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Gewerbe uneins über europäische Straßenagentur

23.05.2016 10:50 Uhr
Gewerbe uneins über europäische Straßenagentur
Kontrolle aus einer Hand: Eine Behörde soll für Europas Straßen zuständig sein
© Foto: Fotolia/Bits and Splits

In Brüssel streitet man über Sinn oder Unsinn der EU-Straßenagentur. Das Gewerbe ist sich nicht einig, ob die Behörde alte Probleme lösen oder neue schaffen würde.

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Brüssel. Es gibt eine europäische Agentur für den Seeverkehr (in Lissabon), für den Luftverkehr (in Köln) und für den Eisenbahnverkehr (in Valenciennes). Deswegen denken manche, dass die EU auch eine Agentur für den Straßenverkehr braucht. Aufgaben für eine europäische Straßenbehörde gäbe es genug: Sie könnte dafür sorgen, dass die zahlreichen Vorschriften, die die EU für den Straßengüterverkehr in den letzten Jahrzehnten erlassen hat, flächendeckend und einheitlich umgesetzt werden. Sie könnte darauf achten, dass die Mitgliedsstaaten bei der Kontrolle von Tachografen, Kabotageregeln oder der sozialen Vorschriften enger und wirksamer zusammenarbeiten. Sie könnte technische und Sicherheitskontrollen der Fahrzeuge organisieren oder ein europäisches System zur Mauterhebung entwickeln. Davon träumten bis Anfang letzten Jahres die Beamten der EU-Kommission.

Bürokratische Exzesse

Seitdem wird in Brüssel ein Grundsatzstreit ausgefochten. Die einen sehen in der Straßen-Agentur den Einstieg in neue, bürokratische Exzesse, andere den Garanten für fairen Wettbewerb im Straßengüter- und Personenverkehr. Verkehrskommissarin Violeta Bulc hält die Straßenagentur eigentlich für notwendig, traut sich aber nicht mehr, sie vorzuschlagen, seit die EU-Mitgliedstaaten deutlich gemacht haben, dass sie überwiegend dagegen sind – vor allem die großen. In der Kommission hofft man jetzt, die europäische Eisenbahnagentur ERA durch zusätzliche Abteilungen für die Straße in eine „Agentur für den Landverkehr“ umwandeln zu können.

Das Parlament ist uneins: die Sozialdemokraten sind dafür, für die Grünen hat die Straßenagentur „keine Priorität“, die Konservativen wollen ihr nur beschränkte Vollmachten verleihen, die Liberalen sind allenfalls bereit, darüber nachzudenken. Das Gewerbe selber ist nicht sicher, ob eine Straßenagentur die alten Probleme löst oder eher neue Probleme schafft. Die Internationale Straßenunion (IRU) sei grundsätzlich für die Straßenagentur, sagt ihr Sprecher, Stuart Colley, wenn sie sich darauf beschränke „die Umsetzung der Vorschriften für den Gütertransport zu überwachen und dafür zu sorgen, dass der Markt funktioniert und seine Regeln eingehalten werden“. 

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Karlheinz Schmidt, räumt ein: Theoretisch sei eine Straßenagentur die richtige Antwort auf die aktuellen Probleme. In der Realität fehlten jedoch alle Voraussetzungen dafür. Eine einheitliche Anwendung der Kabotageregeln etwa könnte die Straßenagentur nur durchsetzten, wenn sie weisungsbefugt gegenüber den nationalen Behörden wäre, in Deutschland beispielsweise gegenüber dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Die Mitgliedsstaaten seien jedoch nicht bereit, die entsprechenden Kompetenzen an eine europäische Behörde abzutreten. Im Ergebnis, befürchtet Schmidt, würden die Kabotagevorschriften in den verschiedenen Mitgliedsstaaten weiter unterschiedlich gehandhabt und die Beamten der Straßenagentur würden sich noch mehr neue Vorschriften für das Transportgewerbe ausdenken.

Streit um Sozialvorschriften

Auch der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) hält nichts von der Straßenagentur. Weil die europäischen Regeln im Güterverkehr von den nationalen Behörden durchgesetzt werden müssten, würde eine europäische Agentur „nicht zu einer wirkungsvolleren Durchsetzung der EU-Vorschriften beitragen, sondern nur die Kosten und den bürokratischen Aufwand hochtreiben“. Ferbers Kollegen in der konservativen EVP-Fraktion stehen der Straßenagentur aufgeschlossener gegenüber: „Wir brauchen sie für die ganzen Probleme, die wir haben: mit der Kabotage, dem schlechten technischen Zustand vieler Lkw, dem Mangel an Parkplätzen, der Übermüdung der Fahrer, die ihre Ruhezeiten nicht einhalten“, sagt EVP-Obman Wim van de Camp. Die Frage sei: „Soll die Straßenagentur auch die sozialen Vorschriften überwachen? Da bin ich strikt dagegen, denn das ist Sache der Mitgliedsstaaten.“

Die Sozialdemokraten wollen dagegen, dass die Straßenagentur auch gegen Sozialdumping vorgeht. Der Verkehrsausschuss hat diese Forderung nicht übernommen. Die Kommission soll die Idee einer europäischen Straßenagentur zwar weiter verfolgen, aber nur im Hinblick auf gemeinsame Standards (zum Beispiel bei der Mauterhebung) und eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten.  (tw)

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