Pack an, Kollege Roboter!

Im Lager übergibt der Logistiker schwere Pakete an seinen Kollegen. Mit seinen Stahlarmen hebt er sie hoch, vorher weicht er noch einem anderen Roboter aus. Auf dem Weg zur Ladezone unterstützt er einen Angestellten bei der Verpackung. Je mehr Personen ihn umgeben, desto vorsichtiger fährt er. Mit seinen menschlichen Kollegen kommuniziert er über Handsignale und einen Touchscreen.Nach der Verladung von "Roboterhand" gelangen die Pakete per Lkw zum nächsten Sortierzentrum. Drohnen oder mobile Paketroboter liefern sie dann aus, oder der Empfänger schickt sein selbstfahrendes Fahrzeug zum Sortierzentrum, um die Lieferung abzuholen. Diese Aufgaben werden von Mitarbeitern in einer Robotersteuerungszentrale überwacht. Sie treffen Schlüsselentscheidungen, wenn etwa Pakete umgepackt oder neu gelabelt werden müssen oder eine Zollkontrolle fällig ist. Mit kollaborierenden Robotern, kurz "Cobots", werden die Sortier- und Distributionszentren der Zukunft rund um die Uhr arbeiten. So sieht jedenfalls die Vision des Logistikdienstleisters DHL aus. Was klingt wie Science Fiction, ist in den USA schon auf dem Weg in die Realität: DHL Supply Chain setzt dort in seinen Lagerhäusern die Cobots "LocusBots" von Locus Robotics und "Sawyer" von Rethink Robotics ein.Flexibilität trotz PersonalmangelsSeit Mitte 2017 nutzt die Kontraktlogistiksparte der Deutschen Post auch vier Sawyer-Roboter an 19 Co-Packing-Standorten und Logistikzentren in Großbritannien. Die Cobots verpacken dort unter anderem Tiernahrung, Süßwaren, Spray- und Getränkedosen. "Der Anstieg des E-Commerce hat im Logistiknetzwerk zu einer starken Zunahme an Sendungen geführt. Die Sawyer-Roboter bieten uns den Grad an Flexibilität, den wir benötigen, um schnell auf sich ändernde Bedürfnisse reagieren und um den Personalmangel zu decken", berichtet Simon Woodward, Leiter Co-Packing und Produktionslogistik von DHL Supply Chain UK & Irland. Zum Einsatz kommen die Cobots beispielsweise zu Saisonspitzen wie in der Vorweihnachtszeit.Auch die Letzte-Meile-Belieferung per Cobot ist im Kommen. In einigen US-Staaten transportieren bereits kleine autonome Lieferroboter des Herstellers Starship Pakete im Echtbetrieb zum Endkunden. In einem Radius von wenigen Kilometern vom Startpunkt aus fahren sie mit einer maximalen Geschwindigkeit von umgerechnet 16 km/h. Ein menschlicher Controller schreitet ein, wenn sie stecken bleiben. Die Waren schaltet der Empfänger per Telefon frei. Auch Hermes testete die Starship-Roboter schon in London und Hamburg. Bis sich Cobots flächendeckend durchsetzen, wird es aber noch viele Jahre dauern, auch wegen rechtlicher Hürden. Und trotz rasanter Fortschritte in der Robotik erfordern viele Aufgaben in der Logistik nach wie vor eine Geschicklichkeit, die nur Menschen bieten können, betonen Experten. Dennoch bescheinigen sie kollaborierenden Robotern in der Logistik eine große Zukunft. Denn abgesehen von Ausnahmen wie Amazon ist das Ausmaß der Automatisierung in der Branche immer noch gering, konstatiert die International Federation of Robotics (IFR) in ihrem Positionspapier "Robots and the Workplace of the Future". Auch wenn Roboter bereits in Lagern Paletten auf und von Lkw laden oder Ware zum Kommissionierer bringen, so beschränke sich ihr Einsatz bislang weitgehend auf Standardsendungen und -wege sowie feste Arbeitsroutinen.Fortschritte beim Sehen und GreifenIm Gegensatz dazu können Cobots auch komplexere, sich ändernde Abläufe im direkten Zusammenspiel mit dem Menschen bewältigen. Neue Features beim Sehen und Greifen gepaart mit Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichen das schon heute. So können Roboter inzwischen einzelne Artikel kommissionieren oder Lkw mit Paketen unterschiedlichen Gewichts, verschiedenen Formen und unterschiedlicher Robustheit beladen. In Zukunft sollen sie auch einzelne Teile aus einem Behälter mit ähnlichen oder unähnlichen Teilen identifizieren können, auch wenn diese ganz oder teilweise verdeckt sind. Vor allem sollen Logistik-Roboter in Zukunft monotone und körperlich anstrengende Aufgaben übernehmen. Schon 2017 nutzte hierzulande jedes zehnte Handelsunternehmen Roboter für die Warezum-Mann-Kommissionierung, geht aus der Studie "Robotics4Retail: Status quo, Potenziale und Herausforderungen" hervor, für die das EHI Retail Institute im vergangenen Jahr 29 Händler interviewte.Als Grund für den Einsatz nannte jeder Dritte den Fachkräftemangel in der Logistik. Die wichtigsten Beweggründe sind demnach die variable Einsetzbarkeit von Robotern, die Bewältigung großer Auftragsvolumen in Spitzenzeiten und ihre hohe Ausfallsicherheit. Für eine erfolgreiche Einführung ist für ein knappes Drittel der Befragten die Qualifikation der Mitarbeiter entscheidend. Und auch die Roboter sollen laut der IFR neue Fähigkeiten durch Lernprozesse erwerben. Mit intuitiven Verfahren sollen sie bald auch einfacher und schneller zu programmieren sein. Das sei dann auch für klein- und mittelständische Unternehmen interessant, die so Automation ohne erfahrenes Fachpersonal einführen können.Beispielsweise lässt sich Sawyer von Rethink Robotics in wenigen Minuten für eine Aufgabe ausbilden, indem ein Arbeiter seine Gelenke führt und dem Roboter dadurch zeigt, wie er sie auszuführen hat.Greiferwechsel je nach AufgabeSo kann der Cobot vielfältige Tätigkeiten übernehmen - von der Verpackung über die Kommissionierung und die Qualitätskontrolle bis hin zum Materialtransport. Eine eingebaute Kraftmessung und -steuerung lässt ihn anhalten, sobald er einen Gegenstand oder Mitarbeiter berührt. Dass Sawyer den Sicherheitsanforderungen gemäß ISO 10218-1 entspricht, hat der TÜV Rheinland bestätigt.Auch die Steuerungsarchitektur stuften die Prüfer nach ISO 13849-1 als sicher ein. Damit erfülle der Cobot die Schutzmaßnahmen der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Für den schnellen Wechsel von Greifer-Kits ohne Kabelsalat sorgen die Platte "ClickSmart" und die Schnellkupplungsbasis "One Click". Die Software "Intera" erkennt jeden Greifer von Herstellern wie Schunk, Schmalz, Piab, Gimatic, Zimmer Group oder OnRobot automatisch. Perspektivisch könnten sich Roboter sogar per 3D-Druck passende Greifer selbst herstellen. Roboter sind aber nicht nur immer sicherer und flexibel einsetzbar. Sie haben auch einen geringeren Platzbedarf als herkömmliche Automatisierungslösungen, was sie ideal für kleine Bereiche macht.70 Prozent der Mitarbeiter sind dafürErfolgreich wird der Einsatz von Kollege Roboter aber erst dann, wenn auch das Personal und die Kunden die Technologie akzeptieren. Laut dem "Automaticatrend-index", für den das IFR im Januar 7000 Menschen weltweit befragen ließ, glauben immerhin knapp 70 Prozent der Mitarbeiter, dass Robotik und Automation die Chance bieten, qualifiziertere Arbeit zu erlernen. Dass der Mensch dennoch das Herzstück der Logistik bleiben wird, betont DHL in seinem "Logistics Trend Radar 2018/19". Mit digitalen Arbeitskonzepten lasse sich jedoch nicht nur für die vorhandenen, älter werdenden Logistikmitarbeitern die Arbeit erleichtern, sondern auch kompetente Millennials lassen sich dauerhaft an den Logistiksektor binden. Ihnen bescheinigt auch der Roboterhersteller Rethink Robotics ein "mangelndes Interesse an Fabrikarbeit". Dass Arbeitsplätze durch Industrie 4.0 deutlich attraktiver und ergonomischer werden, glaubt Patrick Schwarzkopf. "Das eröffnet eine große Chance für eine bessere Arbeitsplatzgestaltung", betont der Geschäftsführer des Fachverbandes VDMA Robotik + Automation. Allerdings müssen sich dann viele Menschen bald beruflich neu orientieren. Denn bis zum Jahr 2025 werden Maschinen mehr Arbeiten erledigen als Menschen; derzeit übernehmen Letztere noch 71 Prozent.Das prognostiziert das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem "The Future of Jobs Report 2018". Die rasante Entwicklung könnte demnach in den nächsten fünf Jahren 133 Millionen neue Aufgaben entstehen lassen, denen 75 Millionen bis 2022 vermutlich verdrängte Funktionen gegenüberstehen. Zu den dringenden Herausforderungen zählen laut dem WEF Weiterbildungsangebote, die Ermöglichung von Telearbeit und bessere soziale Absicherung für gefährdete Arbeitnehmer. Denn für die Zeit der Umstellung drohen laut Experten auch eine kurzfristige Steigerung der Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne.Cobot "SIR" kommissioniert Schrauben bei WürthIn seinem Logistikzentrum in Riihimäki, nördlich von Helsinki (Finnland), testen Würth und sein IT-Partner Leanware derzeit einen Cobot von Vanderlande. Zusammen mit"Adapto", dem Ein-/Auslager- und Transportsystem von Vanderlande, kommissioniert die Lösung"SIR" ("Smart Item Robotics") Montage- und Befestigungsmaterial für Kundenaufträge."Zunächst prüfen wir, für welche Art von Produkten der Cobot geeignet ist, wie sich der Kommissioniervorgang dadurch verbessert und wie sich die Arbeit zwischen Mensch und Cobot am besten aufteilen lässt", erklärt Terhi Vesala, Logistikmanagerin von Würth in Riihimäki.SIR kann laut Vanderlande verschiedene Produkte ohne Teaching von Artikelnummern bearbeiten. Intelligentes Stapeln ermögliche die effiziente Positionierung von Waren. Noch stecke die Entwicklung in den Kinderschuhen: Von dem Pilotprojekt erhofft sich Vanderlande neue Ideen für die Weiterentwicklung der SIR-Funktionen. akw

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