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Deutsche Werften kämpfen ums Überleben

09.09.2010 10:51 Uhr
Deutsche Werften kämpfen ums Überleben
Aktuell sind 16.760 Mitarbeiter bei den Werften tätig
© Foto: Jens Koehler / ddp

IG Metall Küste: Kritisches Niveau bei Auftragseingang der deutschen Schiffbauer / Gewerkschaft fordert Unterstützung von der Bundesregierung und EU

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Hamburg. Während die deutschen Werften und Zulieferer auf der Weltschiffbauleitmesse "Schiff, Maschine, Meerestechnik" (SMM) intensiv um Kunden und Aufträge werben, sieht sich die Gewerkschaft IG Metall dazu genötigt, einen knallharten Kontrapunkt zu setzen. In ihrer zum 19. Mal angefertigten und jetzt in Hamburg am Rande der SMM vorgestellten Schiffbauumfrage sieht sie weite Teil der deutschen Schiffbauindustrie ums Überleben kämpfen.

Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IG Metall Küste, machte auf das "kritische Niveau" beim Auftragseingang der deutschen Schiffbauer aufmerksam. Zugleich übte sie heftige Kritik an der Haltung der Bundesregierung gegenüber dem maritimen Sektor. "Es fehlt nicht nur an Aufträgen, sondern auch an einem geeigneten Konzept der Bundesregierung, um die Krise zu bewältigen", sagte Blankau bei der Vorlage der Umfrage, deren Durchführung und Ausarbeitung wieder gemeinsam mit dem Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen vorgenommen worden war.

China: Anstieg der Auftragseingänge im ersten Halbjahr um 420 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum

Von den bis Ende Juni 2010 seitens der Reedereien erteilten 659 Handelsschiffsaufträgen konnten sich deutsche Werften laut Gewerkschaft gerade 22 Order sichern. Unter den Aufträgen dominierten Bulker mit einem Anteil von 400 Schiffen. Der mit Abstand größte Auftrags-Gewinner ist die Schiffbauindustrie in China. Sie vermeldete im Juli diesen Jahres einen Anstieg der Auftragseingänge von 420 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2009. Bei den Containerschiffneubestellungen sind die Reeder weiterhin zurückhaltend. Im ersten Halbjahr 2010 wurden weltweit gerade 21 Neubauorder vergeben.

Für die deutschen Werften hat sich der Containerschiffneubau nach Einschätzung der IG Metall und der Bremer Wissenschaftler hingegen erledigt. "Sie sind nicht mehr konkurrenzfähig", kommentieren die Schiffbauexperten von IG Metall und dem Bremer Institut.

Anzahl der bei deutschen Werften Beschäftigten ging um fast ein Fünftel zurück

Die katastrophale Auftragslage der deutschen Werften spiegelt sich auch in der Beschäftigungsentwicklung wider. Seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Herbst 2008 verloren bis heute rund 3800 Beschäftigte – ein Rückgang von gut 18,4 Prozent – ihren Arbeitsplatz. Aktuell sind noch 16.760 Mitarbeiter bei den Werften tätig. Um Bedarfsspitzen auszugleichen setzen die Unternehmen wieder verstärkt auf Leiharbeiter. Gegenwärtig liegt die Leiharbeiterquote bei über zwölf Prozent nach rund zehn Prozent im vergangenen Jahr. In absoluten Zahlen heißt das: Gut 2000 Leiharbeiter bilden die Schwankungsreserve der Werften.

Noch mehr beunruhigt die IG Metall, dass die Ausbildungsbereitschaft und –fähigkeit der Werften als Folge der Krise weiter zurückgeht. Ende September gab es auf deutschen Werften noch 1163 Auszubildende- mehr als ein Drittel weniger als 2008. Für die Schiffbauexpertin Blankau ist diese Handlungsweise der Werften extrem kurzsichtig. Sie dürften nicht auf der einen Seite "über einen Fachkräftemangel jammern und gleichzeitig Lehrstellen streichen. Das passt nicht zusammen". Neueinstellungen erfolgten praktisch nur noch zeitlich befristet.

Zukunft der deutschen Schiffbauer liegt im Spezialschiffbau wie Offshore

Was die weitere Zukunft der deutschen Schiffbauer angeht, machen IG Metall und die Bremer Wissenschaftler zwei wesentliche Arbeitsfelder aus: Spezialschiffbau wie Offshore und das große Thema Umweltschutz. Doch auch um solche Aufträge müssen die Werften hart kämpfen, weil der internationale Wettbewerb so massiv ist. Dabei brauchen sie die aktive Unterstützung durch die Bundesregierung, mahnen Jutta Blankau und die Bremer Wissenschaftler. Auch die EU-Kommission sehen sie in der Pflicht. Das zwischen der EU und der großen Schiffbaunation Südkorea noch für dieses Jahr angestrebte Freihandelsabkommen dürfe in keinem Fall dazu führen, dass am Ende "der deutsche und europäische Schiffbau endgültig aufgegeben und ins politische Abseits gedrängt wird", mahnt IG Metall-Bezirksleiterin Blankau.

Als kleiner Stimmungsaufheller wirkt da die Mitteilung der voll in der Umstrukturierungsphase befindlichen Sietas-Werft über die Vertragsunterzeichnung für drei neue Doppelendfähren für die dänische Nordic Ferry Services-Gruppe. Sie haben einen Wert von rund 60 Millionen Euro. Die Schiffe sollen vom Herbst 2011 bis Frühjahr 2012 ausgeliefert werden. Aktuell hat die 2009 ums Überleben kämpfende Werft acht Spezialschiffe im Portfolio. Noch in diesem Jahr beziehungsweise Anfang 2011 liefert das Unternehmen noch vier Schiffe aus, darunter zwei Schwergutfrachter für die Reederei Schifffahrtskontor Altes Land (SAL). Der vorhandene Auftragsbestand reicht nach aktueller Einschätzung nicht aus, um all 640 Mitarbeiter durchgängig zu beschäftigen. So deutet sich für das Jahresende eine kurzfristige "Auslastungslücke" an. Sie könnte im Extremfall 200 Mitarbeiter der Sietas-Gruppe treffen. Die Lücke will die Reederei über ein wohl durchdachtes Maßnahmenbündel schließen. (eha) 

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