Emissionsfreie Transporte in der Kühllogistik

Die Kühllogistik-Branche steht unter Strom. Elektrische Antriebe sollen bei temperaturgeführten Transporten mit schweren Nutzfahrzeugen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Vollelektrisch angetriebene und damit motorlose Modelle lassen sich entweder über einen Generator am Lkw-Motor, eine Batterie oder ein landgebundenes Stromkabel mit Energie versorgen. In Verbindung mit einer E-Zugmaschine ist ein lokal CO2- und emissionsfreier Transport möglich. Für elektrisch angetriebene Kühlaggregate sprechen zudem die hohe Energieeffizienz sowie das geringe Geräusch- und Vibrationsniveau. Wer diese Vorteile nutzen möchte, profitiert inzwischen von einer umfangreichen Auswahl an motorlosen Stirnwandgeräten für Auflieger und Motorwagen sowie an Unterflurgeräten. Thermo King etwa verweist auf das Trailer-Stirnwandgerät A500e aus der Advancer-Serie sowie auf das Modell FK2 für Motorwagen-Aufbauten vom Schwesterunternehmen Frigoblock. Carrier Transicold liefert mit Vector eCool 1550 E und 1950 E MT (Multitemp) motorlose Stirnwandgeräte für Auflieger sowie mit den Baureihen Iceland und Syberia elektrohydraulische Unterflurlösungen für Lkw. Schmitz Cargobull (SCB) wiederum bietet das eigene Kühlaggregat als vollelektrische Ausführung S.CU ep85 an. Die Leistungsfähigkeit der motorlosen Maschine steht dem Dieselpendant nicht nach und entspricht in etwa dem Wettbewerbsniveau. In der Regel beeinflussen individuelle Erfahrungen mit Vertriebs- und Servicenetz sowie Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Effizienz des jeweiligen Aggregats die Markenpräferenz. Das Besondere im Falle von SCB: Der Fahrzeugbauer bietet mit dem S.KOe Cool einen vollelektrischen Kühler aus einer Hand an. Das umfasst neben Aufbau und Kühlmaschine auch Batteriepack, Leistungselektronik und eine Rekuperationsachse. Krone ist bei konventionell angetriebenen Anlagen in der Lage, Kunden aus einer Hand zu beliefern. Im Falle des eCool Liner nutzt der Fahrzeugbauer aber wie Kögel auch die Gesamtsysteme von Thermo King/BPW oder von Carrier/SAF-Holland. Zusätzlich verweist Krone auf die Möglichkeit, auf die E-Achse aus dem Projekt mit Startup Trailer Dynamics zurückzugreifen. Knackpunkt: hohe Kosten Die Entwicklungs-Partnerschaften sollen die Kompetenz für das Gesamtsystem gewährleisten. Bei allen Systemen gewinnt ein Generator an der Achse Bewegungsenergie zurück und speichert diese als elektrischen Strom in einer Batterie, um sie bedarfsgerecht an die Kühlmaschine abzugeben. Ob diese Gesamtsysteme sich aber durchsetzen, scheint noch fraglich. "Zu hohe Kosten gemessen am Energieertrag", urteilt beispielsweise Matthias Strehl, Geschäftsführer von Meyer Logistik (ML). "Das gilt zumindest für unsere Einsätze im Nah- und Regionalverkehr", sagt Strehl. Den Strom solle die Transportkälte-Maschine besser aus der Traktionsbatterie einer elektrisch angetriebenen Zugmaschine beziehen. ML erprobt drei Hyundai Xcient mit Carrier-Syberia-Anlagen mit Ein- und Mehrkammeraufbau. Sein Kollege Jürgen Jacobi, Director Cargo bei Meyer Quick Service Logistics (QSL), sieht wiederum im Fernverkehr keine wirtschaftlich sinnvolle Einsatzmöglichkeit. Auch Dieter Brugger, Geschäftsleitung von Lamberet Deutschland, kommentiert: "Gerade wegen der hohen Kosten bewegt sich die Nachfrage nach elektrifizierten Kühlern auf sehr niedrigem Niveau." Christian Meyer, Vertriebsleiter DACH bei Mitsubishi Thermal Transport Europe (MTTE), bestätigt: "Die Kunden bemängeln hohe Anschaffungskosten, höhere Wartungs- und Reparaturkosten, höheren Reifenverschleiß, höheres Ausfallrisiko sowie einen höheren Kraftstoffverbrauch." Die favorisierte Lösung der MTTE-Kunden sei mittels PV-Anlage selbst erzeugter grüner Strom, ein entsprechend dimensioniertes Batteriepaket und eine energiesparende Kühlmaschine. Diese Lösung biete MTTE mit dem Auflieger-Gerät TFV150e einschließlich Batteriepaketen von 30 bis 100 kWh Kapazität. Damit können demnach Betriebszeiten von mehreren Tagen erreicht werden. Eine weitere Lösung ist die direkt elektrisch angetriebene TEJ-Serie für Lkw. Erhebliches Einsparpotenzial Die Anbieter der Systeme sehen das naturgemäß anders, auch wenn sie bei Verbrauchsversprechen vorsichtig sind, da diese vom jeweiligen Einsatz- und Streckenprofil abhängen. Ob Carrier, Thermo King oder SCB: Alle drei verweisen darauf, dass die emissionsfreie Lieferung und kommende CO2-Auflagen für Trailer für die Investitionsentscheidung wichtiger seien als der sogenannte "Return on Invest". Jorge Estelle Caro, Vertriebsdirektor für die Region DACH bei Thermo King, geht davon aus, dass sich erhebliche CO2-Einsparungen erzielen lassen: "Etwa 90 Tonnen innerhalb von sieben Jahren." Der Einfluss der Rekuperationsachse auf den Kraftstoffverbrauch der Zugmaschine sei gering, erklärt er. Kundentests von SCB hätten gezeigt, dass sich pro Jahr und je Fahrzeug 2500 Liter Diesel und bis zu 40 Prozent der Kosten beim ausschließlichen Laden der Batterie am Netz beziehungsweise bis zu 30 Prozent der Kosten beim Laden nur via Generatorachse einsparen ließen. Schlussendlich werde die CO2-Gesetzgebung die Nachfrage nach E-Kühlern beeinflussen, geben SCB und Kögel zu Protokoll. Es gehe darüber hinaus ums Geschäftsmodell. SCB erwartet schon 2025 innerstädtische Null-Emissions-Zonen, wo nur noch lokal emissionsfreie Nutzfahrzeuge anliefern dürfen. Noch gibt es diese hierzulande aber ebenso wenig wie Vorschriften für höchstzulässige Geräuschemissionen. Eine Ausnahme im Reigen der Befürworter motorloser Transportkälte-Maschinen bildet Daikin. Dem 2022 präsentierten, motorlosen Exigo Electric verwehrte Daikin den Serienstart. Man wolle kein Reichweiten- oder Autonomie-Risiko eingehen und setze auf eine Plug-in-Hybrid-Lösung. Diese will Daikin bis zur zweiten Jahreshälfte 2024 einführen. Solche hybriden Aggregate halten auch die anderen Hersteller vor. Unerlässliche Partnerschaften Auch im Bereich der Konnektivität spielen Partnerschaften eine Rolle. Eine optimale Tourenplanung, Verbesserung der Auslastung, vorausschauende Planung von Servicearbeiten und vor allem das Vermeiden von ungeplanten Standzeiten soll die Effizienz pushen. "Proaktive Serviceangebote können Warenschäden vermeiden, weil der Kunde frühzeitig auf Veränderungen beim Verhalten der Kühlmaschine reagieren kann", bestätigt Meyer von MTTE. "Mit Predictive Maintenance wertet TrailerConnect neben aktuellen Telematik- und Kühlgerätedaten auch die historischen Wartungs- und Reparaturdaten mithilfe Künstlicher Intelligenz aus." Dadurch erhalten Kunden spezifische Vorhersagen über den künftigen Wartungs- und Reparaturbedarf, können Werkstatt-Termine effizienter planen und die Verfügbarkeit des Kühlgeräts maximieren, heißt es bei SCB. Thermo King arbeitet einmal mehr im Schulterschluss mit BPW und Telematik-Tochter Idem an der Optimierung der Konnektivität - zumindest im Falle von Fahrzeugen mit AxlePower. Die Lösung TracKing E-Vision soll dem Kunden Einblicke in die Leistung des elektrischen Systems in Kombination mit der Thermo-King-Kältemaschine sowie in Trailer-EBS und die Reifendruck-Kontrolle TPMS gewährleisten. Von dieser Anwendung abgesehen bezieht Thermo King die Scalar-Technologie von ZF, um die Daten aus der Kühlmaschine und nun auch dem Trailer einschließlich EBS- und TPMS-Informationen aller EBS-Anbieter über die Telematikplattform TracKing etwa für Serviceplanung, Fernüberwachung und Effizienz-Optimierung zu nutzen sowie um ungeplante Ausfälle zu vermeiden. Lamberet nutzt die Digitalisierung, um den Bedienkomfort zu steigern. So ist es nun möglich, über die Lamberet-App bestimmte Aufbau-Funktionen wie Hecköffnung und die Temperaturüberwachung per Sprache zu steuern. Einfluss der Kältemittel So innovativ die Transportkälte-Spezialisten bei Elektrifizierung und Digitalisierung vorangehen - nach wie vor nutzen sie ausschließlich sogenannte F-Gase R452A und R410A als Kältemittel, die einen GWP (Messwert der Erderwärmungswirkung) von über 2000 aufweisen. In der Regel sind die Kältemittel-Kreisläufe von Transportkälte-Anlagen nicht vollhermetisch ausgeführt, sodass stetig kleine Mengen F-Gase entweichen. Laut Ecooltec gelangen dadurch bei üblichen Füllmengen von Aufliegergeräten immerhin knapp vier Tonnen CO2-Äquivalent pro Trailer in die Atmosphäre. Bislang ist Ecooltec in Europa im schweren Segment der einzige Anbieter einer rein elektrisch angetriebenen Kühlmaschine, die ausschließlich die natürlichen Kältemittel Propen (R1270) und CO2 (R740) mit einem GWP von weniger als drei verwendet. "Zwar ist Propen brennbar, da es aber nur in einem vollhermetischen Kreislauf außerhalb des Aufliegers zum Einsatz kommt, würde es sich im Falle einer Beschädigung des KältemittelKreislaufs sofort verflüchtigen", erklärt Jürgen Süß, CTO des Unternehmens. Außerdem würden sich Kohlenwasserstoffe durch eine hohe Energieeffizienz des Kälteprozesses auszeichnen und auch eine gute Verfügbarkeit zu einem wettbewerbsfähigen Preis bieten. Im Gegensatz dazu werde die durch die F-Gase-Verordnung vorgeschriebene zunehmende Verknappung "künstlicher" Kältemittel bis zu ihrem Anwendungsverbot ab 2050 wegen der hohen GWP-Werte immer teurer. Niklas Kiesling: Gerüstet für Transporte von morgen VR: Kiesling Fahrzeugbau feierte vergangenes Jahr 50. Geburtstag. Gleichzeitig haben Sie, als dritte Generation im Familienunternehmen, die Geschäftsführung übernommen. Was ist Ihre Vision? NK: Meine Vision ist es, die Kühltransportbranche von morgen zu gestalten. Die Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, Vertrieb und Service einfacher zu gestalten. Beispielsweise finden Werkstätten und Kunden online schnell Ersatzteile und mit unserem Produkt-Konfigurator können sie mit wenigen Klicks ein Fahrzeug-Angebot erhalten. Diese Angebote werden wir weiter ausbauen. Im Bereich der Elektrifizierung der Fahrzeuge haben wir 2023 mehr als 30 E-Lkw aufgebaut. Damit sind wir Vorreiter und haben viel Kompetenz im Bereich der elektrischen Kühlung erworben. 2023 erfolgte am Werk auch der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Lkw und E-Pkw sowie die Investition in einen Stromspeicher. In Zusammenspiel mit PV-Anlagen produzieren wir klimaneutral nach Scope 1 und Scope 2. Der TÜV bescheinigt Kiesling eine Recyclingquote von 85 Prozent sowie eine Wiederverwertungsquote von 95 Prozent für die FIP-Aufbaupaneele. Bislang wirbt nur Kiesling mit recyclingfähigen Aufbaupaneelen. Wie reagieren die Kunden darauf? Unsere Kunden schätzen unsere Produkte aufgrund der Nachhaltigkeit. Unsere FIP-Aufbauten (Fully-Integrated-Panel-Aufbauten) werden nach einem eigenen Verfahren hergestellt, bei dem die Metalldeckschichtplatten ineinander ausreißsicher verzahnt sind. Der Verzicht auf Verklebung ermöglicht das Trennen der Materialien und somit das Recyceln der Paneele. Welche Rolle nimmt der bisherige Geschäftsführer Peter Kiesling künftig ein? Er steht weiterhin als Vertriebsleiter zur Verfügung. Seine Erfahrung ist für das gesamte Unternehmen weiterhin von sehr großem Wert. Die Zusammenarbeit funktioniert hier generationenübergreifend hervorragend. Thomas Rosenberger

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