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Auch Software muss geprüft werden

10.11.2017 14:08 Uhr
HU
Den „Autopiloten“ kann man nicht nur im Flugzeug, sondern längst auch auf unseren Straßen, im Pkw und im Lkw, einschalten  
© Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Bis 2018 muss die europäische Richtlinie zur periodischen Fahrzeugüberwachung 2014/45/EU umgesetzt sein. Sie bringt vor allem Neuerungen beim Qualitäts­management. Künftig wird sich noch mehr ändern.

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Der technologische Wandel im Fahrzeugbau ist rasant. Der Einsatz intelligenter Fahrerassistenzsysteme, die Zunahme elektronischer Bauteile und die Verbindung der Fahrzeuge mit dem Internet bei weiter steigenden Umweltauflagen wirken sich auch auf die zukünftigen Inhalte der Hauptuntersuchung aus. Mit der neuen PTI-Richtlinie 2014/45/EU (PTI = Periodical Technical Inspection) werden die Vorschriften für die technischen Untersuchungen in Europa weiter harmonisiert.

So ist jetzt die Verwendung der elektronischen Fahrzeugschnittstelle explizit aufgeführt, in Deutschland schon seit 2015 mit der Nutzung des HU-Adapters Standard bei der Hauptuntersuchung. Mit der Umsetzung der neuen PTI-Richtlinie ist unter anderem auch die Prüfung von sicherheitsrelevanten Fahrzeugsystemen oder die Wiedereinführung der Abgasmessung am Endrohr vorgesehen. Die PTI-Richtlinie muss bis 2018 umgesetzt sein, bereits zum Mai 2017 hätte eigentlich die daraus abgeleitete und in nationales Recht übertragene Fahrzeuguntersuchungsverordnung (FUV) veröffentlicht werden müssen. Allerdings scheiterte dies an Einsprüchen des Bundeswirtschafts­ministeriums, weil es noch Abstimmungsbedarf beim Thema Endrohrmessung sieht. Das führt zu Verzögerungen, aber laut Philip Puls, Leiter der technischen Prüfstelle für den Kfz-Verkehr in Bayern bei TÜV SÜD, kann sie sogar früher umgesetzt werden als vorgeschrieben: „Die aktive Umsetzung der FUV muss bis spätestens 2020 erfolgen, in Deutschland können wir das um zwei Jahre auf 2018 vorziehen, weil wir keine langen Übergangsfristen brauchen.“

Neuer Name – ähnlicher Inhalt

Der Grund: In der Durchführung wird sich die neue HU für den Fahrzeughalter nicht wesentlich von der alten unterscheiden, außer dass die verbindliche Endrohrmessung mit aufgenommen wird. Viele andere Punkte wie die Prüfung elektronisch geregelter Systeme und die OBD-Schnittstellennutzung werden in Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Staaten bereits durchgeführt. „Tatsächlich gibt es für uns in Deutschland keine großen Veränderungen in der Praxis. Das Kind bekommt einen anderen Namen“, so Puls.

Die FUV selbst wird ein Sammelwerk aller Vorschriften in Deutschland sein, die sich derzeit mit der Hauptuntersuchung beschäftigen, das heißt: Man zieht aus der StVZO die entsprechenden Paragrafen zusammen mitsamt Anlagen als auch aus der Fahrzeugzulassungsverordnung und weiteren Vorschriften und baut daraus eine komplette FUV.

Zentrale Datenbank

Ein Novum gibt es trotzdem: Das EU-Konzept des akkreditierten Bereichs. Im Dreigestirn Gerätehersteller, Nutzer und neutraler Überwacher von Prüfgeräten müssen alle drei Parteien gegenüber der Akkreditierungsstelle (DAkkS) nachweisen, dass jeder Beteiligte praktisch, administrativ als auch rechtlich in der Lage ist, seine Aufgabe regelkonform durchzuführen. Eine Akkreditierung für Überwachungsorganisationen beinhaltet auch den Nachweis der „messtechnischen Rückführung“ der Kalibrierung von Messgeräten. Das heißt, Messergebnisse müssen immer auf einen verbindlichen Standard rückführbar sein. So soll die Richtigkeit von Messergebnissen sichergestellt werden.

Alle Messeinrichtungen und -geräte, die in den Prüfstützpunkten oder von anerkannten Werkstätten bei der HU verwendet werden, müssen künftig in einer zentralen Datenbank erfasst werden. Das soll durch die zentrale PSP- (Prüfstützpunkte) Datenbank beim Zentralverband  Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) geleistet werden. Stand heute muss die Werkstatt schon einen Vertrag mit einer Überwachungsorganisation schließen. Dabei legt sie auch vor, dass die Bremsenprüfstände und Scheinwerfereinstellgeräte stückgeprüft sind, dass sie selbst ihre AU durchführen und ein geeichtes Gerät vorweisen kann, sowie die Nennung bei der Innung als AU-durchführende Werkstatt. Dies alles wird jetzt in die zentrale Datenbank überführt, die derzeit unter Federführung des ZDK bzw. des Bundesinnungsverbandes (BIV) aufgebaut wird.

Sie dient laut Neofitos Arathymos, Leiter der Abteilung Technik, Sicherheit und Umwelt beim ZDK, vor allem der Qualitätssicherung bei der technischen Fahrzeugüberwachung.

Das QS-System muss belegt sein

Bereits jetzt, vor der Veröffentlichung der FUV, müssen die Überwachungsorganisationen im Zusammenhang mit der Begutachtung ihrer Qualitätssicherungssysteme gegenüber der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) belegen, welche Untersuchungsstellen sie zur Durchführung der Hauptuntersuchung (HU) nutzen und welche Messeinrichtungen und -geräte sie in den einzelnen Untersuchungsstellen verwenden. Dies gilt auch für jeden Kfz-Betrieb, der als Prüfstützpunkt genutzt wird.

Der ZDK hält für Werkstätten einen entsprechenden Leitfaden bereit. „In der ersten Ausbaustufe werden die Daten des jeweiligen Kfz-Betriebs und die dort eingesetzten Prüfmittel erfasst. In der zweiten Stufe dann alle Daten, die nach der FUV erfasst werden müssen. Dies sind dann auch personenbezogene Daten und die Daten zu den durchgeführten Vor-Ort-Prüfungen“, so Arathymos. Dabei liegt man laut Arathymos gut in der Zeit: „Die erste Stufe der zentralen Datenbank ist fertiggestellt. Zurzeit werden die Daten entsprechend der ersten Ausbaustufe erfasst. Der in der FUV vorgesehene Stichtag, zu dem die Datenbank voll betriebsbereit sein muss, ist der 1.1.2019. Diesen Stichtag werden wir sicher einhalten.“

Prüfung von Softwareversionen

In den nächsten Jahren wird sich die Haupt­untersuchung aber auch inhaltlich ändern müssen, um Schritt zu halten mit der rasanten technischen Entwicklung. Teil- und vollautomatisierte Fahrzeuge, Fahrerassistenzsysteme und Softwareversionen im Auto müssen nach Ansicht von Prüforganisationen im Rahmen der HU prüfbar sein. Vor allem die Softwareintegrität muss sowohl bei der Zulassung des Fahrzeugs, aber auch im Betrieb überprüfbar sein. „Unsere Idee ist, dieses mit den technischen Möglichkeiten des HU-Adapters durchzuführen. Hier wird die gültige Version der Software hinterlegt und im Rahmen der HU überprüft. Bei Änderungen, etwa im Rahmen einer Rückrufaktion, wird für dieses Fahrzeug ein Nachtrag zur Betriebserlaubnis erstellt. Die jeweils gültige und integre Version wird in einer Datenbank hinterlegt, sodass überprüft werden kann, ob eine freigegebene Software auf dem Fahrzeug läuft“, führt Philip Puls aus. Nachträgliche Änderungen würden dann bei der HU auffallen, weil sie sich nicht in der Liste der freigegebenen Software befinden. Dies gilt für alle sicherheits- und abgasrelevanten Punkte. Diese Abfrage der Integrität könnte der HU-Adapter heute schon leisten, allerdings müssen die Automobilhersteller noch einem offenen Datenzugang zustimmen.

Selbstfahrende Autos sind für die Prüforganisationen eine ganz neue Herausforderung. Sie sind in dreifacher Hinsicht ­gefordert: neben der Straßenzulassung neuer Fahrzeuge (Homologation) auch bei der periodischen Fahrzeugüberwachung sowie beim verhältnismäßig neuen Thema Datenschutz.

Der Autopilot muss ein Autoleben lang zuverlässig funktionieren (Continuous Compliance). Die Hauptuntersuchung muss daher entsprechend weiterentwickelt werden. Laut Patrick Fruth, Sprecher der Geschäftsführung der TÜV SÜD Auto Service GmbH, stellt man sich schon jetzt entsprechend auf: „Das autonome als auch das assistierte Fahren betrifft uns als Prüforganisation und Dienstleister unmittelbar. Wir sind gerade dabei, uns hier personell massiv zu verstärken.“ Automatisiertes Fahren ­betrifft die Homologation von Fahrzeugen in sehr starkem Maße. Hier geht es unter anderem um die teilweise Umstellung auf ­simulationsbasierte Prüfungen. „Man wird künftig aufgrund der Komplexität nicht mehr alles im Feldversuch machen können. Letztlich ist es unsere Aufgabe, sichere Prüfmethoden für die Typzulassung zu entwickeln“, betonte Fruth.

Weiterentwicklung der HU

Eine erste Folge dieser zunehmenden Digitalisierung im Automobil war der HU-­Adapter als Einstieg in die digitale Prüfung elektronischer Fahrzeugsysteme. Die Prüforganisationen erarbeiteten gemeinsam mit den Behörden und insbesondere der 2004 gegründeten Fahrzeugsystem­daten GmbH (FSD) – unterstützt durch die Fahrzeughersteller – Datenbanklösung, Prüfsoftware und Hardware. Seit Juli 2015 ist für Fahrzeuge mit Erstzulassung ab April 2006 bei der HU eine Prüfung elektronisch geregelter Sicherheitskomponenten wie Airbag, ABS, ESP, Abstandsregler, Kurvenlicht etc. vorgeschrieben. Um auch die Prüfung des automobiltechnischen Fortschritts sicherzustellen, werden der HU-Adapter und die Prüfsoftware ständig weiterentwickelt. Die Stichworte sind Prüfung der Achsdämpfung sowie die dynamische Bremsmessung. Aber auch die Prüfung von komplett neuen Fahrzeugsystemen wie zum Beispiel das Notrufsystem E-Call werden Bestandteil der Hauptuntersuchung sein, heißt es in einer Mitteilung von TÜV Hessen, einer Mehrheitsbeteiligung von TÜV SÜD, zum Start des HU-Adapters.

Wohin die Reise geht, wurde auf der Bilanzpressekonferenz von TÜV SÜD im April deutlich: Beim autonomen Fahren arbeiten die Münchner mit Herstellern, Forschungseinrichtungen und staatlichen Stellen zusammen. Aufgrund der Erfahrungen aus Hauptunter­suchung und Homologation sind die TÜV SÜD-Experten gefragte Partner bei der Entwicklung von Prüf- und Zertifizierungsgrundlagen. Ein Beispiel ist der im Februar 2017 in München gestartete „Mobility Hub“. In der Ideenschmiede arbeiten große Automobilunternehmen und Mobilitätsdienstleister, Zulieferer, Tech-Start-ups an der Mobilität der Zukunft, darunter Audi, BMW, Daimler, IBM, Nokia und TÜV SÜD.

Besonderheiten der Elektromobilität

Schneller als die Automatisierung könnte es zu einer Elektrifizierung der Fuhrparks kommen. Jürgen Bönninger von der FSD GmbH nimmt zwar Veränderungen im Prüfwesen, nicht jedoch eine grundlegende Umgestaltung wahr: „Als Besonderheit ­gegenüber konventionell angetriebenen Fahrzeugen ist es bei einer Reihe von Elektrofahrzeugen notwendig, einen Prüfstandsmodus zu aktivieren, um die Bremsenprüfung im Rollenbremsenprüfstand korrekt durchführen zu können. Für die Untersuchung des Abgasverhaltens müssen die meisten Hybridfahrzeuge in einen ­speziellen AU-Modus versetzt werden“, erklärte er. Während einige Komponenten wegfallen, kommt die Prüfung anderer ­Systeme dazu: „Die Überprüfung des elektrischen Antriebsstranges beinhaltet zwingend eine Sicht- und Funktionsprüfung der Kabel und Steckverbindungen sowie eine Sicht-, Funktions- und Wirkprüfung des Elektromotors, HV-Energiespeichers sowie der Leistungselektronik. Wenn ein Lade­anschluss verbaut ist, wird dieser ebenfalls einer Sichtprüfung unterzogen. Weiterhin werden die Klimatisierung des Energiespeichers sowie die HV-Heizung, soweit vorhanden, einer Sicht- und Wirkungs­prüfung unterzogen.“

Die Anzahl und der Umfang verbauter Sensorik, etwa von Kamerasystemen als auch von Lidar-Technologie, nehmen stetig zu. Dies erfordert vonseiten der Werkstatt zusätzliche Investitionen in die Prüfmittel, wenn die Betriebe auch künftig zum Prüfstellennetz gehören wollen. Einen Vorgeschmack auf die Komplexität gibt die ­Diskussion um die Voraussetzung einer konformen Scheinwerfereinstellprüfung. Bei manchen Prüfmitteln wird sich die Investition für die Werkstätten lohnen, bei anderen nicht. Eine Lösung könnte darin liegen, dass die Hard- und Software von den Prüfingenieuren mitgebracht wird.

Qualitätssicherung

Keinen Bedeutungsverlust dürfte auch für die HU der Zukunft die Qualitätssicherung haben: Zu diesem Zweck gründeten die Prüforganisationen vor fast zehn Jahren den „Verein für Qualitätsmanagement in der Fahrzeugüberwachung“ (QM-Verein). Dieser stellt eigenen Angaben zufolge ein freiwilliges und wettbewerbsneutrales Qualitätmesssystem sicher. Einer der Gesellschafter ist TÜV SÜD. Seit 2008 wurden über 50.000 unangekündigte Qualitätskontrollen (UN) nach einheitlichen Standards durchgeführt. M. Schachtner, D. Väthröder, D. Winkler

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