VerkehrsRundschau: Soeben haben Sie mit der Arbeitsgruppe Fraunhofer SCS die aktuellen „Top 100 in European Transport and Logistics Services“ vorgestellt. Wie hat sich der europäische Logistikmarkt im Vergleich zur letzten Untersuchung entwickelt?
Martin Schwemmer: Das Wachstum im europäischen Logistikmarkt hält an. So ist der Umsatz zwischen 2013 und 2014 um etwas über 2 Prozent gestiegen. Damit lag der Umsatz im Logistikmarkt in 30 europäischen Ländern bei insgesamt 960 Milliarden Euro. Damit ist der Bereich Logistik stärker gewachsen als das Bruttoinlandsprodukt der 28 EU-Staaten zusammen. Dies lag im vergangenen Jahr 2014 nur bei 1,4 Prozent.
Was sind die wesentlichen Treiber dieses Wachstums?
Haupttreiber ist der ungebrochene anhaltende Boom im Onlinehandel in ganz Europa. Das zeigt auch die Entwicklung des Teilmarkts „KEP-Dienste“. 2012 lag hier der Umsatz in Europa bei 66 Milliarden Euro, in 2014 kletterte er auf 70 Milliarden Euro. Wachstumstreiber im europäischen Logistikmarkt sind also weniger die großen Industrien, sondern vor allem die Konsumgütersegmente wie die Lebensmittel-, Textil- und Holz-/Papierbranche sowie der besagte Onlinehandel.
Wie hat sich der deutsche Logistikmarkt im internationalen Vergleich entwickelt?
Mit einem Umsatz von insgesamt 235 Milliarden Euro und rund 2,85 Millionen Beschäftigten ist der deutsche Logistikmarkt nach wie vor in Europa unangefochten die Nummer eins. Frankreich, das in unserem Logistikmarkt-Ranking den zweiten Platz einnimmt, erwirtschaftete 124,7 Milliarden Euro Umsatz und das Vereinigte Königreich liegt mit 95,6 Milliarden Euro Umsatz auf Platz drei. In allen drei Ländern wie auch in Belgien, Griechenland, den Niederlanden, Norwegen, Polen und Spanien ist der Umsatz im Logistikmarkt weiter gestiegen – im Vergleich zu den Vorjahren.
Welches Ergebnis in der Studie hat Sie am meisten überrascht?
In unserer Studie haben wir erstmals auch die Ebit-Marge von Unternehmen in den einzelnen Ländern erhoben, also den prozentualen Anteil des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern am Umsatz. Überrascht hat, dass die Ebit-Marge in Rumänien im internationalen Vergleich mit 4,2 Prozent am höchsten ist. Das zeigt unsere Stichprobe von 106 Firmen. Ebenfalls hohe Ebit-Margen erwirtschaften die Dienstleister in Großbritannien, Norwegen, Ungarn und Polen. Deutschland rangiert in puncto Ebit-Marge dagegen nur im Mittelfeld.
Welche Dienstleister haben im europäischen Logistikmarkt die Nase vorne?
Deutsche Post DHL ist nach wie vor das umsatzmäßig stärkste Logistikunternehmen in Europa, ebenso in Deutschland und weltweit Aber die anderen Player holen auf. Platz zwei nimmt in unserer Studie DB Mobility Logistics ein, Maersk Platz drei und Kühne + Nagel Platz vier. Erstmals in unserem Ranking vertreten ist US-Logistikanbieter XPO Logistics. Durch die Übernahme des französischen Logistikdienstleisters Norbert Dentressangle schaffte er es auf Platz zwölf – und die soeben erfolgte Übernahme des US-Logistikers Conway ist noch nicht eingerechnet, wird aber im europäischen Markt weniger für Verschiebungen sorgen.
Welche Dienstleister haben sich darüber hinaus im Vergleich zu Ihrer vergangenen Top-100-Studie in Europa gut entwickelt?
Im europäischen Stückgutmarkt rangiert Dachser nun beinahe gleichauf mit DB Schenker. Das wird noch spannend.
Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa.
Um was es geht: Der Logistikmarkt in Europa in Zahlen
Die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) des Fraunhofer-Insituts in Nürnberg hat die Studie „Top 100 in European Transport and Logistic Services“ neu aufgelegt – pünktlich zum 32. Deutschen Logistik-Kongress der Bundesvereinigung Logistik in Berlin. Die Studie analysiert die 13 etablierten Teilmärkte wie etwa Stück- und Massengut, KEP, Luft- und Seefracht oder Kontraktlogistik und zeigt, welche Player in diesen Märkten in Europa die Nase vorne haben. (eh)