Madrid/Lissabon. Die Restaurants bieten kaum noch Fischgerichte an, in den Supermärkten werden Milch und Joghurt knapp, die Autoindustrie muss die Produktion einstellen, die Häfen sind blockiert, Kinder kommen zu spät zur Schule. Die streikenden Lastwagenfahrer in Spanien bringen weite Teile der Wirtschaft des Landes zum Erliegen. Dabei bilden die Spediteure, die seit Montag aus Protest gegen die hohen Treibstoffpreise streiken, nur eine Minderheit der Branche. Die meisten Fuhrunternehmen und LKW-Fahrer - bis zu 80 Prozent der Transportbranche - sind gegen den Ausstand. „Wie ist es möglich, dass 20 Prozent der LKW-Fahrer das ganze Land an den Rand des Zusammenbruchs bringen können?“, fragte die Zeitung „El Mundo“. Die Antwort: Die Streikenden blockieren mit ihren LKW wichtige Autobahnen, ihre Streikposten versperren die Zufahrt zu Häfen und Großmärkten. Infolge der Blockaden wird in Städten wie Madrid und Barcelona nur noch ein Bruchteil der sonst üblichen Menge von Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse angeliefert. Die Streikposten gehen bei ihren Blockaden nicht gerade zimperlich vor. In zahllosen Fällen stachen sie Lastwagen, deren Fahrer sich nicht am Streik beteiligen, die Reifen platt und schlugen die Windschutzscheiben ein. „Die Streikposten sind bewaffnet wie Stadtguerillas“, schrieb „El Mundo“ und forderte die Festnahme der Chefs der Spediteursverbände, die zu dem Streik aufgerufen hatten. Die Zeitung machte die Streikposten für die Atmosphäre der Gewalt verantwortlich, die den Konflikt zunehmend beherrscht. In Ostspanien setzten Unbekannte in der Gegend von Alicante fünf LKW in Brand. Ein Fahrer, der in seiner Kabine schlief, erlitt schwere Verletzungen. Auch in Murcia und in Arazuri in Nordspanien gingen Lastwagen in Flammen auf. Die Streikposten sind mittlerweile so verhasst, dass in mehreren Fällen nicht streikende LKW-Fahrer deren Stoppzeichen missachteten und streikende Kollegen anfuhren. Bei Granada wurde dabei ein Streikposten getötet. Die Polizei geht nur in Einzelfällen gegen die Blockaden vor. An der spanisch-französischen Grenze bei La Junquera lösten die Beamten heute eine von Streikposten errichtete Sperre auf, an der 3000 Lastwagen festgesessen hatten. Für einen mit Rindfleisch beladenen LKW-Konvoi aus Polen kam die Polizei-Aktion indes zu spät. „Das Fleisch fängt schon an zu stinken“, berichtete ein Fahrer. Dabei ist der Streik der LKW-Fahrer im Grunde illegal. Er werde nicht durch das Streikrecht gedeckt, betonten die von der Zeitung „El País“ befragten Juristen übereinstimmend. Die Streikenden seien keine Arbeitnehmer, sondern Selbstständige und Kleinunternehmer. Die Spediteure könnten sich auch nicht auf das Recht auf Aussperrung berufen. Eine Aussperrung sei nur als Reaktion auf einen Streik zugelassen. In Südspanien und in Mittelportugal waren am Dienstag zwei Streikposten von Lastwagen, deren Fahrer sich nicht an dem Streik beteiligten, angefahren und getötet worden. Die Madrider Regierung verständigte sich derweil mit den übrigen Spediteursverbänden auf ein Paket von Maßnahmen, die die Auswirkungen der hohen Treibstoffpreise abmildern sollen. Die Verbände, die die Offerte der Regierung annahmen, machen ungefähr 80 Prozent der Transportbranche aus. Dagegen lehnten die Vertreter der Streikenden die Offerte ab und bezeichneten die Verhandlungen als eine „Farce“. In Portugal beschlossen die am Streik beteiligten Spediteursverbände, den Ausstand fortzusetzen. „Die Regierung bleibt in der Frage der Treibstoffpreise hart“, sagte ein Sprecher. (dpa)
Streikfront nach Todesfällen verhärtet
In Spanien und Portugal eskalieren die Proteste von Lastwagenfahrern, Spaniens Wirtschaft am Rande des Zusammenbruchs