Arbeitsminister Franz Müntefering, SPD, ist ein kluger Mann. Vor allem die taktischen Spielchen in der Politik beherrscht er perfekt. Es verwundert also kaum, dass er gerade jetzt die Öffnung des deutschen Briefmarktes zum 31. Dezember 2007 in Frage stellt, obwohl dies als längst beschlossen galt. Jeder weiß, wie sehr dem Vizekanzler – zusammen mit den Gewerkschaften – das Thema Mindestlohn am Herzen liegt. Müntefering weiß aber auch, wie sehr die Kurier-, Express- und Paketunternehmen die Liberalisierung herbeisehnen, weil sie sich da nicht nur neue Geschäftschancen erhoffen, sondern auch bereits Milliardenbeträge in diesen neuen Markt investiert haben. Doch handelt es sich bei Münteferings Drohung wirklich nur um taktisches Kalkül, um so die Wettbewerber der Post zu sozialverträglichen Löhnen zu zwingen? Richtig ist: Es wäre gefährlich, die jüngste Diskussion in Berlin zu unterschätzen. Erstens, weil die SPD nach wie vor auf der Suche nach einer stärkeren Profilierung ist: Das Thema Mindestlohn kommt da sehr gelegen. Zweitens, weil die anhaltende Krise des Ex-Monopolisten Telekom nicht gerade Mut für die Aufhebung eines weiteren Monopols macht. Drittens, weil nach wie vor die Forderung im Raum steht: Der deutsche Briefmarkt solle erst im Gleichklang mit den anderen EU-Staaten geöffnet werden, also nicht 2008, sondern frühestens 2009. Die Zitterpartie für KEP-Dienstleister hält also an: ihnen droht – nach 2002 – nun schon zum zweiten Mal der Riegel an der Tür in einen neuen Markt vorgeschoben zu werden, in dem sie tausende von Arbeitsplätzen schaffen wollen. Bleibt nur die Frage, ob sie noch den Mut, die Lust und das Geld für einen dritten Anlauf hätten … Eva Hassa Redakteurin
Postliberalisierung: Münteferings Kalkül
Der Kommentar der Woche von Eva Hassa, Redakteurin