Wohin fährt die neue Bahn? - Nervosität vor Börsengang-Votum wächst

21.02.2006 11:43 Uhr

Je knapper die Zeit, desto größer wird die Nervosität bei allen Beteiligten. Denn „bis zum Sommer“ will Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) eine „politische Verständigung“ über einen Börsengang der Deutschen Bahn erreichen. Im Herbst soll dann die Entscheidung gefallen sein.

Berlin. Und auch der bundeseigene Konzern drängt: „Die Diskussion muss ein Ende haben“, sagte Konzernsprecher Werner Klingberg. Sie belaste sonst zunehmend Unternehmen und Mitarbeiter. Die Gretchenfrage lautet: Wie kann die Bahn künftig am erfolgreichsten agieren? Als „integrierter Konzern“ – also mit Personenverkehr, Gütertransport, Dienstleistungen und Schienennetz in einer Hand – oder ohne das 35.000 Kilometer lange Streckensystem? In diesem Fall hätten es die anderen Teile vielleicht leichter am Kapitalmarkt. Wenige Monate vor der Entscheidung ist die Aufregung groß. In einem Gutachten im Auftrag des Verkehrsministeriums werden fünf Varianten - mit oder ohne Netz - untersucht, eine Festlegung auf eine davon aber vermieden. Die Gutachter haben einige Passagen geschwärzt, um sensible Unternehmensdaten zu schützen, wie es hieß. Die Bundestagsabgeordneten, die später über ein Privatisierungsgesetz zu entscheiden haben, zeigten sich empört, als sie vorige Woche von Details erfuhren, die unter den schwarzen Balken verborgen waren. Die Abgeordneten sollten offenbar „für dumm verkauft werden“, wetterte der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich, der sich schon häufiger an Bahnchef Hartmut Mehdorn gerieben hatte. Volle Transparenz forderten auch die anderen Fraktionen. Bei Union und Grünen wurde vor Streckenstilllegungen gewarnt, die die Bahn offenkundig anstrebe. Der Konzern weist das weit von sich und erhält Unterstützung von der Gewerkschaft Transnet. Es gebe kein Programm für Streckenstilllegungen. So stehe es auch nicht in dem Gutachten. „Sonst hätten wir als erste protestiert“, sagte Transnet-Chef Norbert Hansen. Der zieht auch sonst eigentlich an einem Strang mit Mehdorn. Die beste Lösung sei es, das Unternehmen als Ganzes an die Börse zu bringen, stimmt er dem Konzernchef zu. Hansen sieht dabei Vorteile für Mitarbeiter und Kunden. Den einen bliebe die tarifvertraglich garantierte Beschäftigungssicherung bis Ende 2010. Die anderen könnten sicher sein, dass Fahrpläne auch weiterhin aufeinander abgestimmt werden. Anders als Mehdorn stellt Hansen aber die Einheit der Bahn über alles. Ihre „Zerschlagung“ müsse unter allen Umständen verhindert und notfalls auf den Börsengang verzichtet werden. Dafür würden die Gewerkschaften auch streiken. Angesichts solch offensiver Äußerungen und der Unruhe im Parlament macht man sich in der Umgebung des Unternehmens inzwischen Sorgen: „Die Bahn hat von internationalen Investoren Signale erhalten, dass das Hickhack um den Börsengang nicht gut ankommt. Die Investoren haben wenig Sinn dafür.“

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