Stuttgart/Frankfurt. Die neuen Treibstoffvorschriften für die Containerschifffahrt sind nach Einschätzung von Ökonomen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) eine Gefahr für die Weltwirtschaft. Wenige Monate vor dem faktischen Verbot von Schweröl zugunsten schwefeldioxidärmerer Schiffstreibstoffe warnt Analyst Per-Ola Hellgren: „Als Konsequenz könnte das Weltwirtschaftswachstum 2020 spürbar geringer ausfallen, da mehr als 80 Prozent des Welthandels über die Schifffahrt abgewickelt werden.“ Er verweist auf die hohen Kosten der Umstellung und eine mangelhafte Vorbereitung der Reedereien.
Hellgren erwartet steigende Kosten und sinkende Schiffskapazitäten, die den Welthandel belasten würden. Damit käme neben dem Handelsstreit zwischen den USA und China ein weiterer großer Belastungsfaktor hinzu. Die geplante Einführung der neuen Vorgaben zum Jahreswechsel würde sogar die Gefahr einer weltweiten Rezession erhöhen, heißt es in der Studie. Noch erwartet die LBBW im Jahr 2020 einen Anstieg der weltweiten Wirtschaftsleistung um 3,1 Prozent. Unter einer Rezession versteht man den Rückgang des Bruttoinlandsproduktes in zwei aufeinander folgenden Quartalen.
Kosten für die Branche könnten über eine Billion US-Dollar betragen
Der mit Schweröl betriebene Schiffsdiesel gehört zu den schadstoffreichen Verbrennungsmotoren. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (International Maritime Organization, IMO) hat bereits im Jahr 2016 festgelegt, dass der Schwefelgehalt des Treibstoffs ab Januar 2020 nur noch maximal 0,5 Prozent betragen darf. Hellgren sieht darin die größte Veränderung der Schiffskraftstoffe seit der Umstellung von Kohle auf Öl, die um das Jahr 1930 stattfand. Er verweist auf eine Studie von S&P Global Platts, laut der sich die Kosten für die Branche in den kommenden fünf Jahren auf mehr als eine Billion US-Dollar belaufen werden.
Bislang sei bei einem großen Teil der globalen Handelsflotte noch nichts unternommen worden, heißt es in der Studie. Schließlich müssten bis zu 70.000 Seeschiffe umgerüstet oder verschrottet werden. „Hierdurch werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der internationalen Schifffahrt gleichzeitig die Kosten steigen und die verfügbaren Kapazitäten sinken“, schreibt Hellgren. Beim Treibstoff könne es sogar teilweise zu Versorgungsengpässen kommen. (dpa/fa)
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15.10.2019
Horst Köhler
Weltweite Rezession wegen schwefelarmer Schiffskraftstoffe sehr unwahrscheinlich
Dass der weltweite Handel durch die ab Januar 2020 vorgeschriebenen schwefelarmen Schiffskraftstoffe belastet wird oder gar eine weltweite Rezession zu befürchten ist, wie dies die Landesbank Baden-Württemberg vorhersieht, ist wohl stark übertrieben. Wenn in der Studie von einem "faktischen Verbot von Schweröl" oder von schwefeloxidärmeren Schiffstreibstoffen" die Rede ist, merkt man erst Recht, dass die Verfasser nicht aus dem Schiffssektor kommen: denn
schwefelhaltiges Schweröl ist im Prinzip nicht verboten, wenn durch Abgaswäscher (Srubber) dafür gesorgt wird, dass die bei der Verbrennung entstehenden Schwefeloxide eliminiert werden und "schwefeloxidärmere Treibstoffe" gibt es auch nicht, sondern nur schwefelarme Kraftstoffe. Freilich ist der Bunker-Preisunterschied zwischen billigem schwefelhaltigen Schweröl (gestern, 14.10.2019, in Rotterdam: 293 US-$/Tonne) und dem Ultra Low Sulphur Fuel Oil (ULSFO, 14.102019, Rotterdam: 535 US-$/Tonne) angesichts des hohen Verbrauchs der Großdieselmotoren enorm. Daher werden die meisten Reeder von existierenden Handelsschiffen auch keinen schwefelfreien Kraftstoff verwenden, sondern weiterhin herkömmliches Schweröl und die dabei entstehenden Schwefeloxidverbindungen im Abgas mittels Scrubber entfernen. Die erforderliche Nachrüstung hat zwar auch ihren Preis, ist aber deutlich wirtschaftlicher als die Verwendung teurer schwefelarmer Kraftstoffe. Indizien für eine Belastung des Welthandels sehe ich nicht.
Horst Köhler, Friedberg