München. Kurzfristige Taktik, langfristige Strategie, Supraplanung – während westliche Manager nur von Quartal zu Quartal denken, arbeitet man im Reich der Mitte sogar mit Hundertjahreszielen. Harro von Senger, Professor der Sinologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. und Experte des chinesischen Rechts des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung, hat sich diesem Thema in seinem Buch „Moulüe – Supraplanung – Unbekannte Denkhorizonte aus dem Reich der Mitte" angenommen.
Der dichte Text und die nüchterne Aufmachung wirken zwar auf den Blick sehr trocken, doch der Eindruck täuscht: Auf kurzweilige Art beschreibt der Sinologe, aus welchen dem Westen unbekannten geistigen Quellen die Führung Chinas ihre Prinzipien schöpft, die das Land in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt aufsteigen ließ. In den fünf Kapiteln widmet er sich unter anderem dem Terminus Moulüe, was man im Deutschen als Supraplanung bezeichnen könnte. Dabei handelt es sich um "eine Denkebene über der höchsten im Westen erschlossenen, also der strategischen Denkebene", die sich auf das älteste Militärtraktat der Welt, Meister Suns Kriegskunst, zurückführen lässt.
In den darauffolgenden Kapiteln widmet sich der Dozent dem Sinomarxismus und den chinesischen Überlistungstechniken, den so genannten Strategemen, um alle drei Denkebenen im vierten Kapitel miteinander zu vernetzen. Im letzten Kapitel "In Europa was tun?" vergleicht Senger das System der Europäische Union abschließend mit dem der Volksrepublik.
Das Buch bietet verblüffende und spannende Einblicke in die Denkweise eines Landes, von dem auch Europa noch etwas lernen kann. (ab)
Harro von Senger: Moulüe - Supraplanung: Unerkannte Denkhorizonte aus dem Reich der Mitte, Hanser, München 2008, 302 Seiten, ISBN 9783446413658