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Interview: Kirchner kritisiert Kürzungen bei DB Cargo

10.03.2016 08:47 Uhr
Interview: Kirchner kritisiert Kürzungen bei DB Cargo
Übt scharfe Kritik an der derzeitigen Unternehmenstrategie von DB Cargo: Alexander Kirchner, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn (DB)
© Foto: Picture Alliance/dpa/Uwe Zuchi

Der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn, Alexander Kirchner, zur Reduktionsstrategie bei DB Cargo und zum geplanten Anteilsverkauf von DB Schenker.

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München. Der Druck aus dem Aufsichtrat der Deutschen Bahn (DB) auf die Sanierungspolitik bei DB Cargo nimmt zu. Im Interview mit der VerkehrsRundschau kritisiert der stellvertretende Vorsitzende im Aufsichtsrat, Alexander Kirchner, die angestrebten Einsparungsmaßnahmen. Außerdem nimmt der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)Stellung zum geplanten Teileverkauf von DB Schenker und zur Rolle von Rüdiger Grube an der Spitze der DB.

VerkehrsRundschau: 30 Prozent der Güterverkehrsstellen sollen geschlossen werden. Sind Sie damit einverstanden?

Alexander Kirchner: Wir halten ein Reduktionsmodell für den falschen Weg. DB Cargo hat in den letzten Jahren im Vergleich zu den Privatbahnen massiv Marktanteile verloren. Und zwar in allen Sparten: Montan, Chemie, aber auch im Kombinierten Verkehr.

Was läuft verkehrt bei DB Cargo?

Die Strategie der letzten Jahre war falsch. Die anderen Bahnen konnten die Nischen besetzen. In Summe hat das aber nicht dazu geführt, dass die Verkehrsleistung im Schienengüterverkehr in Deutschland insgesamt gestiegen ist. Wenn jetzt ein Drittel der insgesamt 1500 Verladestellen bei DB Cargo geschlossen werden soll, ist das der verkehrte Ansatz. Mora C war schon falsch, weitere Reduktionen werden jetzt auch nicht zum Erfolg führen. Es müsste eine Offensiv-Strategie gefahren werden, ähnlich wie im Personenfernverkehr. Zudem ist auch der Eigentümer – der Bund – gefragt, ob er die Einsparmaßnahmen mitträgt.

Warum sollte er das nicht tun?

Laut Prognose des Bundesverkehrsministeriums soll der Schienengüterverkehr zwischen 2010 und 2030 um 43 Prozent wachsen. Statt 107,6 Milliarden (Mrd.) Tonnenkilometer im Jahr 2010 sollen es 2030 153,7 Mrd. sein. Der Bund muss die Frage beantworten, wie das geschehen und welchen Marktanteil DB Cargo dann haben soll. Deshalb haben wir im Aufsichtsrat für DB Cargo auch eine Langfrist-Strategie bis 2030 gefordert und nicht nur eine Fünf-Jahres-Planung.

2600 Stellen sollen im Schienengüterverkehr wegfallen, mittelfristig sogar 5000 der noch knapp 31.000 Stellen. Das kann Sie als Gewerkschaftsvertreter nicht erfreuen.

Nein. Zumal bereits vor dieser Planung die Rede davon war, 900 Stellen abzubauen. Jetzt kommen durch die Mittelfristplanung weitere 2.600 dazu, so dass wir bei 3500 sind. Sicher muss sich ein Unternehmen wandeln. 1960 waren bei der Bahn mal eine Millionen Menschen beschäftigt, heute sind es um die 200.000. Daher ist für uns Personalabbau nichts Neues. Aber wir sehen die derzeitige Reduktionsstrategie bei DB Cargo als einen Fehler.

Sie werden also im Aufsichtsrat dagegen stimmen.

Der Aufsichtsrat kann nicht entscheiden, ob es zu Personalreduzierungen kommt. Wir haben uns klar gegen diese Strategie ausgesprochen. Aber es ist kein Beschlusspunkt.

Aber als Aufsichtsrat haben Sie ja schon Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.

Ja, das machen wir ja auch, indem wir zum Beispiel eine Langfristplanung eingefordert haben. Wir möchten die Frage beantwortet haben – nicht nur von der Bahn, sondern auch vom Eigentümer: Wie soll sich der Schienengüterverkehr in den nächsten 15 Jahren weiter entwickeln? Sind das alles nur Luftblasen, die die Politik verbreitet, oder hält sich die Politik an ihre Vorgaben? So steht im Koalitionsvertrag explizit, dass Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden soll. Und es kann doch nicht sein, dass der Bundesverkehrsminister von einem Wachstum im Schienengüterverkehr in Höhe von 47 Prozent bis 2030 ausgeht – und das eigene Unternehmen gleichzeitig eine Reduktionspolitik fährt. Das ist nicht schlüssig.

Was fordern Sie von DB Cargo, damit sie wettbewerbsfähig wird gegenüber dem LKW?

Intern geht es hauptsächlich um das Thema Pünktlichkeit und Qualität. Im letzten Jahr war die Situation katastrophal: Es gab Kunden, die fahren wollten, aber nicht konnten, weil es keine Lokführer gab oder die Produktion keine Kapazitäten zur Verfügung stellen konnte. Das System ist so sehr optimiert worden, dass Güterzüge im fast dreistelligen Bereich nicht abgefahren werden konnten, weil die Kapazitäten nicht vorhanden waren.

War der Lokführer-Streik eine wesentliche Ursache?

Sicher hat der Streik dazu beigetragen. Aber in jedem Jahr gibt es immer wieder außergewöhnliche Ereignisse: Mal ist es der Winter, dann der Sturm, dann die Achsen. DB Cargo hat aber ein strukturelles Problem, das angegangen werden muss. Die Optimierung des Gesamtsystems stößt an ihre Grenzen. Sicher spielt auch der Preis eine Rolle. Aber wenn die Qualität nicht stimmt, kann die Bahn noch so günstig sein, dann wird sie keine neuen Kunden gewinnen. Deshalb muss hier investiert werden. Und diese Ziele sind nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Personal zu erreichen. Auf dieser Basis muss man versuchen, zu expandieren.

Sind Projekte wie die Netzwerkbahn richtig, um mehr Güter auf die Bahn zu bringen?

Aus unserer Sicht ist das ein sinnvoller Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte. Es wird aber auch nicht ohne einen Schwenk in der Investitionspolitik gehen. Die Milliarden der letzten Jahre sind fast alle für den Personenverkehr ausgegeben worden. Stuttgart 21, der Berliner Hauptbahnhof oder neue ICE-Strecken sind prominente Beispiele dafür. Jetzt muss aber endlich auch mal Geld für den Schienengüterverkehr in die Hand genommen werden: um Knoten auszubauen – siehe Seehafenhinterlandverkehr –, um notwendige Anbindungen zu ermöglichen – siehe Betuwe-Linie –, um die Rheinschiene zu entlasten. Da hoffen wir auf entsprechende Signale im Bundesverkehrswegeplan, der in den kommenden Tagen erscheint.

Halten Sie einen Modal Split der Bahn in Höhe von 20 Prozent für realistisch?

Ja, auch wenn es schwer wird, ein solches Ziel zu erreichen. Wenn Deutschland allerdings seinen Verpflichtungen zur CO2-Reduzierung nachkommen will, gibt es dazu kaum eine Alternative. Allen Sektoren ist es seit 1990 gelungen, den CO2-Ausstoß zu verringern, nur dem Verkehr nicht: Hier steht 2015 ein Plus von einem Prozent im Vergleich zu 1990 zu Buche. Die Bundesregierung strebt aber eine Verringerung bis 2020 um 40 Prozent an. Dieses Ziel wird der Verkehr um Längen verfehlen. Wenn man bis 2030 auch nur annähernd dieser Verpflichtung nachkommen will, müsste man eine Verdoppelung des Schienengüterverkehrs anstreben.

Ist der Anteilsverkauf von DB Schenker sinnvoll?

Sinnvoll ist es, die Verschuldung zurückzuführen. Die ist in den letzten Jahren gestiegen. Wenn man aber am Kapitalmarkt zu vernünftigen Konditionen die Finanzierung von Investitionen abwickeln will, muss man die Verschuldung im Auge behalten. Der Bahnvorstand versucht jetzt, durch den Verkauf von Unternehmensanteilen an Gesellschaften, die nicht zum klassischen Eisenbahngeschäft in Deutschland gehören, die Verschuldung herunterzufahren. Die bessere Alternative wäre es jedoch, wenn der Bund die notwendigen Investitionen finanzieren würde, wie er das ja bei der Straße auch macht.

Da wird der Bund sich wehren. Also doch ein Verkauf von Anteilen?

Bevor wir darauf antworten können, ist zu klären, wer das Geld bekommt. Der Beteiligungsvertrag zwischen dem Bund und der Bahn besagt, dass der Bund das Geld erhält. Dann würde ein Verkauf überhaupt nichts bringen, um die Verschuldung herunterzufahren. Zudem wäre zu klären, wozu das Geld eingesetzt wird. Erst dann lässt sich beurteilen, ob ein Verkauf von Anteilen sinnvoll ist.

DB Schenker ist ursprünglich mal gekauft worden, um Synergien zu schaffen zwischen dem Schienengüterverkehr und den Sparten von DB Schenker. Doch die Zahlen bei DB Cargo sind ernüchternd. Ist DB Schenker überhaupt noch richtig bei der DB aufgehoben?

Die Bahn sollte sich auf die Erstellung vernünftiger Transport- und Logistikleistungen konzentrieren. Solange die DB mit Schenker also Geld verdient, warum nicht? Sicherlich ist Eisenbahn das Kerngeschäft der DB, im Güterverkehr im Übrigen nicht auf Deutschland beschränkt, sondern europaweit. Aber DB Schenker kann eine sinnvolle Ergänzung dazu sein. Man muss stärker nach Lösungen suchen, um Synergieeffekte zu nutzen.

Ist Rüdiger Grube noch der richtige Mann an der Spitze der DB?

Es geht hier um ein Unternehmen und seine Strategie, nicht um Personen.

Ist denn jemand noch zu halten, der so klar seine selbstgesteckten Umsatz- und Ertragsziele verfehlt?

Diese Frage muss der Eigentümer beantworten. Das ist der Bund, vertreten durch den Bundesverkehrsminister. Wir als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat befassen uns mit der Strategie des Unternehmens, nicht mit der Personalbesetzung im Vorstand.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes.

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