Kuddelmuddel

KuddelmuddelEs knirschte schon lange im Getriebe. Letzte Woche schlug nun der DSLV Alarm. Der internationale Palettentausch stehe kurz vor dem Aus. Spediteure fürchten nun Millionenlöcher. Zu den Hintergründen der jüngsten Diskussion.Ob CD-Player, Müsli, Autoreifen – Tag für Tag versenden und empfangen europaweit Industrie-, Handels- und Speditionsbetriebe unzählige Waren auf Paletten. In vielen Fällen funktionierte dies bislang dank des einheitlich geregelten internationalen Palettentauschverfahrens. Doch in den letzten Jahren häuften sich mehr und mehr die Probleme.Und zwar so sehr, dass nun Ingo Hodea, Referent für den Landverkehr im Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) in Bonn ernsthaft Sorge hat. "Der internationale Palettentausch steht kurz vor dem Aus", warnt er. Das Palettentauschverfahren stecke in einer seiner bisher größten Krisen. Die Folgen für deutsche Speditonen seien noch nicht absehbar. Der DSLV rechnet aber mit "Schäden in Millionenhöhe".Hintergrund für die jüngste Aufregung ist das Vorgehen diverser Speditionsverbände in Europa. Beispiel Schweiz: Hier werden schon seit 1. Januar 2008 die Paletten nicht mehr automatisch und kostenlos getauscht. Stattdessen gibt es zwei Varianten. Variante 1: Der Spediteur macht keinen Zug-um-Zug-Tausch mehr; die Verantwortung des Palettenhandlings liegt also beim Versender. Dieser muss mit dem Empfänger das Palettenhandling selbst managen oder mit einem Palettendienstleister zusammenarbeiten. Will der Versender seine Paletten vom Empfänger zurück, muss er dem Spediteur einen kostenpflichtigen Transportauftrag erteilen. Variante 2: Der Spediteur tauscht die Paletten weiterhin beim Versender bzw. Empfänger, erhält dafür aber eine Handlingsgebühr von zwei Prozent auf der Nettofrachtrechnung oder aber 4 Prozent bei Paletten mit Rahmen/Deckel, weißen Paletten beziehungsweise für Paletten im grenzüberschreitenden Verkehr. Diese Gebühren schlug der Verladerfachverband GS1 Schweiz dem Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands ASTAG vor, nachdem dieser mit dem Komplettausstieg aus dem Tausch gedroht hatte. Sollte die Handlinggebühr allerdings doch nicht von den Verladern umgesetzt werden, behalten sich die Spediteure vor, zum 1. Januar 2009 komplett aus dem Palettentausch auszusteigen. Auch in Italien schlagen die Wogen hoch. So beklagt Fedespedi, die italienische Organisation der internationalen Spediteure, auf Anfrage: Mit der Einführung der EPAL-Paletten habe sich die Situation für die italienischen Spediteure verschlimmert. Moniert wird: Der Austausch finde selten gleichzeitig statt, oft würden nicht gleichwertige Paletten getauscht. Die Spediteure müssten bei den Kunden die Rückgabe anmahnen. Der Verwaltungsaufwand sei mit rund 2 Euro pro umgeschlagene Palette so groß, dass ein Unternehmer dafür im Jahr zwei zusätzliche Mitarbeiter bezahlen könnte. Die itali-enischen Transport- und Speditionsverbände fackelten daher nicht lange. Sowohl "Fedespedi" als auch A.N.I.T.A, in dem die großen Transportbetriebe organisiert sind, rieten ihren Mitgliedern, ab 1. Januar 2008 den Palettentausch einzustellen. Auch wenn diese Aufforderung keineswegs bindend für Mitglieder war, darauf legen beide Verbände Wert, hat der Rat gefruchtet: Viele Kunden sind bereit, Teile der Kosten für den Palettentausch zu tragen. Zusätzlich wurden neue Tarife ausgehandelt. Zudem experimentierte man mit Einwegpaletten, die 30 Prozent der Kosten senken sollen. Drama zieht weitere KreiseSchweiz und Italien sind aber keine Einzelfälle. Auch Dänemark steigt auf die Barrikaden. Hier hat sich schon eine große Anzahl dänischer Spediteure aus dem internationalen Palettentausch-System ausgeklinkt oder zieht den Ausstieg in Erwägung. Konkrete Zahlen liegen dem Verband der dänischen Spediteure laut dem Vorsitzenden Martin Aabak aber nicht vor. Zudem betonte er, dass der Verband dazu keine Empfehlungen ausspreche, sondern die Entwicklung registriere. "Der Markt entscheidet." Und das Drama zieht weitere Kreise. Auch aus England, Frankreich, Norwegen, Polen und Schweden dringen ähnliche Nachrichten. Und für Deutschland kündigt der DSLV in einer Studie nun die Kosten des Systems genauer untersuchen zu wollen, so Ingo Hodea. ❙❚■ R. Bösker, E. Hassa, H. Keller, R. Pfriem

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