Eine Weile sah es so aus, als würde sich in Deutschland - wie zwanzig Jahre vorher in den skandinavischen Ländern - das „Du“ als die allgemeine gegenseitige Anredeform immer mehr ausbreiten. Der Trend in diese Richtung, der in den 80er und frühen 90er Jahren zu beobachten war, hat sich inzwischen aber wieder gewendet. Zum diesem Schluss komm das Institut für Demoskopie Allensbach nach einer aktuellen Umfrage in der Bevölkerung. Während 1993 noch jeder dritte Deutsche sagte, dass er mit neuen Bekanntschaften ziemlich schnell beim „Du“ sei, sagen das jetzt nur noch 29 Prozent. Die Zahl derjenigen, die sich mit dem „Du“ im allgemeinen viel Zeit lassen, ist etwa gleich groß (28 Prozent). Eindeutig zugenommen hat seit damals jedoch die Einstellung, dass man mit dem „Du“ oder „Sie“ differenziert umgeht, je nach Situation oder Gegenüber. 1993 sagen 33 Prozent, dass sie ganz verschieden - mal schnell, mal zurückhaltend - mit dem „Du“ umgehen. Heute sagen das 43 Prozent. Die Jüngeren haben sich mit dem „Du“ schon früher leichter getan als die Älteren. Das ist auch heute noch so. Aber es sei interessant zu beobachten, so das Allensbach-Institut, dass vor allem bei den Jüngeren das allgemeine und lockere „Du“ am stärksten rückläufig ist. 1993 berichteten 59 Prozent der 16-29jährigen, dass sie schon nach kurzer Bekanntschaft mit jemandem schnell zum „Du“ übergehen, jetzt sagen das nur noch 48 Prozent. Diese Entwicklung zu etwas mehr Förmlichkeit in der jüngeren Altersgruppe ist auch deshalb erstaunlich, weil deren Elterngeneration - gegen den Allgemeintrend - mit dem „Du“ heute eher ein wenig lockerer umgeht als die entsprechende Altersgruppe von vor zehn Jahren. Dass das schnelle „Du“ in Deutschland im Laufe der letzten Jahre wieder seltener geworden ist, heiße aber nicht, dass das Miteinander der Menschen sehr viel kühler ist als in den 90er Jahren, so die Allenbacher Demoskopen. Aber mit dem „Du“ oder „Sie“ komme heute wieder häufiger die gesellschaftliche Schicht, zum Vorschein. Während sich einfache Arbeiter (59 Prozent), Facharbeiter (58 Prozent) oder einfache Angestellte und Beamte (53 Prozent) untereinander meistens duzen, sind die Leitenden aus Wirtschaft und Verwaltung (39 Prozent) mit dem „Du“ auch untereinander zurückhaltend.
Jugend wieder förmlicher
Wer junge Mitarbeiter einstellt, sollte aufpassen. Die Jugend von heute ist förmlicher als ihre Vorgängergeneration. Das „Du“ als Anredeform wird wieder seltener in Freizeit und Beruf praktiziert.