Die schwarzen Schafe

Die schwarzen Schafe der BrancheUnbezahlte Frachtrechnungen sind für viele kleine Transportunternehmer ein Existenzproblem. Das Verzögern der Zahlungen hat Methode, bis hin zum Frachtgeldbetrug.Geprellte Unternehmen, ruinierte Firmen und vernichtete Existenzen. Als Vorstand des von ihm gegründeten Branchenverbandes Camion Pro mit Sitz in Unterschleißheim bei München kämpft Andreas Mossyrsch seit Jahren gegen angebliche Frachtgeldbetrüger und andere schwarze Schafe des Transportgewerbes. Sein Lieblingsfeind: die Herxheimer Spedition Roth Eurologistik. Für Mossyrsch ist Spediteur Norbert Roth eben eines jener schwarzen Schafe, während Roth von einem Rachefeldzug ausgeht. So weit steht Aussage gegen Aussage. Die Fakten: Mossyrsch ging 2002 mit seiner "Star Truck GmbH" pleite – angeblich weil Roth Rechnungen nicht bezahlte. Spediteur Roth wirft Mossyrsch wiederum vor, Miete für Kühlauflieger nicht bezahlt zu haben. Seitdem überziehen sich die Kontrahenten gegenseitig mit Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und einstweiligen Verfügungen.Finanziert wird der Schlagabtausch gegen Roth und andere angebliche schwarze Schafe unter den Spediteuren von der Schutzgemeinschaft Camion Pro, die Mossyrsch zusammen mit weiteren Transportunternehmern 2001 gründete. Auf der Internetseite des selbst ernannten "Verbandes für die Transportbranche" wettert Mossyrsch unverhohlen gegen Roth, spricht im Interview von "Krieg" und wird gegenüber den Gerichten und Anwälten nach Aussage von Beteiligten schon mal ausfällig. Für ihn ist Roth ein Vorzeigefall, wie Speditionen kleinere Unternehmen in die Pleite treiben. Als "Beweise" führt er Beschwerden gegen den Herxheimer Unternehmer an. So wirbt Roth auf seiner Internetseite mit Versprechungen wie "volle und optimale Auslastung Ihres Fahrzeuges", "lukrative Frachtraten" und "gesicherte und pünktliche Bezahlung". Doch genau damit sei es Mossyrschs Ansicht nach nicht weit her. Camion Pro präsentierte der VerkehrsRundschau Schreiben von Fuhrunternehmen, die sich bei dem Berufsverband über die schlechte Zahlungsmoral der Roth Eurologistik beschweren. Meist würden die Transporteure vertröstet. Das Geld sei unterwegs, es habe einen Zahlendreher bei der Kontonummer gegeben oder es gebe "trotz mehrmaligen schriftlichen und telefonischen Anmahnen" schlicht keine Begründung und kein Geld. Roth selber erwidert hierauf über seine Anwältin, dass das Geld zu Recht zurückgehalten worden sei: "Es gab dabei zum Beispiel Fälle von Personen, welche Fahrzeuge angemietet hatten und Tankkreditkarten genutzt hatten, diese dann aber nicht ordnungsgemäß abgerechnet hatten. Demnach musste eine entsprechende Überprüfung vorgenommen werden." Zudem werde die Verantwortung der Kleinunternehmer, vollständig und richtig abzurechnen, "jedoch oft von diesen vernachlässigt", so die Anwältin auf eine Anfrage der VerkehrsRundschau. Sie bekräftigt: "Es gibt keine Personen, die berechtigte Forderungen nicht ausgeglichen erhalten haben." Tatsächlich bestätigen ehemalige Vertragspartner und Fahrer der VerkehrsRundschau, dass sie ihr Geld mittlerweile erhalten hätten. Selbst einige "Vorzeigefälle" von Camion Pro haben wohl ihren Frieden mit Roth geschlossen und wollen gegenüber der VerkehrsRundschau nicht mehr darüber reden.Betrüger sind schwer zu enttarnen"Das Problem ist, dass in Deutschland das Nichtbezahlen von Rechnungen kein Straftatbestand ist", muss auch Mossyrsch einräumen. Betrug liegt erst vor, wenn dem Auftraggeber nachgewiesen wird, dass er schon bei Vertragsabschluss nicht die Absicht hatte, die Rechnung zu bezahlen. Ein Tatbestand, der schwierig zu beweisen ist. Unmöglich ist es jedoch nicht – wenn auch die Geschädigten außer der Genugtuung nur selten etwas davon haben. So wie bei der Seevetaler Spedition Avi-sped International. Ende vergangenen Jahres verurteilte das Amtsgericht Winsen an der Luhe die Geschäftsführer der Firma wegen Betruges und Insolvenzverschleppung zu jeweils neun Monaten Gefängnis auf Bewährung. Laut Urteilsbegründung hätten die Verurteilten keineswegs für die geleisteten Frachtaufträge bezahlen wollen. Vielmehr hätten sie beabsichtigt, die Firma "verschwinden zu lassen", ohne Insolvenzantrag zu stellen. Der gerichtsbekannte Gesamtschaden summierte sich am Ende auf über 100.000 Euro. Einer der Geschädigten ist Ronald Lehmann. Bei ihm stand Avisped International mit rund 10.000 Euro in der Kreide. Nicht die einzige Firma, die ihm Geld schuldete. Als die Außenstände auf mehr als 65.000 Euro angelaufen waren, gab Lehmann das Geschäft auf. Heute fährt er wieder als angestellter Fahrer. Sein Geld hat er nie bekommen. Avisped International ist mittlerweile pleite. Die ehemaligen Geschäftsführer sollen mit anderen Firmen noch am Markt tätig sein. Trotz solcher Fälle sind betrügerische Frachtaufträge am Markt eher die Ausnahme. Dennoch: Sie gehören offenbar zur Branche wie der Heuschnupfen zum Sommer. "Das Problem von Frachtgaunern taucht immer wieder auf. Meistens in Wellenform melden sich bei uns um die Fracht betrogene Subunternehmen", weist Dagmar Wäscher, Vorstandschefin des Bundesverbandes der Transportunternehmen (BVT) auf das generelle Problem hin, mit dem die Branche zu kämpfen hat. "Uns ist zum Beispiel ein Unternehmen seit 1997 bekannt, das bis heute immer wieder kleinere Unternehmen mit der gleichen Masche abzockt", so Wäscher. Diese Firmen zu enttarnen, ist kaum möglich. Um so sicher wie möglich zu gehen, dass sie es mit einem seriösen Unternehmen zu tun haben, können Subunternehmer jedoch einiges beachten, zum Beispiel auf einem persönlichen Gespräch bestehen (siehe Kasten S. 27 unten). Bei bestimmten Anzeichen sollten jedoch spätestens die Alarmglocken klingeln (siehe Kasten oben). Ist dieser Moment verpasst und in der Zusammenarbeit treten bereits Probleme auf, lässt sich mit den richtigen Schritten der Schaden möglicherwei- se noch begrenzen (siehe Kasten S. 27 oben). Um vor betrügerischen Firmen zu warnen, hatte der BVT bereits 1997 eine entsprechende Liste verbreitet. Doch offizielle schwarze Listen sind von den Gerichten in der Vergangenheit immer wieder untersagt worden. Der Grund: Zwar können Betrüger unerkannt weitermachen, ein Verbot solcher Listen schützt aber auch seriöse Unternehmen. Die Gerichte bewerten damit das Interesse seriös arbeitender Firmen, nicht zu Unrecht angeprangert zu werden, höher als den Belang potenzieller Opfer, den einen oder anderen Frachtgauner zu enttarnen. Schließlich will niemand wegen einer möglicherweise zu Recht unbezahlten Rechnung gleich öffentlich am Pranger stehen. Die Zahlungsmoral ist rückläufigDas planmäßige Herauszögern der Bezahlung scheint bei vielen Firmen dennoch Methode zu haben. In keiner anderen Branche werden Forderungen so spät beglichen wie im Transport- und Logistikwesen, stellt der Kreditversicherer Atradius aus Köln fest. Rechnungen würden im Schnitt erst nach 39 Tagen bezahlt. Und die Zahlungsmoral ist weiter rückläufig. Auch komplette Zahlungsausfälle sind keine Seltenheit. Bei vier Prozent der Rechnung sehen die Auftragnehmer im Schnitt kein Geld. Das spiegelt sich in den Insolvenzzahlen wider. Atradius rechnet für das abgelaufene Jahr mit rund 550 Versicherungs- und Inkassofällen.Auch die Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers bestätigt, dass Veruntreuung, Bilanzfälschungen oder Steuerbetrug zu den häufigsten Wirtschaftsdelikten in der Transport- und Logistikbranche gehören. Fast jedes zweite Unternehmen aus dem Bereich wurde demnach in den letzten zwei Jahren Opfer eines Betruges. Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen. Vor allem die niedrigen Gewinnmargen verführen offenbar zum Betrug. Das betrifft nicht nur die kleinen Subunternehmer, sondern auch große Speditionen. BVT-Vorstand Dagmar Wäscher hat aber die Erfahrung gemacht, dass die kleineren Auftraggeber häufiger zu den schwarzen Schafen gehörten. "Teilweise um sich am Markt zu behaupten, teilweise, weil sie absolut skrupellos den selbstfahrenden Unternehmer oder das Kleinunternehmen ausbeuten", so Wäscher. Camion-Pro-Chef Mossyrsch schätzt, dass rund 25 Prozent der Ladungs-angebote in Zeitschriften und Frachtbörsen von unseriösen Auftraggebern stammen, bei denen eine "sehr konkrete Gefahr besteht, dass man kein Geld bekommt". Belege für diese Zahlen finden sich allerdings nicht. Das Problem ist auch bei den Frachtbörsen bekannt. Die großen Vermittler betonen, dass sie die Teilnehmer immer stärker überprüfen. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es aber nicht. So merken Transporteure meist zu spät, dass sie kein Geld bekommen werden. Nach Erfahrungen des BVT ist der Ablauf stets ähnlich: Per Annonce werden Subunternehmer für den Festeinsatz gesucht, bei garantierter Vollauslastung. Ein unrealistisches Versprechen. Denn dies sei in dem Geschäft kaum möglich, sagt BVT-Chefin Wäscher. Auch bei der Kombination zwischen Frachtauftrag und Fahrzeugmiete rät sie zu besonderer Vorsicht: Häufig steckten hinter derartigen Angeboten kleinere Frachtenvermittler, die nur die Vermittlung von Frachten anböten oder selber Subunternehmer eines größeren Auftraggebers seien. Unregelmäßigkeiten erst nach MonatenAnfangs funktioniert die Zusammenarbeit reibungslos; erst nach ein paar Monaten setzen Unregelmäßigkeiten ein. Die Frachtführer werden vertröstet, wenn genug Schulden aufgelaufen sind, bricht der Kontakt ab. Die Tankkarten werden eingezogen, die Fahrer bekommen kein Gehalt mehr und die Leasinggesellschaften holen die Autos zurück. Viele können sich dann noch nicht mal einen Anwalt leisten, um die ausstehenden Zahlungen einzuklagen. Ein Fall für die Verbände, hier hilfreich zur Seite zu stehen, meint Dagmar Wäscher. Sie müssten ein Interesse daran haben, die unseriösen Unternehmen aus dem Markt zu drängen. Wäscher: "Firmen, die zu Dumpingpreisen anbieten, Provisionen einstreichen und Kleinunternehmen ausbeuten, machen auch den seriösen Unternehmen schwer zu schaffen."❙❚■ Alexander Heintze, freier JournalistDie ersten Schritte bei Problemen in der ZusammenarbeitSo erkennen Sie schwarze SchafeVor einer Zusammenarbeit mit einem neuen Auftraggeber sollten Sie einige Punkte beachten:Bestehen Sie auf einem persönlichen Ge-spräch, um sich gegenseitig kennen zu lernen.Zahlungsziele sollten am Anfang wöchentlich und nach längerer Zusammenarbeit maximal 14-tägig vereinbart werden. Seriöse Auftraggeber geben bereitwillig Auskunft, wie die Zusammenarbeit aussehen soll und händigen Verträge, Geschäftsbedingungen, die Haftungsgrundlage und die Vergütung schriftlich aus, damit der Unternehmer alles in Ruhe durchsehen kann.Quelle: BVTDie Tricks der Betrüger: Hier sollten Sie vorsichtig seinVersprechungen bezüglich Umsatz und Auslastung werden nicht schriftlich zugesichert.Verträge werden nur telefonisch abgewickelt, ein persönlicher Kontakt ist nicht gewollt.Alles muss ganz schnell gehen. Vor allem der Vertrag muss unter Zeitdruck unterschrieben werden. Frachtverträge sind mit einem Miet- oder Leasingvertrag über einen Auflieger verbunden. Meistens haben diese Miet- oder Leasingverträge lange Laufzeiten, die Frachtverträge dagegen kurze.Vergütungszahlungen erfolgen schleppend, weil angeblich Unterlagen fehlen.Es wird nicht nur das Geld zurückgehalten, für das zum Beispiel Lieferscheine fehlen, sondern die komplette Vergütung.Palettenrechnungen werden von der Rechnung abgezogen, obwohl es Palettentausch-scheine oder Eintragungen auf den Lieferscheinen gibt.Schäden werden ohne vorherige Rücksprachen abgezogen.Schadenunterlagen sind nicht komplett oder unkorrekt.Die Rechnung zum Beispiel für Mietauflieger entspricht nicht den Vereinbarungen.Widersprüche werden ignoriert.Der Auftraggeber lässt sich am Telefon verleugnen.Schecks des Auftraggebers platzen.

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