Berlin. Noch rollen alle Züge in Deutschland, doch in sechs Wochen sieht das vielleicht schon ganz anders aus. Am Horizont zeichnet sich bei den Eisenbahnunternehmen ein Tarifkonflikt ab, der in einen Streik münden könnte. Die drei Bahngewerkschaften Transnet, GDBA und GDL machen mobil. Sie fordern einen Branchentarifvertrag, der die Konkurrenten der Deutschen Bahn (DB) zu gleichen Bedingungen verpflichten würde, wie sie beim bundeseigenen Konzern gelten.
„Wenn es bis zum 1. August keine Ergebnisse gibt, werden wir in Arbeitskämpfe gezwungen", polterte der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, in der „Süddeutschen Zeitung". Weselsky ist der Mann, der beim zermürbenden Arbeitskampf vor mehr als zwei Jahren eine mitentscheidende Rolle spielte. Als damaliger GDL-Vize stand er an der Seite des knorrigen Vorsitzenden Manfred Schell - und galt von den beiden als der Kompromisslosere, als derjenige, der den gesonderten Tarifvertrag für die Lokführer letztlich durchboxte.
Nun ist es wieder so, dass die drei Gewerkschaften nicht an einem Strang ziehen, sondern getrennt auftreten, was die Sache kompliziert macht. Denn damit droht erneut ein Alleingang der streikerprobten Lokführervertretung. Als Einkommensforderung beschloss die GDL am Donnerstag fünf Prozent, als Ziel gab sie aus: „Gleiches Lohnniveau für alle Lokomotivführer in Deutschland."
Güterverkehr vorerst aussen vor
Transnet und GDBA streben gleiches Lohnniveau auch für die anderen Beschäftigen von Eisenbahnunternehmen an, zunächst beschränken sie sich aber auch den regionalen Personenverkehr, lassen Fern- und Güterverkehr also erst einmal außen vor. Für die nächste Lohnrunde liegt seit März ein Forderungspaket im Volumen von sechs Prozent vor.
Für die Rivalen der Deutschen Bahn würde eine Angleichung an deren Niveau üppige Lohnerhöhungen bedeuten, verdienen ihre Mitarbeiter doch bislang bis zu 30 Prozent weniger als die der DB. Bei Ausschreibungen, die inzwischen im Nahverkehr üblich sind, zieht die Bahn deshalb des öfteren den Kürzeren. Sie kann schlichtweg preislich nicht mithalten.
Gegenmaßnahme: Tochtergesellschaften
Als Gegenmaßnahme hat die Bahn eine ganze Reihe von Tochtergesellschaften gegründet, die außerhalb des Konzerntarifvertrages operieren und weniger an ihre Leute zahlen. Das wiederum hat die Gewerkschaften auf den Plan gerufen, die nunmehr Lohndumping auch bei der DB beklagen.
Sie sehen den Branchentarifvertrag als das Mittel, aus diesem Teufelskreis aussteigen zu können. „Wir wollen Wettbewerb über das Lohnniveau verhindern", sagte Transnet-Sprecher Michael Klein. Bei den bisherigen Verhandlungen hätten die Privatbahnen aber keine Bereitschaft erkennen lassen, einen Tarifvertrag auf dem Niveau der Bahntochter DB Regio abzuschließen. Deshalb drohen auch die beiden großen Gewerkschaften, die im Dezember fusionieren wollen, mit einem Arbeitskampf. (dpa)