Martin Leibrandt: "Gleichgewicht in den Pool bringen"

In Kürze Ex-EPAL-CEO Martin Leibrandt spricht im Interview über seine neue Aufgabe bei Baumann Paletten sowie den aktuellen Zustand des offenen Tauschpools. Nicht zuletzt blickt er auf den berüchtigten Palettenstreit zwischen den Lagern EPAL und UIC zurück. Baumann Paletten und die Rail Cargo Group haben einen Kooperationsvertrag zur Stärkung der EUR-Europalette abgeschlossen. Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus? Als Markenrechtsinhaber und Lizenzgeber des Markenzeichens "EUR im Oval" schrieb die Rail Cargo Group (RCG) als Güterverkehrstochter der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die Vermarktungsrechte des Markenzeichens öffentlich aus. Baumann Paletten bewarb sich darauf und erhielt den Zuschlag. Im Zuge dessen planen wir nun einen Refresh der Traditionsmarke - die es schließlich schon seit 1961 gibt - mit dem Ziel, die Marke zu stärken und dadurch den Marktanteil wieder auszubauen. Wir werden Lobbyarbeit betreiben, das Thema in die Verbände tragen, Ansprechpartner für Lizenznehmer sein und eng mit den Prüf- und Paletten-Organisationen zusammenarbeiten - alles zum Wohle des Verwenders und des offenen Europaletten-Tauschpools. Welchen Marktanteil hat EUR im Oval? Diese Frage kann nur der Lizenzgeber beantworten, weil uns die Zahlen nicht vorliegen. Wie viele hunderte Millionen Europaletten - egal unter welchem Branding - genau im Umlauf sind, ist schwierig zu beantworten. Ich schätze, es sind sogar mehr als eine Milliarde Europaletten im Umlauf. Viele in der Branche kennen Sie noch als CEO der EPAL. Damals haben Sie den Ausstieg aus der Tauschvereinbarung vorangetrieben, jetzt treiben Sie den "Refresh" für EUR-Europaletten voran. Wie lässt sich dies vereinbaren? Ich war seinerzeit CEO der EPAL und habe selbstverständlich versucht, die Marke voranzubringen. Damals wie heute ging es um den offenen Tauschpool und seine Qualität - und in meiner jetzigen Aufgabe ist mir daran gelegen, wieder ein quantitatives Gleichgewicht in den Pool zu bringen. Mir ist es wichtig, herauszustellen, welch phänomenaler Grundgedanke dem offenen Tauschpool zugrunde liegt: Ich kann eine Palette im Grunde weltweit überall tauschen, das sucht seinesgleichen. Und für dieses nachhaltige System arbeite ich heute genauso, wie ich es damals getan habe. Sie haben sich in Ihrer Rolle als EPAL-CEO öffentlichkeitswirksam über die Fälschungsproblematik bei UIC-Paletten beklagt. Haben sich die Vorwürfe von damals entkräftet? Ja, haben sie. Mitte der 2010er-Jahre gab es vor allem in Osteuropa ein Problem mit gefälschten EUR-Europaletten, das von dem Markenrechtsinhaber nicht vollumfänglich gelöst werden konnte. Dieses Thema gehört weitestgehend der Vergangenheit an. Fälschungen sind allerdings nach wie vor für beide Wettbewerber eine Herausforderung, wenngleich in nicht mehr so großem Ausmaß. Die Qualität im offenen Pool hat sich nach meiner Wahrnehmung zunehmend verbessert. Qualität bedeutet Sicherheit, sowohl für die Güter als auch die Verwender. Mit welchen Prüf- und Paletten-Organisationen wird heute zusammengearbeitet? Mit fünf Stück: In Österreich, Deutschland, Spanien und Polen wird die Prüforganisation SGS eingesetzt, in anderen europäischen Ländern setzen die Staatsbahnen wiederum ihre lokalen Paletten- und Prüforganisationen ein: in der Slowakei ist das die SZK, in Tschechien die ZZV, in Skandinavien Det Norske und in Ungarn MAV-Rec. 2017 empfahl die EPAL, keine EPAL-Europaletten und UIC-Paletten mehr miteinander zu tauschen. Wurde das von den Verwendern überhaupt jemals umgesetzt? Nein. Nach meiner Wahrnehmung nicht. Über die Tauschmodalitäten entscheiden grundsätzlich die Verwender und Nutzer von Europaletten aus Spedition, Handel und Industrie. Es gibt zur Tauschfähigkeit von Paletten keine verbindliche Vorgabe, insbesondere keine Verbote. Es handelte sich bereits 2017 ausschließlich um Empfehlungen, die nach wie vor selbstverständlich individuell verhandel- und festlegbar sind. Ist der Tauschpool nach dem Konflikt in der Vergangenheit wieder intakt? Das ist meine Wahrnehmung, ja. Wir haben kein Interesse, den Konflikt aus 2013 wieder aufzunehmen. Es würde unserer Meinung nach nur dazu führen, die Verwender zu verunsichern und dass der Ruf der Europalette und des offenen Pools Schaden nähme. Wir haben jetzt zehn Jahre dieses Konflikts hinter uns. Vielleicht muss man sich an der einen oder anderen Stelle auch mal kritisch hinterfragen, wie sinnvoll der Konflikt tatsächlich war. Ich denke, eine friedliche Koexistenz stünde beiden Parteien gut zu Gesicht. Laut einer Studie des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) lagen die Prozesskosten für Logistiker 2022 bei bis zu 6,72 Euro pro Palette. Wie könnten die Lasten zwischen Verladerschaft und Transporteuren gerechter verteilt werden? Ob es da jemals eine gerechte Lösung geben wird - ich weiß es nicht. Das Ausmaß der Prozesskosten, das die Studie zutage gefördert hat, hat mich aber auch erschreckt und nachdenklich gemacht. Ich fürchte, Verwendern bleibt nichts weiter übrig, als zumindest den administrativen Aufwand zu optimieren. Es gibt mittlerweile viele gute digitale Tools fürs Lademittelmanagement, die die Fehleranfälligkeit der Zettelwirtschaft minimieren. Man kann sich die Arbeit auch einfach von Pooling-Dienstleistern abnehmen lassen. Haben diese in den letzten Jahren mehr Zulauf bekommen? Es mag vielleicht eine Tendenz zu Pooling-Dienstleistern geben, da sie den Servicegedanken des offenen Tauschpools unterstützen und die Beschaffung und das Handling für ihre Kunden übernehmen. Vor allem aber haben Pooling-Dienstleister in den letzten Jahren eine Menge in die Digitalisierung investiert. Das ist für die Kunden - von der gesicherten Verfügbarkeit der Lademittel abgesehen - natürlich attraktiv. Der Schlüssel zur Senkung der administrativen Kosten ist also das digitale Palettenkonto? Ja sicher. Wenn Corona einen positiven Effekt gehabt hat, ist es der Digitalisierungsschub. Das hat sich auch in der Lademittelverwaltung niedergeschlagen. Es gibt immer mehr Anbieter und immer mehr Lösungen, die gleich zwei Fehlerquellen beseitigen: Excel und den Menschen. Wir stehen gerade selbst vor dem nächsten großen Update unseres digitalen Lademittelmanagement-Tools Swoplo. Am wichtigsten ist, dass eine solche Anwendung einfach zu bedienen sein muss, und genau das bietet das kostenlose Swoplo-Tool an. Es gab vor einiger Zeit einen kleinen Hype um das Thema Palettentausch via Blockchain. Meinen Sie, dieser Ansatz kann die aktuellen Probleme rund um den Tausch nachhaltig lösen? Die Blockchain kann ein Ansatz sein, ob es der Ansatz sein wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Nach dem Start des GS1-Projekts zum Palettentausch via Blockchain hat man nicht mehr allzu viel über dieses Thema gehört. Ob es die einzige Lösung sein wird, kann ich nicht beurteilen. Vor allem aber muss erst mal jemand damit starten, und das ist nach meinem Wissen bisher nicht passiert. Vita Baumann Paletten bewegt an acht eigenen und zwölf Partner-Standorten über ganz Deutschland verteilt jährlich mehr als 8,5 Millionen Ladungsträger. Martin Leibrandt ist seit 2022 Head of Marketing beim Münchner Familienunternehmen und dort für den Ausbau der Marke Baumann Paletten und für den "Refresh" der EUR-Marke verantwortlich. In seiner mehr als 30-jährigen Berufslaufbahn war Leibrandt in verschiedenen Führungspositionen sowohl für Anbieter des geschlossenen Palettenpools als auch des offenen Tauschpools tätig: Unter anderem als Operations und Asset Manager bei La Palette Rouge, als Geschäftsführer bei der Gütegemeinschaft Paletten e.V. und von 2011 bis 2018 CEO der European Pallet Association (EPAL). mh

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