Elbvertiefung

ElbvertiefungBaggern verboten!Das Bundesverwaltungsgericht hat die geplante Elbvertiefung fürs Erste gestoppt. Für den Hamburger Hafen und die dort ansässigen Logistikunternehmen ist das Urteil ein herber Schlag. Bis zum Start des millionenschweren Bauvorhabens könnten Jahre vergehen. Bis auf Weiteres dürfen die Schwimmbagger nicht anrücken: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat vergangene Woche die geplante Elbvertiefung zwischen Hamburg und Cuxhaven vorläufig gestoppt. Es hat damit dem Eilantrag der Natur- und Umweltschutzvereinigungen Nabu und BUND gegen den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord stattgegeben. Die Richter erließen den Baustopp, um im Hauptsacheverfahren „eine Vielzahl“ von Fragen zum Umweltschutz klären zu können. Sie wollten verhindern, dass durch erste Baggerarbeiten und strombauliche Maßnahmen schon Eingriffe in die Natur erfolgen, die bei einer späteren gerichtlichen Einstellung solcher Ausbauarbeiten nicht ohne Weiteres wieder umkehrbar seien.Der Bund und das Land Hamburg wollen den Fluss vertiefen, um größeren Frachtschiffen die Einfahrt in den 130 Kilometer von der Nordsee entfernten Hafen zu ermöglichen. Die Unter- und Außenelbe sollen für Containerschiffe mit einem Tiefgang von 14,5 Metern ausgebaggert werden.Nach Ansicht der Kläger verstößt eine Elbvertiefung gegen Vorschriften des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzrechts. Demnach sind Eingriffe, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der Schutzgebiete führen können, verboten. Natur- und Umweltschutzverbände begrüßten deshalb den vorläufigen Stopp der Fahrrinnenanpassung. Der Gerichtsentscheid aus Leipzig zeige, dass europäisches Naturschutzrecht in Deutschland ernst genommen werde, sagte Beatrice Claus vom WWF.Die Umweltschützer rechnen damit, dass das Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht – „je nach Vorlagenotwendigkeit wichtiger europäischer Rechtsfragen vor dem Europäischen Gerichtshof“ – zwei bis vier Jahre dauern könnte.Beschluss noch keine VorentscheidungDie Richter haben bei ihrer Entscheidung nach eigenen Angaben zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Schutz von Flora und Fauna abgewogen. Abgesehen von Maßnahmen zur Ufersicherung im Altenbrucher Bogen und zur Baufeldräumung darf nun vorerst nicht mit weiteren Arbeiten begonnen werden. Der Beschluss sei aber noch keine Vorentscheidung über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens.Einen Termin dafür gebe es noch nicht und sei auch noch nicht absehbar, sagte eine Gerichtssprecherin in Leipzig. Eine solche Verfahrenseröffnung kann sich bis zu eineinhalb Jahren hinziehen. Trotz des öffentlichen Interesses an einem zügigen Baubeginn sei es vordringlich, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, die auch in der EU geschützte Belange des Gemeinwohls beeinträchtigen könnten.Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer zeigte sich bestürzt über das Urteil: „Eine katastrophale Entscheidung für den Logistikstandort Deutschland. Manchmal wissen die Richter nicht, was sie tun“, sagte der CSU-Politiker vergangene Woche am Rande des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin. Das Bundesverkehrsministerium als Großfinanzierer des rund 400 Millionen Euro teuren Unterfangens hält dennoch an der Fahrrinnenanpassung fest. „Die Bundesregierung steht zur Elbvertiefung. Auch wenn die juristischen Wege das ganze Projekt immer wieder in eine Warteschleife schicken“, sagte der Minister der „Bild“-Zeitung.In Hamburg gibt man sich indes zweckoptimistisch. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) rechnet trotz des Stopps der geplanten Elbvertiefung mit deren Durchführung. Er sei von einem positiven Ausgang des Hauptverfahrens überzeugt und zuversichtlich, dass es nicht zu langjährigen Verzögerungen komme, sagte er auf der Indienreise einer Hamburger Delegation um Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).Opposition in Hamburg übt KritikDoch es gab auch kritische Kommentare aus dem Rathaus: „Der vorläufige Stopp der Elbvertiefung durch das Bundesverwaltungsgericht droht Hamburgs Hafen für Jahre zurückzuwerfen“, sagte die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Katja Suding. Mit Blick auf Hafenwirtschaft und Arbeitsplätze dringen die Oppositionsparteien CDU und FDP deshalb weiter auf die Vertiefung der Elbe.Während der Senat weiter an seinem Plan festhält und auf eine positive Entscheidung durch das Gericht im Hauptsacheverfahren setzt, werden erste politische Stimmen laut, die einen Kompromiss mit den Klägern fordern. „Das ist ein hohes Risiko für die Hamburger Wirtschaft, jetzt weiter auf Alles oder Nichts zu setzen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, Jens Kerstan, der Zeitung „Die Welt“. Vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidung sich noch bis zu vier Jahre hinziehen könnte, müsse der Hamburger Senat seine Hafenstrategie ändern und „erstmalig und ernsthaft mit den Umweltverbänden darüber reden, ob man nicht doch eine Lösung findet“.Die Regierung befürchtet jedoch, dass für einen Kompromiss das gesamte Verfahren wieder aufgerollt werden müsste. Man wäre also wieder bei dem Stand von 2005. Darauf will sich die SPD ebenso wenig einlassen wie auf eine außergerichtliche Einigung.Die Hafenwirtschaft regierte auf das Bremsmanöver mit einer Justizschelte: Detthold Aden, Präsidiumsmitglied des Deutschen Verkehrsforums und Vorstandsvorsitzender der Bremer BLG Logistics Group, sieht durch das Urteil die Rechtssicherheit bei der Planung von Bauvorhaben infrage gestellt: „Wenn die Verlässlichkeit bei planfestgestellten Projekten in Deutschland nicht mehr gegeben ist, dann hat das äußerst negative Auswirkungen auf die Kunden der Häfen und die Logistikwirtschaft.“ Verzögerungen über Jahre hinweg trieben zudem die Kosten für Verkehrsinfrastruktur noch mehr in die Höhe, mahnte Aden.Reform des Planungsrechts gefragtDer Unternehmensverband Hafen Hamburg kritisierte darüber hinaus, das Planungsrecht sei zu komplex, um zeitnahe Entscheidungen für Infrastrukturvorhaben zu erreichen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wichtig sind. Eine grundlegende Überarbeitung des Rechts sei dringend erforderlich.Auch Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim Verband Deutscher Reeder, befürchtet, dass das Urteil aus Leipzig der Wettbewerbsfähigkeit des Logistikstandortes Deutschland schadet. „Wir erhalten bislang Top-Noten und müssen aufpassen, dass wir diesen Vorsprung nicht durch solche Beschlüsse verlieren“, sagte er.Jan Miller, Geschäftsführer der Jade-Weser-Port Logistics Zone, pflichtet bei: „Das kann uns nicht freuen.“ Zwar hofft Miller darauf, dass mit Indienststellung der 18.000-TEU-Schiffe auch Wilhelmshaven von dem Baustopp profitiert. Doch diese Containerriesen hätten im nächsten Jahr ohnehin noch nicht Hamburg voll beladen anfahren können, weshalb der Tiefwasserhafen genau zum richtigen Zeitpunkt in Betrieb gegangen sei.Zeitplan nur noch MakulaturFür Uli Wachholtz, Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg, ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes „ein herber Schlag ins Kontor für die wirtschaftliche Bedeutung des Hamburger Hafens“. Mit dem vorläufigen Baustopp sei der Zeitplan des Schlüsselprojektes für den gesamten Norden nur noch Makulatur.Der Baustopp trifft vor allem große Terminalbetreiber im Hamburger Hafen wie die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Eurogate. Aus Sicht dieser Unternehmen ist die Elbvertiefung unverzichtbar, um international konkurrenzfähig zu bleiben und noch größeren Containerschiffen die Nutzung des Hafens zu ermöglichen. Die Aktien der HHLA verloren in den Stunden nach der Entscheidung der Leipziger Richter zwischenzeitlich 3,2 Prozent auf 19,25 Euro.Für die Hamburger Wirtschaft mit Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer an der Spitze „muss es jetzt darum gehen, das weitere Verfahren zum Wohle von Wirtschaft und Arbeit in der Metropolregion schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen“. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei für die Hamburger Wirtschaft ein zeitlicher Rückschlag, aber keineswegs eine Entscheidung gegen die Fahrrinnenanpassung. ❙❚■ Michael Cordes, André GießeDer Baustopp der geplanten Elbvertiefung macht der Hamburger Hafenwirtschaft einen Strich durch die RechnungElbvertiefungWas bedeutet dieses Urteil für Hamburg?Andreas Rieckhof, Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Stadt Hamburg, glaubt an die Elbvertiefung.Wie groß ist der Schaden für den Hafen Hamburg durch das Urteil aus Leipzig?Die Aufregung über die Entscheidung ist groß, es besteht aber kein Anlass, schwarz zu malen. Wir hatten auf eine Abkürzung des Verfahrens gehofft, indem das Bundesverwaltungsgericht trotz der Klagen der Verbände den einstweiligen Baubeginn zulässt. Das hat nicht funktioniert, weil das Gericht den Prüfungsumfang als zu groß ansieht. Ob die Elbvertiefung kommt, wird jetzt im Hauptsacheverfahren entschieden werden.Wie stehen die Chancen?Es gibt zwei Dinge, die uns optimistisch stimmen: Zum einen dürfen weiterhin bestimmte, schon begonnene vorbereitende Maßnahmen durchgeführt werden. Zum anderen haben die Richter in ihrer Begründung klargemacht, dass sie um die internationale Verkehrsbedeutung dieses Projektes wissen. Werden die vorbereitenden Baumaßnahmen fortgesetzt?Selbstverständlich. Die Ufersicherung in Cuxhaven läuft bereits und wird fortgeführt. Auch die Räumung des Elbgrundes von Wracks, Ankerketten und Ähnlichem läuft weiter.Ihre Prognose: Kommt die Elbvertiefung?Ja – mit drei Ausrufezeichen dahinter. Das ist nur eine Frage der Zeit. cdInterviewAndreas RieckhofDie Elbe wurde seit Anfang des 19. Jahrhunderts achtmal vertieft, um sie den Anforderungen der Schifffahrt anzupassen – zuletzt 1999. Sie lässt nun bei Flut einen Tiefgang von maximal 13,5 Meter zu. Die Frachtschiffe kommen allerdings nur voran, wenn sie nicht voll beladen sind. Diesmal will Hamburg den Fluss so ausbaggern, dass auf ihm Schiffe mit einem Tiefgang von 13,5 Meter unabhängig von Ebbe und Flut fahren können. Tideabhängig soll die Elbe für Schiffe mit einem Tiefgang von maximal 14,5 Metern passierbar gemacht werden.Bei der geplanten Vertiefung werden voraussichtlich 38 Millionen Kubikmeter Baggergut anfallen. Der weitaus größte Teil davon soll verbaut werden, um in der Elbmündung mit Unterwasserwällen die Versandung der Fahrrinne zu verringern. agElbvertiefung

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