Studie "Top 100 der Logistik": Die wichtigsten Ergebnisse

20.08.2003 07:20 Uhr
83 Milliarden Euro des Logistikmarktvolumens entfallen auf Industrie und Handel (Inhouse)

Der deutsche Logistikmarkt hat ein Volumen von 150 Milliarden Euro und beschäftigt 2,06 Millionen Mitarbeiter – das ergeben neueste wissenschaftliche Berechnungen. Lesen Sie wichtigsten Ergebnisse der "Studie Top 100 der Logistik".

Die Logistikwirtschaft neu zu vermessen, an diese Mammutaufgabe hat sich wieder Professor Peter Klaus vom Lehrstuhl für Logistik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg gewagt. Nach 1999 gibt die jetzt erschienene Nachfolgestudie die „Top 100 der Logistik 2003“ wieder Auskunft über Größe und Top-Player der deutschen und europäischen Logistikbranche. Zu dieser nicht ganz klar definierten Branche der Logistik zählt der international anerkannte Wissenschaftler Gütertransporte, Umschlag-, Kommissionier- und Lageraktivitäten in der gesamten Wirtschaft sowie die zugehörigen administrativen Auftragsabwicklungs-, Dispositions-, Supply-Chain-Planungs- und Bestandshaltungskosten. Nicht der Logistikwirtschaft zugehörig hält Klaus jene wirtschaftlichen Aktivitäten, die sich innerhalb industrieller Produktionsprozesse abspielen und üblicherweise den Funktions- und Kostenverantwortlichkeiten der Fertigung zugeordnet sind – zum Beispiel das Materialhandling in Produktionslinien. In seine Logistikmarktbetrachtung ebenfalls nicht einbezogen hat Klaus auch die Aktivitäten in den Filialen des Einzelhandels, die durch das Verkaufspersonal durchgeführt werden. Dazu gehören Regalpflegeaktivitäten und das Warenhandling an der Kasse. Für die so definierte Logistikbranche ergibt sich ein auf das Jahr 2001/2002 bezogenes Marktvolumen von 150 Milliarden Euro für Deutschland und 585 Milliarden Euro für Europa (15 alte EU-Länder plus Norwegen und Schweiz). Klaus korrigiert damit seine 1999 veröffentlichten Zahlen von 122 (Deutschland) und 444 (Europa) Milliarden Euro. „Diese Veränderung ist ein statistischer Effekt und kein Wachstumseffekt“, erklärt Klaus. Er ergebe sich durch genauere amtliche Statistiken. Mit den 150 Milliarden Euro würde die Logistikbranche in der Industrie-Branchensystematik des Statistischen Bundesamtes den vierten Platz hinter dem Fahrzeugbau (271 Mrd. Euro), Elektrotechnik (167 Mrd. Euro) und dem Maschinenbau (157 Mrd. Euro) einnehmen. Die Logistikwirtschaft wäre somit größer als die Chemieindustrie (130 Mrd. Euro) oder die Ernährungsindustrie (125 Mrd. Euro). Bei den Arbeitsplätzen nimmt die Logistikbranche sogar den ersten Platz unter den klassischen Industriebranchen ein. Professor Klaus rechnet der Logistikbranche 2,06 Millionen Beschäftige zu. Der umsatzstarke Fahrzeugbau zählt laut Statistischem Bundesamt dagegen nur 862.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftige. Aber weder die Zahl der Beschäftigten noch das Marktvolumen wird allein von den Logistikdienstleistern erbracht. Ganz im Gegenteil. Mit einem Anteil am Marktvolumen von 55 Prozent und 1,06 Millionen Beschäftigten stellt die so genannte Inhouse-Logistik von Industrie und Handel immer noch den größten Anteil der Gesamtlogistikbranche da. Die Dienstleister, zu denen auch Ausgründungen von Industrieunternehmen wie VW Transport oder Bertelsmann/Arvarto zählen, kommen nur auf ein Marktvolumen von jährlich 67 Milliarden Euro (schon bereinigt um brancheninterne Umsätze). Aber dieser Anteil wird steigen. Klaus glaubt, dass sich dieses Verhältnis in den kommenden fünf bis zehn Jahren auf 40 zu 60 umkehren könnte. Damit würde der Logistikdienstleistungsmarkt auf 90 Milliarden Euro anwachsen. Das größte Wachstumspotenzial sieht Klaus für den Bereich der Kontraktlogistik. Hier prognostiziert er für die kommenden drei Jahre eine Steigerung von 1,5 bis 2 Milliarden Euro jährlich. Für den Gesamtmarkt von 150 Milliarden Euro sieht Klaus für die nächsten Jahre kein Anwachsen: „Die Wachstumseffekte durch verstärkte internationale Transporte und zeitempfindliche Kleinstsendungen werden durch die Rationalisierungseffekte kompensiert.“ Es findet nur eine Umverteilung statt – auch bei den Arbeitsplätzen. „Von hundert Arbeitsplätzen, die in Industrie- und Handel wegfallen, werden 80 neue bei den Dienstleistern geschaffen. Es kann laut Klaus aber zu einem Wachstum des 150-Milliarden-Euro-Marktes kommen, wenn das Aufgabenspektrum der Logistik weiterhin steigt (zum Beispiel Montagearbeiten, Betrieb von Call-Centern)und sich damit auch die Definition der Logistik ändere. Dieses Wachstum gehe aber letztendlich zu Lasten der Produktion oder anderer Bereiche der Industrie- und Handelsunternehmen. Als Mythos bezeichnet Klaus den „explodierenden Gütertransport in der global vernetzten Welt“. Die Statistiken belegten eindeutig, dass die Gütermengen schon seit mehreren Jahren nicht mehr wachsen – was ansteige, seien die Transportweiten. Dies führe zu den extrem steigenden Tonnenkilometer-Werten in den amtlichen Statistiken. In der Öffentlichkeit werden die Steigerungswerte gerne mit Erhöhungen der Verkehrsbelastung gleichgesetzt. „Das ist falsch“, sagt Klaus. Natürlich erhöhe sich durch längere Lkw-Fahrzeiten die Verkehrsbelastung. „Aber ein zehnprozentiger Distanzzuwachs hat vielleicht ein Viertel der Verkehrsbelastungswirkung wie ein zehnprozentiger Gütermengenzuwachs“, schätzt Klaus. „Die amtlichen Tonnenkilometerzahlen vermischen dies, und so kommt es zu den wirklich überzogenen Vorstellungen.“ Als Deutschlands größten Logistikdienstleister weist Klaus aufgrund der Geschäftszahlen von 2001 die Deutsche Post AG aus. Durch das 2002 stattgefundene Zusammengehen von DB Cargo und Schenker/Stinnes nimmt aber die Stinnes AG nun den Platz des größten deutschen Logistikdienstleisters ein. Die Deutsche Post bleibt hingegen Europas Nummer 1, da die DB-Cargo ihre Umsätze größtenteils national erwirtschaftet. Das Gesamtranking „der Top 100 der Logistik“ findet sich in der gleichnamigen Studie, die den Logistikmarkt in Deutschland und Europa detailliert aufschlüsselt. Bestellbar für 299,60 Euro beim Deutschen Verkehrs-Verlag unter Telefon: 040/23714-139.

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