professor Stefan Sell von der Hochschule Koblenz vorerst nicht: „Das ist derzeit noch nicht abzusehen", glaubt der Tarifexperte. Zunächst sei es ein Erfolg der IG Metall, mit ihrer Organisation tariflose Parallelwelten zu erschließen. Die Tarifverträge seien nur der Einstieg in eine schrittweise Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Belegschaft. Am Ende könne eine Angleichung der Löhne von Kern- und Randbelegschaften stehen. Möglich sei aber auch eine Auffächerung der IG-Metall-Tarifwelt mit ganz unterschiedlichen Niveaus und Strukturen. Das würde eine Verteuerung im Bereich der Kontraktlogistik begrenzen. (bot/diwi)
Ein ausführlicher Beitrag zur Konkurrenz der Gewrschaften IG Metall und Verdi bei industrienahen Dienstleistungen erscheint in Ausgabe 22 der VerkehrsRundschau am 29. Mai 2015. Online- und Premium-Abonnenten der VerkehrsRundschau können den Beitrag bereits ab Donnerstag 16:30 Uhr online als E-Paper lesen.