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Interview: "Habe große Zweifel, dass die DTLB vor Gericht bestehen können"

24.09.2015 14:00 Uhr
Interview: "Habe große Zweifel, dass die DTLB vor Gericht bestehen können"
Professor Thomas Wieske ist Leiter des Instituts für Logistikrecht & Riskmanagement an der Hochschule Bremerhaven
© Foto: Hochschule Bremerhaven

Im Interview bezweifelt der Logistikrecht-Professor Thomas Wieske von der Hochschule Bremerhaven, dass die neuen Verlader-AGB rechtskonform sind. Verlader und Spediteure sollen die DTLB nicht verwenden und weiterhin die ADSp oder die VBGL vereinbaren.

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Interview mit Professor Thomas Wieske, Leiter des Instituts für Logistikrecht & Riskmanagement an der Hochschule Bremerhaven, zu den neuen Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB) und der Anwendung der Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) und den Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer (VBGL).

 

VerkehrsRundschau: Welchen ersten Eindruck haben Sie von den kürzlich von den Verladerverbänden vorgelegten Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB)?
Wieske: Eine Vielzahl der Bestimmungen sind einseitig zu Gunsten der Verlader formuliert – und oftmals so einseitig, dass ich große Zweifel habe, dass die DTLB in dieser Form vor Gericht bestehen können. Die DTLB sind nicht zeitgemäß, da in ihnen Themen wie Logistik, Outsourcing überhaupt nicht erwähnt werden. Sie sind in Rückfall in die Zeit vor der Änderung des Seerechts.

Gegen welches Gesetz verstoßen die DTLB?
Die Frachtführer müssen laut DTLB bestimmten Pflichten oftmals unverzüglich widersprechen, selbst unverbindlichen Abrufterminen während die Auftraggeber bei vielen Punkten immer eine angemessene Frist eingeräumt wird. Dies ist schon sehr einseitig und damit fraglich, ob diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Paragraph 307 BGB auch zulässig sind. Außerdem müssen AGB verständlich und einhaltbar sein, auch dies ist nicht unbedingt gegeben, wenn in den AGB –DTLB auf andere Werke verwiesen wird, wie zum Beispiel den Compliance Regeln. Hier hat man den Eindruck, die werden von den DTLB-Verbänden und ihren Mitgliedfirmen auch nicht besonders ernst genommen, wenn man das so unstrukturiert gestaltet, nach dem Motto: „abgehakt und erledigt“

Gerichte könnten im Streitfall also die DTLB für unwirksam erklären?
Ja, damit müssen die Vertragsparteien der DTLB durchaus rechnen.

Mal von der Gerichtsfestigkeit abgesehen, würden Sie Verladern empfehlen, die DTLB anzuwenden?
Die DTLB scheinen eher aus Sicht großer Industrie- und Handelsunternehmen formuliert zu sein, die schon heute oftmals eigene AGB-Verträge vorgeben und die ADSp seit Jahren nicht nutzen. Für mittelständische Verlader scheinen mir die neuen Bedingungen eher viel zu detailliert und praxisfern. Sie führen aber zu einer Verteuerung von Transporten.

Warum verteuern sich Transporte wegen den DTLB?
Es werden den Logistikdienstleistern viele Detailpflichten auferlegt, die bei Standardtransporten mittelständischer Verlader gar nicht relevant sind. Kommt der Spediteur diesen neuen Pflichten aber wirklich nach, werden sich die Transporte aufgrund höherer Kosten verteuern müssen.

Bitte nennen Sie doch mal ein Beispiel?
Der Frachtführer ist laut DTLB beispielsweise verpflichtet, ein Qualitätsmanagementsystem, Notfallpläne, ein IT-Monitoring oder auch schadstoffarme Fahrzeuge vorzuhalten. Diese Vorgaben können bei längerfristigen Verträgen sicherlich auch üblich und sinnvoll sein. Solche Punkte sind aber individuell zu vereinbaren, sie gehören nicht in AGB hinein, die für eine Vielzahl von unterschiedlichen Transport- und Lageraufgaben passen sollen. Solche Detailvorgaben pauschal für alle Aufgaben vorzugeben, werden die Logistik erheblich teurer machen. Das kann nicht im Interesse mittelständischer Verlader sein, sogar nicht im Interesse aller Verlader.

Welche Auswirkungen hat es, dass die DTLB nur noch den Frachtführer und Lagerhalter fokussieren, den Spediteur aber mit keinem Wort mehr benennen?
Die Verfasser haben wohl den Fixkostenspediteur vor Augen gehabt, als sie die DTLB formulierten. Der klassische „Sofa-Spediteur“ aus dem HGB, der im Interesse seiner Kunden deren Geschäfte besorgt, wird damit faktisch zu Grabe getragen. Daher handelt es sich bei den DTLB auch nicht um Spediteurbedingungen. Der DTLB-Frachtführer soll aber noch Pflichten auferlegt bekommen, die typisch sind für einen Spediteur. Als Beispiel sind hier die zollamtliche Behandlung oder Sicherungsaufgaben des Auftraggebers zu nennen. Diese sind eigentlich nicht Thema eines Frachtführers. Dieser schuldet in der Regel nur den Transport des Gutes von A nach B.

Die Verladerverbände sagen, dass die Haftungsbedingungen in den DTLB jetzt fairer und praxisnaher sind. Zum Beispiel eine einheitliche Haftung für Transport- und Lagerschäden? Sind die Haftungsregelungen gerechter als in der ADSp?
Der Auftragnehmer soll zukünftig nach dem Gesetz haften, ohne Beschränkungen, daher macht es für Transportunternehmer gar keinen Sinn, die DTLB zu vereinbaren, zumal der Auftraggeber aber nur noch limitiert soll, also abweichend vom Gesetz. Die ADSp, als gemeinsame Empfehlung der Verbände der Verlader – und der Speditionen basieren auf dem Grundsatz der beiderseitig limitierten Haftung. Für diese Nachteile soll der Auftragnehmer dann noch eine Haftpflichtversicherung nach 7.2 eindecken. Das Modell der DTLB lässt auf jeden Fall die Versicherungskosten steigen.

Wie sollen Frachtführer und Spediteure reagieren, wenn Kunden die DTLB einfordern?
(lacht) Vielleicht sollten die Logistiker einen kräftigen „DTLB-Zuschlag“ erheben, wodurch die erheblichen Mehrkosten durch die vielen neuen Pflichten, die weit über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, gedeckt werden. Am besten ist es, Aufträge auf Basis der DTLB abzulehnen und lieber die gesetzlichen Bedingungen nach HGB anzuwenden als die DTLB.

Dürfen die bisherigen ADSp noch verwendet werden? Die Verladerverbände meinen nein, der DSLV widerspricht?
Ja, ich wüsste nicht, was dagegen spricht, die ADSp (2003) weiter zu vereinbaren, wenn das von den Parteien so gewollt ist. Jedoch mit einer Ergänzung, dass die aktuelle Fassung aus dem Jahr 2003 um die Neuerungen des Seehandelsrechts ergänzt werden müssen. Hierfür spricht, dass die ADSp(2003) das Ergebnis eines wohltarierten Kompromisses zwischen den Verbänden ist und in dieser Form auch durch die Rechtsprechung anerkannt wurde. Diesen Status haben die DTLB als einseitige AGB nicht.

Der DSLV will die ADSp in den kommenden Monaten auf den neuesten Stand bringen. Worauf sollte der Spediteurverband dabei achten?
Der DSLV sollte jegliche Einseitigkeit vermeiden. Die neuen ADSp müssen auch für die Mehrzahl der deutschen Verlader akzeptabel sein, wie es die ADSp in der Vergangenheit waren. Man sollte diese in einem offenen und transparenten Verfahren entwickeln, auch unter Hinzuziehung von Verladern.

Wären die VBGL des Speditionsverbandes BGL eine Alternative für die Spediteure?
Ja, diese Bedingungen sind für die Frachtführer auf jeden Fall eine Alternative. Sie entsprechen dem aktuellen Rechtsrahmen in einem höheren Maße als die ADSp (2003).

Welche AGB bieten derzeit die meiste Rechtssicherheit: DTLB, ADSp oder VBGL?
Die VBGL haben eine große Nähe zu dem Konzept der ADSp (2003) und sind um die Änderungen aus der Seerechtsreform ergänzt. Daher machen Verlader und Logistikdienstleister keinen Fehler, die VBGL zu wählen. Auch die ADSp (2003) sind akzeptabel, da sie ja aus einer gemeinsamen Empfehlung der Spitzenverbände als Kompromiss hervorgegangen sind, wenn sie die Neuerungen aus dem Seehandelsrecht eingearbeitet werden durch ein Zusatzpapier. Die Anwendung der DTLB führt indes zu höheren Kosten und Rechtsunsicherheit.

Wäre es nicht am besten, wenn DSLV und BGL zusammen Vertragsbedingungen entwickeln würden?
Ja, die Speditions-Verbände sollten dringend, der Initiative der Verladerverbände folgen und gemeinsame AGBs vorlegen, die wie die bisherigen, auch für die Verladerschaft akzeptabel sind. Ansonsten wird es für alle beteiligten Unternehmen komplizierter und kostenaufwändiger. Eigentlich sollten Verbände helfen, Kosten in den Unternehmen zu reduzieren.

Ist es nicht ein Verlust für den Logistikstandort Deutschland, dass sich Verlader und Spediteure nicht mehr auf gemeinsame AGBs einigen können?
Ja, dies ist ein schwarzer Tag für die Logistik. Freuen können sich eigentlich nur Rechtsanwälte, die so mehr Arbeit bekommen. Deutschland ist mit den in den vergangenen Jahrzehnten von Verladern und Spediteuren geschaffenen ADSp Logistikweltmeister geworden. Ich hoffe, dass die Hauptverantwortlichen in den Verbänden hier noch mal in sich gehen und sich die Parteien doch noch auf einen ausgewogenen ABG-Standard einigen. Denn gute Standards, die von vielen Unternehmen angewendet werden, sind der Garant für eine effiziente und erfolgreiche Logistik.

Interview: Andre Kranke

Mehr zum Thema DTLB, ADSP und VBGL lesen Sie im VerkehrsRundschau-Dossier „Transport-, Speditions- & Logistikrecht“. Nutzen Sie die Dossier-Funktion „Thema beobachten“, um kostenlos via E-Mail über neue Nachrichten und Heftartikel zum Thema informiert zu werden.

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