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Interview: BAG-Präsident plädiert für härtere Strafen

06.10.2016 12:02 Uhr
Interview: BAG-Präsident plädiert für härtere Strafen
Der BAG-Präsident Andreas Marquardt warnt davor, Eingriffe in die Technik des digitalen Tachografen zu verharmlosen
© Foto: Bundesamt für Güterverkehr

Die Manipulationsquote bei Digi-Tachos ist nach wie vor hoch. Der Präsident des BAG, Andreas Marquardt, über Staatsanwaltschaften, die zu nachlässig sind.

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Im letzten Jahr hat das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bei 22.000 besonders kontrollierten Fahrzeugen insgesamt 5533 Lkw mit Manipulationen festgestellt. Das geht aus dem Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2014/2015 der Bundesregierung hervor. Demnach erfolgt zunehmend ein Eingriff in die Fahrzeugelektronik und auch technische Sicherheitssysteme wie das ABS werden außer Funktion gesetzt. Ein Interview mit Andreas Marquardt, Präsident des BAG.

VerkehrsRundschau: In welchem Ausmaß wird am digitalen Tacho manipuliert?

Andreas Marquardt: Die Tendenz, an der Fahrzeugtechnik zu manipulieren, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, ist ungebremst. In den letzten Jahren lag die Beanstandungsquote bei den Tachos konstant bei 25 Prozent. Ein Rückgang ist leider nicht festzustellen.

Hält dieser Trend 2016 an?

Da liegen uns noch keine endgültigen Zahlen vor. Aber es ist nicht zu erwarten, dass sich daran etwas ändert.

Wenn so viel manipuliert wird, heißt das im Umkehrschluss: Das BAG wird als Kontrollbehörde nicht ernst genommen?

Wir werden durchaus ernst genommen. Die Art der Manipulation hat sich aber in den letzten Jahren stark verändert. Früher haben wir beispielsweise Magneten am Impulsgeber gefunden oder gelöste Plombierstellen. Diese Manipulationen waren relativ offensichtlich. Seit 2013 gilt aber eine neue Verordnung, die den digitalen Fahrtenschreiber besser vor Manipulationen schützen soll. Das bedeutet für uns einen viel höheren Kontrollaufwand aufgrund detaillierter technischer Auswertungen. Zugleich beobachten wir, dass sehr komplizierte technische Eingriffe in die Tachographenanlage vorgenommen werden.

Können Sie diese Manipulationen dann überhaupt noch aufdecken?

Das ist unser Anspruch. Dazu haben wir unseren Kontrolldienst mit diversen technischen Geräten wie Endoskop-Kameras, On-Board-Diagnosesystem und Lesegeräten ausgestattet. Aber es wird ein Wettlauf bleiben. Rüsten wir auf, rüstet die andere Seite sofort nach.

Wer manipuliert die Fahrtenschreiber?

Das kann man nicht mal kurz in einer Hinterhofwerkstatt machen, das erfordert ein hohes Fachwissen. Wir gehen davon aus, dass dahinter Täter außerhalb der Transportbranche stecken, die mit hoher krimineller Energie tätig sind. Wobei der Transportunternehmer selber natürlich der Auftraggeber ist und damit den Anstoß gibt.

Bleibt bei den Kontrollen so manche Manipulation unentdeckt, weil die Manipulierer so geschickt vorgehen?

Es wird zumindest immer schwieriger, solche Eingriffe aufzudecken. Das zwingt uns dazu, dass wir unsere Kontrolleure regelmäßig weiterbilden. Wir stehen dazu in ständigem Kontakt mit den Herstellern von Kontrollgeräten, spezialisieren unser Kontrollpersonal und tauschen uns auf internationaler Ebene mit den Kontrollbehörden anderer Staaten aus, um von denen zu lernen.

Benötigen Sie mehr Personal, um den Tätern auf die Schliche zu kommen?

Wir haben das Kontrollniveau in den vergangenen Jahren bereits deutlich erhöht. 2013 waren es etwa 17.000 Fahrzeuge, die wir hinsichtlich Manipulationen kontrolliert haben, zwei Jahre später bereits 22.0000 Fahrzeuge. Wir werden versuchen, noch mehr Lkw zu kontrollieren. Da bleibt abzuwarten, ob wir mit den vorhandenen Ressourcen zu einer Steigerung kommen können.

Müsste der Fairness halber deutlich mehr kontrolliert werden?

Das wäre wünschenswert, aber wir müssen auch unsere Möglichkeiten im Blick behalten. Derzeit kontrollieren nach den Vorgaben der EU und erfüllen die vorgeschriebenen Kontrollquoten. Letztlich ist es eine politische Entscheidung, ob man sich das Ziel setzt, das derzeitige Kontrollniveau deutlich zu erhöhen.

Wie bedeutsam sind Manipulationen von digitalen Tachos bei Ihren Kollegen im Ausland?

Dieser Missstand ist ein internationales Problem. Die Beanstandungsquote in Frankreich liegt sogar bei 30 Prozent.

Wie lange dauert es, bis die BAG-Kontrolleure feststellen, ob jemand manipuliert hat?

Das dauert in etwa 15 Minuten.

Was passiert, wenn Ihre Kontrolleure feststellen, dass am Tacho manipuliert wird?

Das hat zunächst eine erheblich längere Kontrollzeit zur Folge. In der Regel muss dann eine Fachwerkstatt aufgesucht werden, um die Einzelheiten der Vorstöße festzustellen und zu protokollieren.

Mit welchen Strafen ist zu rechnen, wenn eine Manipulation am Digi-Tacho aufgedeckt wurde?

Im Regelfall geben wir so ein Verfahren an die Staatsanwaltschaft ab, denn das beinhaltet den Verdacht einer Straftat: das Fälschen technischer Aufzeichnung. Darüber hinaus leiten wir ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren ein, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht übernimmt.

Wie hoch ist die Strafe, die man zahlen muss?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es wird jedoch richtig teuer. Aber was womöglich viel gravierender ist: Der Fahrer und der Unternehmen riskieren ein Strafverfahren. Da stellt sich dann auch die Frage nach der Zuverlässigkeit des Unternehmens. Das kann die Existenz eines Unternehmens bedrohen.

Müssten zur Abschreckung die Strafen noch höher ausfallen?

Wir beobachten, dass viele Staatsanwälte die schwere des Vorwurfs nicht erkennen. Nach unserer Einschätzung wird in zu vielen Fällen das Verfahren eingestellt. Fälschen technischer Aufzeichnungsgeräte klingt vielleicht harmlos. Aber wenn bei solchen Eingriffen auch Fahrzeugassistenzsysteme beeinflusst werden und nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren wie ein Anti-Blockier-System, dann ist die Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit sehr groß. Da würde ich mir wünschen, dass die Staatsanwaltschaften diesen Manipulationen noch entschiedener nachgingen.

Ist absehbar, dass hier ein Umdenken stattfindet?

Das kann ich schwer einschätzen. Wir haben mehrfach verschiedene Staatsanwaltschaften darauf aufmerksam gemacht. Aber auf welche Resonanz dies gestoßen ist, dazu fehlen mir Informationen.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes

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