Höhepunkt erreicht?

TX Logistik: Eine der großen Privatbahnen im KVHöhepunkt erreicht?Die privaten Bahnen haben zuletzt vom Boom im Kombinierten Verkehr profitiert. Für Neueinsteiger wird der Markt jedoch zunehmend schwieriger.Globalisierung, Containerboom und drohender Verkehrsinfarkt auf den Straßen sei Dank: Der Kombinierte Verkehr (KV) verspricht in den nächsten Jahren die größten Wachstumsraten im Eisenbahngüterverkehr. "Ich sehe recht gute Potenziale, weil man gerade im Hafenhinterlandbereich die Container nicht alle über die Straße abfahren kann", meint Christine Große, die beim Beratungsunternehmen SCI Verkehr GmbH in Hamburg eine im Dezember erschienene Schienengüterverkehrsstudie erarbeitet hat. Kein Wunder, dass sich von diesem wachsenden Kuchen auch die im KV tätigen privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) etwas abschneiden wollen. "Der KV wird nach allen Experten Steigerungsraten haben", meint Edmund Prokschi, Geschäftsführer der SBB Cargo Deutschland in Duisburg. Daran wolle man partizipieren. Doch nicht notwendigerweise auf Kosten des Wettbewerbs. "Wenn insgesamt Wachstum stattfindet, ist es weniger eine Frage von Verteilungskämpfen." Optimistisch zeigt sich auch Armin Riedl, Geschäftsführer der Lokomotion Gesellschaft für Schienentraktion mbH. Er rechnet damit, die in den letzten fünf Jahren schon um 50 Prozent gestiegene beförderte Menge "auf absehbare Zeit weiter zu verdoppeln". Nicht nur ErfolgsstorysTrotz der rosigen Aussichten bleibt die Anzahl der privaten Unternehmen, die sich in diesem Bereich erfolgreich engagieren, beschränkt. Im Gegenteil: Mancher hat sich schon die Finger verbrannt an dem kapitalintensiven Geschäft. So musste die Locon Logistik & Consulting AG in Oberucksersee ihren im März 2006 hoffnungsfroh lancierten KV-Zug von Bre-men nach Wustermark wenige Monate später wieder vom Gleis nehmen – wegen zu stark schwankender Auslastung. "Jemand, der Geld investiert, möchte vernünftige Rendite haben", begründet Marian Gaidzik, Geschäftsführer der HaCon Ingenieursgesellschaft mbH in Hannover, die Zurückhaltung größerer Player, in den kapitalintensiven Schienengüterverkehrsmarkt einzusteigen. "Man kann im Eisenbahnverkehr zwar Renditen erzielen. Aber die sind nicht vergleichbar mit möglichen anderen Geschäften." Daher seien die meisten "Newcomer" im KV auch nicht vorrangig deshalb gegründet worden, um Renditen zu erzielen, "sondern um strategische Märkte zu bedienen". Zwar erwartet auch da Christine Große von SCI Verkehr noch eine Zunahme der Anbieter: "Neue werden in den Markt drängen", meint sie. "Aber es ist natürlich eine Frage, wie lange sie sich halten."Konsolidierung unter den EVU Mancher sieht nach der Auflösung des Monopols in Deutschland und der euphorischen Gründungsphase alternativer Anbieter allerdings bereits eine neue Phase angebrochen: "Ich denke, wir werden 2009 eine Konsolidierungsphase erreichen", erläutert Prokschi. Mit Blick auf Europa meint er: "Am Ende haben wir ein paar Wettbewerber unterschiedlicher Größe, die sich den Markt teilen." Entwicklungen wie der Kauf der Rail4Chem durch Veolia Cargo Anfang dieses Jahres bestätigen diese Haltung. Auch Marian Gaidzik von HaCon erwartet: "Dieser Markt entwickelt sich jetzt wie jeder andere auch. Erst wurden es immer mehr. Jetzt werden Namen auch wieder verschwinden."In dieser Phase der Neuorientierung des Marktes bauen die meisten privaten EVU, die sich neben Railion positioniert haben, auf eine stabile Nische, in der sie mit speziellen Angeboten und Know-how-Vorteilen punkten können. So sieht die im Jahr 2000 zur Erschließung des Schienengüterverkehrsmarkts über den Brenner gegründete Lokomotion ihre Hauptlast nach Aussagen von Riedl weiterhin am Brenner. "Wir haben uns auf ein Segment spezialisiert, wo man starke, koppelbare Fahrzeuge mit Sicherungssystemen und ein ganz spezielles Know-how braucht. Derartiges Spezialwissen vorzuhalten, ist für die Großen immer schwierig", sagt Riedl, der zugleich Geschäftsführer des Operateurs Kombiverkehr ist. Allerdings erfordere es nicht zuletzt die Kundenstruktur, "ergänzend zu Brennerverkehren Züge über die Tauern anzubieten". Zwei Züge laufen bereits. Ein weiterer Zug bindet ab April den Transportmarkt Vorderasien und Türkei über Ljubljana an. Auch die SBB Cargo Deutschland legt nach den Worten von Prokschi den Fokus auf die Nord-Süd-Achse. Allerdings habe man das Ohr dicht an den Kunden, den Operateuren – "und wo die hingehen und Terminals bauen, das ist natürlich für uns von großem Interesse". CTL Logistics auf ExpansionskursAuf ihre osteuropäischen Verbindungen setzt die CTL Logistics GmbH in Düsseldorf. Kein einfaches Terrain, denn in der Vergangenheit hat bei den Plänen für den KV von und nach Osteuropa oft Wunschdenken die Konzepte bestimmt. Trassen, Topografie und Technik haben viele Vorhaben zunichtegemacht. "Vieles scheitert an der Fähigkeit, tatsächlich durchgängig zu fahren", meint Peter Plewa, Geschäftsführer der CTL. Das soll sich jetzt ändern: Auf der Achse von den Häfen Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam nach Osteu-ropa will die CTL, deren Muttergesellschaft die größte Privatbahn Polens ist, künftig mit Multisystemloks auf der Route Holland–Deutschland–Polen punkten. Ein erster Probezug fuhr Mitte April mit einer Multisystemlok fahrplanmäßig auf der Route von Gdansk nach Sosnowiec und weiter nach Köln. Plewa ist sich daher sicher, dass "Unternehmen, die aufgrund der Ressourcen, Loks, durchgängiger Planung und Kontrolle einen adäquaten Wettbewerbsvorteil gegenüber alten Kombinationssysteme haben werden". Dazu bildet CTL derzeit Lokführer aus. Künftig sind für Plewa vor allem drei Korridore interessant: zum einen die klassische Ost-West-Route, die man mit der Verbindung nach Warschau bedient. Daneben nimmt Plewa die Verbindung von Mitteleuropa zu den Häfen Koper am Mittelmeer und Constanza am Schwarzen Meer ins Visier. "Das ist der nächste Korridor, der uns interessiert." Auch die Verbindung zwischen dem südlichen Europa und Osteuropa hat in seinen Augen Entwicklungspotenzial, weil die Mittelmeerhäfen zunehmend in Konkurrenz zu den Häfen der Nordrange treten werden.Mit Korridorstrategie erfolgreichAuch die TX Logistik AG verfolgt eine Korridorstrategie. Seit gut drei Jahren ist die Bahn, an der die italienische Güterbahn Trenitalia 51 Prozent der Anteile hält, stark auf der Nord-Süd-Relation aktiv: auf den Verkehrsverbindungen zwischen Ostseehäfen, Ruhrgebiet und Dänemark auf der einen Seite und Verona auf der anderen Seite. Das nächste Ziel ist der Aufbau einer Verbindung zwischen Ruhrgebiet und Mailand. Danach soll Schweden mit dem Süden verbunden werden. Inhaltlich will sich TX Logistik auf maßgeschneiderte Lösungen konzentrieren: Seit einem halben Jahr fährt im Rahmen dieser Bemühungen ein Zug mit Kühlgütern aus Padberg nach Verona. Auf der Verbindung Ruhrgebiet–Mailand, an der aktuell gearbeitet wird, sollen nach Angaben von Raimund Stüer "sicherheitssensible Güter transportiert werden".Mit ihren Angeboten sehen sich die privaten KV-Bahnen in einer komfortablen Situation: Das rasante Wachstum des Containerverkehrs bietet jedem Anbieter ausreichend Möglichkeiten, sich zu entfalten. Ob man dabei eher mit den (ehemaligen) Staatsbahnen oder mit der Straße konkurriert, erscheint fast nachrangig: "Ich sehe uns weder in Konkurrenz zu den Staatsbahnen noch zum LKW", meint Plewa von CTL Logistics. "Einerseits ist es nicht unbedingt der Wettbewerb des LKW, 2000 Kilometer zu fahren", meint er. "Andererseits sind die traditionellen Bahnen offensichtlich nicht in der Lage, ein passendes Angebot zur Verfügung zu stellen." Für TX-Logistik-Vorstand Stüer ist die Straße der Wettbewerb: "Da nach wie vor sehr große Anteile des Güterverkehrs über die Straße transportiert werden", meint er, "sehe ich große Möglichkeiten, mit kreativen Lösungen Transportmengen auf die Schiene zu verlagen. Das ist die wesentliche Chance für Anbieter mit hoher Servicequalität und Pünktlichkeit." Ähnlich äußert sich Riedl von Lokomotion. "Unser Ziel ist nicht, extremen Profit zu erzielen, sondern die Verkehrsverlagerung voranzutreiben."Solche Angebote wären ohne die Liberalisierung des Eisenbahngüterverkehrs in Europa seit dem 1. Januar 2007 nicht denkbar – da sind sich alle Insider und Experten einig. "Es hat sich erheblich gebessert", meint Christine Große von SCI Verkehr. "Im deutschsprachigen Raum sind die Möglichkeiten gut. Auch in Frankreich und Polen sind sie deutlich besser geworden." Ähnlich sieht das Udo Sauerbrey, EVU-Berater und Geschäftsführer der Railistics GmbH in Wiesbaden. "Ohne Liberalisierung hätten wir nicht das Wachstum, das wir jetzt sehen. So hätte sich zum Beispiel der Rotterdamer Hafen nicht der Bahn zugewandt." Allerdings fordert Stüer mehr Bewegung ein: "Es muss der Druck auf die Staaten erhöht werden, die der Liberalisierung nicht folgen." Auch dabei schielt Stüer nicht auf die Umsätze der dortigen Staatsbahnen. Das sei gar nicht nötig. Denn "ein gutes europäisches System erzielt am Ende ein großes Wachstum durch seine Attraktivität." ❙❚■ Florian Beck, freier Journalist

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