Logistik boomt. Die Branche liegt mit einem Bruttoumsatzvolumen von 166 Milliarden Euro auf Platz drei der wichtigsten Wirtschaftszweige, beschäftigt 2,6 Millionen Menschen und schreibt eine Erfolgsstory, wie sie Deutschland lange nicht erlebt hat. Verständlich, dass sich der Verkehrsminister und irgendwie auch Deutschlands oberster Logistiker, Wolfgang Tiefensee, auf fast allen logistischen Top-Events, die sich traditionell im Herbst ballen, gerne und ausgiebig im Erfolg sonnt. Und den Zuhörern gefällt, was er sagt: Künftig müsse man über den Tellerrand der Verkehrsträger hinausblicken, ideologische Scheuklappen ablegen, die Verkehrsträger ihren Stärken gemäß einsetzen und selbige intelligent vernetzen. Vom Denken in Wertschöpfungsketten, beschleunigter Infrastrukturplanung und Förderung innovativer Technik zur effizienteren Gestaltung von Schnittstellen ist die Rede. Sogar die Harmonisierung werde kommen, erneuerte Tiefensee das bereits 2003 gegebene Versprechen. Von einem Kongress zum anderen werden die Versprechungen zahlreicher. Ein Minister in Geberlaune, ein Schlaraffenland für die Logistikbranche? Zweifel sind zumindest angebracht, denn „Politik ist, man zieht den Leuten das Geld aus der Tasche und gibt es ihnen in einer Zeremonie zurück, die sie Glauben macht, sie würden beschenkt“, sagt Tiefensee nämlich auch gerne in seinen Reden. Was die Versprechungen also wert sind, ob sich die Verkehrspolitik wirklich ändert und auf die Erfordernisse eines Logistikstandorts einstellen kann, wird sich zeigen. Geändert hat sich bisher nur die Sprache. Früher: Die Schiene hat Vorrang. Heute: Die Zeit der ideologischen Bevorzugung einzelner Verkehrsträger ist endgültig vorbei, aber alles was in Schiene und Umschlag investiert wird, kommt der Straße zugute (Tiefensee). Es würde schon genügen, wenn eines Tages dort in die Infrastruktur investiert wird, wo auch der Verkehr ist. Anita Würmser Chefredakteurin
Logistikbranche: Zu viele Versprechen
Der Kommentar der Woche von Anita Würmser, Chefredakteurin